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Thode, Henry; Michelangelo; Michelangelo [Contr.]
Michelangelo: kritische Untersuchungen über seine Werke; als Anhang zu dem Werke Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 2) — Berlin: Grote, 1908

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Die Kreuzabnahme

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Armen gehalten, eine Frau neben ihr, ihren Arm fassend, wendet
sich erregt emporschauend zu dem Kreuze. Eine Wiederholung
dieser letzterwähnten Skizze, gleichfalls in Röthel, fand ich im Louvre
Nr. 836. Thode 501.
Mit diesem Entwurf, der ausserordentlich und ächt wie nur
irgend eine Zeichnung des Meisters und, wie die drei Kreuze, etwa
um 1540 entstanden sein dürfte, scheint sich Dieser weiter beschäftigt
zu haben. Die Gruppirung der Figuren unten, wie das wohl be-
greiflich, befriedigte ihn nicht. Er war auf eine Verbreiterung der
Basis des Kompositionsdreiecks und auf dessen Erhöhung bedacht.
Und so entstand der Entwurf, der uns nicht aus einer Zeichnung,
wohl aber aus Reliefs bekannt ist, die, nach einer solchen geschaffen,
mit vollem Rechte seit altersher, berühmt und beliebt, den Namen
Michelangelos tragen.
II. Die Reliefs nach dem definitiven Entwurf.
Sie sind, eines in Stukko, die anderen in Wachs oder Elfenbein
oder Silber ausgeführt. Die Gruppe der den Leichnam herablassenden
Männer stimmt im Wesentlichen mit der Studie in Haarlem über-
ein; nur kleine Veränderungen sind vorgenommen: Kreuz und Leitern
wachsen höher über der unteren Gruppe heraus, rechts über dem
das Bein Christi haltenden Mann ist eine Figur hinzugefügt, die, an
der Leiter mit der Linken sich festhaltend, mit der Rechten den
sinkenden Körper am Hüftentuch hält; Christi Kopf fällt stärker
nach der linken Seite, sein rechter Arm ist eben vom Kreuz gelöst
und wird von dem Mann oben gehalten; der auf der Leiter links
Stehende stützt Christus unter dem Kopfe, der rechts Hinansteigende
steht schon auf der untersten Sprosse. — Neu ist die Anordnung
unten. Links eine grössere Anzahl von Figuren. Maria wird stehend
links von einer Frau, die schmerzlich nach unten schaut, rechts von
einem Manne, der das Haupt, nach rechts gewendet, tief senkt und
hinter der Hand verbirgt, umfangen und gestützt. Sie schaut zu
Christus empor. Dahinter Joseph von Arimathia, eine alte Frau,
Magdalena, die die Rechte ausstreckt, als wolle sie Christus em-
pfangen, und ein ganz nach hinten gewandtes Weib, in Verzweiflung
die Hand an den Hinterkopf legend und die Linke nach Christi
Fuss ausstreckend. Zwei andere Figuren hocken am Fuss der
Leiter; die vordere lässt die gekreuzten Arme und den Kopf tief
herabhängen, die hintere faltet die Hände. Rechts stehen drei
Figuren: Nikodemus, der aufschauend die Arme zum Empfang des
Leichnams ausstreckt, eine alte Frau mit gekreuzten Armen, die
emporblickt, und hinter ihr eine andere, sibyllenhafte, mit der Rechten
emporweisend. — Alle einzelnen Motive, die Gewandungen und der
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