Entwürfe zu einer Kolossalstatue für die Piazza
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Nun fügt Berenson noch zwei weitere Zeichnungen hinzu. Die
eine in Röthel, im Louvre Nr. 709 (Thode 484. Ber. 1593), zeigt
zwei mit einander Ringende. Beide stehen auf dem Boden. Der
eine, den Anderen mit dem Arme umfangend, sucht ihn zum Fall
zu bringen, indem er sein linkes Bein um das rechte des Gegners
schlägt. Dieser greift mit dem rechten Arme unter und wird ver-
suchen, Jenen emporzuheben. Mir scheint der Gedanke an einen
Herkules und Antäus hier ausgeschlossen. Es wäre doch höchstens
der Anfang des Kampfes geschildert, und dieser ist für eine solche
Gruppe unwesentlich, bei der es ja auf das Erdrücken des An-
täus in der Luft ankommt. — Die andere Zeichnung befindet sich
im Musee Teyler in Haarlem (v. Marcuard XXI b u. XXIc. Thode 268.
Ber. 1472). Hier sehen wir auf der Vorderseite eine flüchtige
Konturskizze (in Kreide) eines starken Mannes, der in seinen Armen
schwebend eine sich wehrende, das Bein gegen ihn anstemmende
Figur hält, auf der Rückseite dieselbe Gruppe durchgezeichnet und
mehr ausgeführt und schattirt. Wie Berenson, bezeichnet auch
v. Marcuard sie als die des Herakles mit Antäus. Nun ist aber in
beiden Skizzen die in der Luft gehaltene Figur deutlich als Weib
gekennzeichnet (auch durch die kleineren Körperverhältnisse) — nicht
nur auf der Rückseite, wie v. Marcuard, eine irrige Interpretation der
Vorderseite annehmend, bemerkt. Wohl steht diese Studie in
kompositionellem Zusammenhang mit der Antäusgruppe, aber der
Vorwurf ist ein neuer. Man kann nur entweder an den Raub einer
Sabinerin oder an die Entführung der Proserpina denken. Ich be-
spreche die Zeichnung noch gesondert.
Eine kleine im Museum zu Budapest unter dem Namen Michel-
angelos aufbewahrte Studie zu Herkules und Antäus hat Nichts mit
dem Meister zu thun.
Die Datirung unserer Entwürfe ist annähernd bestimmt durch
das Datum auf Nr. III: 18. Oktober 1524 und durch die Thatsache,
dass Michelangelo 1525 sich mit der Aufgabe beschäftigte. In
späterer Zeit, auf der Röthelzeichnung mit den Herkulesthaten in
Windsor (Thode 536. Ber. 1611. Phot. Br. 108) hat der Meister
noch einmal, nun aber nicht im Hinblick auf eine Statue, den
Gegenstand behandelt. Herkules erscheint in ähnlicher Stel-
lung, doch hat er den Antäus so mit den Armen gefasst, dass
er ihn, den Kopf nach unten, an die Brust drückt. (S. weiter
unten.)
Die Wahl gerade der Antäusdarstellung mag sich mit aus dem
Eindruck der antiken Gruppe erklären, die damals im Belvedere
des Vatikan sich befand und später in den Hof des Palazzo Pitti
gelangte (Abb. Maffei Raccolta). Über die Tradition, dass Michel-
angelo sie restaurirt habe, spreche ich weiter unten.
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Nun fügt Berenson noch zwei weitere Zeichnungen hinzu. Die
eine in Röthel, im Louvre Nr. 709 (Thode 484. Ber. 1593), zeigt
zwei mit einander Ringende. Beide stehen auf dem Boden. Der
eine, den Anderen mit dem Arme umfangend, sucht ihn zum Fall
zu bringen, indem er sein linkes Bein um das rechte des Gegners
schlägt. Dieser greift mit dem rechten Arme unter und wird ver-
suchen, Jenen emporzuheben. Mir scheint der Gedanke an einen
Herkules und Antäus hier ausgeschlossen. Es wäre doch höchstens
der Anfang des Kampfes geschildert, und dieser ist für eine solche
Gruppe unwesentlich, bei der es ja auf das Erdrücken des An-
täus in der Luft ankommt. — Die andere Zeichnung befindet sich
im Musee Teyler in Haarlem (v. Marcuard XXI b u. XXIc. Thode 268.
Ber. 1472). Hier sehen wir auf der Vorderseite eine flüchtige
Konturskizze (in Kreide) eines starken Mannes, der in seinen Armen
schwebend eine sich wehrende, das Bein gegen ihn anstemmende
Figur hält, auf der Rückseite dieselbe Gruppe durchgezeichnet und
mehr ausgeführt und schattirt. Wie Berenson, bezeichnet auch
v. Marcuard sie als die des Herakles mit Antäus. Nun ist aber in
beiden Skizzen die in der Luft gehaltene Figur deutlich als Weib
gekennzeichnet (auch durch die kleineren Körperverhältnisse) — nicht
nur auf der Rückseite, wie v. Marcuard, eine irrige Interpretation der
Vorderseite annehmend, bemerkt. Wohl steht diese Studie in
kompositionellem Zusammenhang mit der Antäusgruppe, aber der
Vorwurf ist ein neuer. Man kann nur entweder an den Raub einer
Sabinerin oder an die Entführung der Proserpina denken. Ich be-
spreche die Zeichnung noch gesondert.
Eine kleine im Museum zu Budapest unter dem Namen Michel-
angelos aufbewahrte Studie zu Herkules und Antäus hat Nichts mit
dem Meister zu thun.
Die Datirung unserer Entwürfe ist annähernd bestimmt durch
das Datum auf Nr. III: 18. Oktober 1524 und durch die Thatsache,
dass Michelangelo 1525 sich mit der Aufgabe beschäftigte. In
späterer Zeit, auf der Röthelzeichnung mit den Herkulesthaten in
Windsor (Thode 536. Ber. 1611. Phot. Br. 108) hat der Meister
noch einmal, nun aber nicht im Hinblick auf eine Statue, den
Gegenstand behandelt. Herkules erscheint in ähnlicher Stel-
lung, doch hat er den Antäus so mit den Armen gefasst, dass
er ihn, den Kopf nach unten, an die Brust drückt. (S. weiter
unten.)
Die Wahl gerade der Antäusdarstellung mag sich mit aus dem
Eindruck der antiken Gruppe erklären, die damals im Belvedere
des Vatikan sich befand und später in den Hof des Palazzo Pitti
gelangte (Abb. Maffei Raccolta). Über die Tradition, dass Michel-
angelo sie restaurirt habe, spreche ich weiter unten.