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Thode, Henry; Michelangelo; Michelangelo [Contr.]
Michelangelo: kritische Untersuchungen über seine Werke; als Anhang zu dem Werke Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 2) — Berlin: Grote, 1908

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Der Engelsturz

Ritratto di Roma moderna, Rom 1689, p. 344 liest man: „il giu-
dizio nella croce della chiesa e d'un Siciliano che serviva il Buo-
narroti et e uno de'disegni fatti per il Giuditio nel Vaticano."
Später wurde das Fresko zerstört, als man eine Kapelle des
hl. Franz dort baute (Titi: Ausgabe von 1763, p. 377).
Haben wir irgend eine Möglichkeit, das Gemälde zu rekon-
struiren? Ein Entwurf Michelangelos für die gesamte Komposition
ist nicht erhalten. Wie ich bei Karl Köpl: „Urkunden, Acta u. s.w.
aus dem k. k. Statthalterei-Archiv in Prag" (Jahrb. der kunsthist.
Sammlungen des Allerhl. Kaiserhauses 1889, X, S. CXXXVIII) finde,
befand sich im XVIII. Jahrhundert in der Kaiserl. Kunstkammer
(Inventare von 1718 und 1737) unter Nr. 453 ein Bild: „Die Ver-
treibung Luzifers aus dem Himmel", das als Kopie des Originales
von Michelangelo betrachtet wurde. Ist dieses Bild noch heute er-
halten ?
Beachtenswerth scheint mir eine ausgeführte Zeichnung von
Angelo Bronzino in den Uffizien (ausgestellt 545, 4982F) zu sein.
Sie könnte, ja dürfte wahrscheinlich von Michelangelos Werk in-
spirirt, gewiss aber nicht als eine Kopie aufzufassen sein. Sie
zeigt in der Höhe auf Wolken stehend den hl. Michael, in der Linken
den Schild, in der Rechten das Schwert. Links und rechts von
ihm über Wolken anbetende Engel. Darunter der Sturz zahlreicher,
in zwei Reihen über einander angeordneter nackter Figuren. Unten
auf der Erde verzweifelt laufende, hockende, die Hände ringende
Gestalten. Rechts der Abgrund mit Flammen. Es dürfte sich diese
Komposition ähnlich zu der des Meisters verhalten, wie Bronzinos
Entwurf zu einem Jüngsten Gericht (Uffizien 546) zu dem der Six-
tinischen Kapelle. In Hauptzügen hält sich Bronzino hier an das
grosse Vorbild, verändert es aber doch sehr frei.
Die Mittelgruppe unten: erschreckte, eilende Männer mit ab-
wehrenden Bewegungen ruft uns die kleinen Skizzen der Casa
Buonarroti, die je drei solche Figuren zeigen und gelegentlich der
„Bekehrung Sauls" von mir angeführt werden, in Erinnerung:
V, 17, 18; VIII, 38; XIII, 67, 68 (Thode 27, 28, 36, 59, 60).
Dass Rubens das Gemälde in S. Trinitä gekannt und ihm An-
regungen für seine Darstellungen des Engelssturzes und auch des
Sturzes der Verdammten in München entnommen, ist mit Sicherheit
anzunehmen.
Auf einen kuriosen Entwurf des Engelssturzes von Hans Bock,
der lauter vereinzelte Stürzende in kühnen Verkürzungen zeigt,
möchte ich nur beiläufig hinweisen (Basel: Öff. Kunsts. Nr. 4, 85).
 
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