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Thode, Henry; Michelangelo; Michelangelo [Contr.]
Michelangelo: kritische Untersuchungen über seine Werke; als Anhang zu dem Werke Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 2) — Berlin: Grote, 1908

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Angebliche Restaurirung antiker Statuen durch Michelangelo 303

Sacco di Roma brachte Clemens VII. sie in das Belvedere — ver-
muthlich schon bei seinem ersten Aufenthalte in Rom kennen ge-
lernt, da die Zeichnung, nach dem Stich zu schliessen, seiner
früheren Schaffenszeit angehöre.
Wohl wissen wir durch Aldovrandi, durch Lomazzo, welcher
sagt: il torso fu da lui continuamento seguitato (Trattato II, 381)
und durch G. B. Paggi, der berichtet, Michelangelo habe sich einen
Schüler des von ihm eifrig studirten Torso genannt (um 1590;
Bottari VI, 90), wie sehr der Meister das antike Werk bewundert
hat, und mit Recht hat man neuerdings in mancher seiner Skulpturen
die Nachwirkung des Eindruckes, den es auf ihn gemacht, be-
stimmter nachzuweisen versucht — jenen Stich aber möchte ich
nicht als einen weiteren Beleg hierfür gelten lassen. Denn halte
ich es auch mit Hirth für wahrscheinlich, dass Marcantonio eine
Zeichnung Michelangelos in der Art der Studien für den Karton
vorlag, so kann ich doch nicht glauben, dass in ihr eine Rekon-
struktion des Torso zu erkennen ist. Ein Anklang an denselben,
das gebe ich zu, ist zu gewahren, aber die Drehung des Oberkörpers
ist eine stärkere, die mehr geschlossene Stellung der Beine eine
andere, als in der Antike, und es fällt mir schwer anzunehmen,
dass Michelangelo den rechten Arm so, mit dem Ellenbogen auf
das Knie gestützt, ergänzt haben sollte. Man vergleiche für die
gespreizte Beinstellung die älteste Reproduktion des Herkules in
einem dem Giovanni Antonio da Brescia zugeschriebenen Stiche
(Bd. XIII, p. 100, n. 5), von dem Paul Kristeller im Archivio storico
dell' Arte (1891, V. S. 476 ff.) gehandelt hat. Hier sehen wir die
Statue noch in besser erhaltenem Zustande mit den Beinen, die
vermuthlich erst in den Kriegsjahren des Sacco di Roma und
der Revolte der Colonna gegen den Papst abgeschlagen wor-
den sind.
Dass eine früher Michelangelo zugeschriebene Zeichnung nach
dem Torso in Oxford (Nr. 66) nicht von ihm herrührt, ist heute
die wohl einstimmige Ansicht aller Forscher.
Gelegentlich der Betonung der Belehrung, welche der Künstler
von dem Werke des Apollonius empfing, möchte ich auf einen Aus-
spruch Canovas aufmerksam machen, welcher, in einem Briefe an
Cicognara enthalten, lautet: Michelangelo habe mehr, als vom Torso,
von der Gruppe des Herkules mit Antäus im Cortile des Palazzo Pitti
gelernt (Bottari VIII, 205). Dieselbe befand sich früher im Belvedere
des Vatikan, wo sie von Julius II., zusammen mit dem Apollo, dem
Laokoon, dem sogenannten Tigris und der Kleopatra-Ariadne auf-
gestellt worden ist. Auch sie soll, nach einer unbestimmten Tra-
dition, von Michelangelo restaurirt worden sein. (Abb. Maffei:
Raccolta Taf. XLIII. Soldini: R. Giardino di Boboli Taf. II. Vgl.
 
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