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Thode, Henry; Michelangelo; Michelangelo [Contr.]
Michelangelo: kritische Untersuchungen über seine Werke; als Anhang zu dem Werke Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 2) — Berlin: Grote, 1908

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448 Gemälde, Zeichnungen und Entwürfe religiösen Inhaltes

Eine dritte Kopie des Kartons, der in den Besitz des Herzogs
Cosimo gelangte, machte Battista Franco. „Da er in derselben
Guardaroba (des Herzogs) Michelangelos Karton des Noli me tangere,
den schon Pontormo gemalt hatte, sah, machte er sich daran, einen
gleichen Karton, aber mit grösseren Figuren, anzufertigen. Und
dies geschehen, malte er ein Bild, in dem er im Kolorit grosse Fort-
schritte machte. Und der Karton, den er genau nach dem des
Buonarroto zeichnete, war sehr schön und mit grosser Liebe aus-
geführt."
Keines der drei Bilder ist heute bekannt — die Hoffnung, dass
wenigstens eines sich wird wiederfinden lassen, besteht. Erst dann
wird es sich bestimmen lassen, ob Berenson und Frey Recht haben,
wenn sie zwei Studien auf einem Blatte im Besitze des Mr. G. T.
Clough in London (Thode 367. Br. 1539. Abb. Frey 77 und 78)
auf den der Magdalena erscheinenden Christus beziehen. Dargestellt
ist auf der Vorderseite ein gewandeter Jüngling, der, nach vorne,
etwas nach links, in leicht bewegter Haltung ausschreitend, den er-
hobenen rechten Arm nach links ausstreckt, die Linke sprechend
bewegt und, den Kopf fast im Profil, nach rechts schaut. Daneben
ist der linke Arm zweimal skizzirt, das eine Mal in der gleichen
Haltung: hier hat die Hand die Bewegung des Weisens mit dem
Zeigefinger — das andere Mal in gesenkterer Stellung, die Hand
geöffnet, ähnlich wie die des Jesajas in der „Epiphania". Dass
rechts von dieser Figur eine knieende Gestalt, wie die der Magdalena,
geplant war, dünkt mich wenig wahrscheinlich. Man ergänze sie
sich in Gedanken und man wird sehen, dass sich keine Michel-
angelos Art entsprechende Komposition ergiebt. Auch entspricht
die Bewegung der linken Hand nicht dem Vorgang: sie ist nicht
abwehrend. — Auf der Rückseite ist ein nackter, nach vorne schreiten-
der Mann dargestellt. Er neigt sich mit dem Oberkörper etwas
nach rechts, schaut, den Kopf im Profil, eben dorthin, hält die
Linke vor der Brust und streckt den erhobenen Arm nach links
aus. Daneben zweimal eine linke Hand, nach vorne mit dem Zeige-
finger deutend. Hier könnte man sich eine Magdalena wohl hinzu-
denken. Wieder aber entspricht die Handbewegung nicht dem Geist
des Vorganges.
Sprechen schon diese Bedenken gegen die Annahme der beiden
Forscher, so wird sie nach meinem Dafürhalten geradezu unmög-
lich gemacht durch den Stil der Studien. Dieser weist in der eigen-
thümlichen Weichheit der Zeichnung und Behandlung auf die
späteste Schaffenszeit des Meisters hin, auf die Entwürfe zum
Christus am Kreuz und vor Allem auf die früher besprochenen
Skizzen zur Bemalung der Kuppel von S. Peter, mit denen die
zwei Gestalten in der Bewegung und in der Haltung der Arme
 
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