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Thode, Henry; Michelangelo; Michelangelo [Contr.]
Michelangelo: kritische Untersuchungen über seine Werke; als Anhang zu dem Werke Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 2) — Berlin: Grote, 1908

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Angebliche Restaurirung antiker Statuen durch Michelangelo 301

Der Guss des Pferdes, auf dessen Modell Daniele allen Fleiss
angewandt hatte, wurde bis zum Jahre 1564 verzögert. (Andrea
Fulvio, Antichitä di Roma lib. V, der die Länge des Pferdes nicht
auf 40, sondern auf 20 Palmi und die Kosten auf 6500 Skudi
angiebt.) Er misslang das erste Mal und wurde dann wiederholt.
Am 8. September 1565 schreibt Leoni an Lionardo, dass er sehr gut
geglückt sei (Gotti II, 147). Die erduldeten Mühen sollen mit an dem
1 566 eintretenden Tode Danieles Schuld gewesen sein. Seine Erben:
Michele degli Alberti und Feliciano da San Vito boten sich dem
französischen Gesandten an, das Pferd zu vollenden und die Figur
des Reiters, die von Daniele nicht ausgeführt worden war, zu ver-
fertigen. Die Bürgerkriege in Frankreich aber liessen die Angelegen-
heit 22 Jahre lang in Vergessenheit gerathen. Dann überwies
Henri III. das Pferd dem Orazio Rucellai, wohl als Entgelt für die
von Diesem vorgeschossenen Summen, und Rucellai liess es 1586
in seinem Palast am Corso auf einem Piedestale aufstellen. Antonio
Tempesta fertigte einen Stich davon an, den er dem Kardinal Charles
von Lorraine dedizirte, und fügte in ihm den Reiter hinzu. Später
wurde es für die Reiterstatue Ludwig XIII., die Biard goss, verwendet.
Diese wurde 1639 durch Richelieu auf der Place royale in Paris er-
richtet und ist 1793 zerstört worden. (Mil. Anm. Vasari VII, S. 68.)
Von Michelangelos Betheiligung an dieser Arbeit ist uns weder
durch Zeichnungen noch durch Modelle eine Vorstellung vergönnt.
XIV
Angebliche Restaurirung antiker Statuen durch Michelangelo
und einige Urtheile des Meisters über die Antike
Kein sicheres Zeugniss über solche Ergänzungen liegt vor, und
auf die bis zum XVII. Jahrhundert (Boissard u. A.) zurückgehenden
Traditionen, welche von Restaurirung einer Anzahl Statuen: des
sterbenden Fechters, des Laokoon, des Marsyas (in den Uffizien),
der Gruppe von Pferd und Löwe (im Kapitolinischen Museum) u. A.
sprechen, ist Nichts zu geben. Nirgends tritt uns die Art des
Meisters erkenntlich entgegen. Nur bei einer einzigen Figur: dem
Flussgott im Museo Pio Clementino (Nr. 600) tragen die ergänzten
Theile: der Kopf, die linke Hand mit dem Zweig und der rechte
Arm mit der Urne, in deren Öffnung man auch eine Maske seines
Stiles gewahrt, ausgesprochen Michelangelo'schen Charakter. Der
Kopf mit den schmerzlich zusammengezogenen Augenbrauen, der
Mund und der verknotete Bart rufen das Haupt des Moses in Er-
innerung. Es wäre nicht unbegreiflich, wenn einmal die Behauptung
neu aufgestellt würde, er habe hier wirklich selbst Hand angelegt;
 
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