484 Gemälde, Zeichnungen und Entwürfe religiösen Inhaltes
Michelangelos. Im Jahre 1868 wurde es für 2000 Pf. Sterling von
der Nationalgalerie erworben. Nach Schorns Kunstblatt (1846,
XXVII, 196) hätte es eine aus Blech getriebene Nummer mit den
farnesischen Lilien getragen, die darauf schliessen liesse, dass es
aus der Galerie Farnese stamme. Sollte es das im Inventar der
Kunstschätze des Herzogs von Parma 1697 (7. Mai) erwähnte:
„quadretto in tavola in qualche parte guasto e non finito con Nostro
Signore, S. Giovanni, tre Marie et un Apostolo, si dice esser di
Michelangelo" sein? (Le Gall. naz. ital. 1902, V, 274.) Der Aus-
druck: quadretto stimmt allerdings nicht, wohl aber entsprechen
die anderen Angaben auffallend. Und das Wappen der Farnese!
Das führt fast dazu, ein Versehen des Inventares in dem Ausdrucke:
quadretto anzunehmen.
Die Ansichten der Forscher über den Schöpfer sind getheilt.
Grimm, Mantz, Bode, Frizzoni (Arch. stor. dell'arte 1888, I, S. 269
und Arte Italiana del Rinascimento, Mailand 1891, S. 263), Justi,
Jacobsen (Rep. 1901. XXIV, 344) und Berenson schreiben es
Michelangelo zu (Letzterer wenigstens jedenfalls die Komposition).
Heath Wilson und Symonds weisen diese Meinung zurück, die
beiden erstgenannten (wie neuerdings Knapp) dachten an Pontormo.
Springer und so auch Wölfflin meinen, es sei höchstens anzunehmen,
dass die Hauptgruppe auf einen Entwurf des Meisters zurückgehe,
mit dem Bilde habe Dieser Nichts zu thun. Knapp glaubt, es habe
ein Karton oder eine ausgeführte Kompositionsskizze Michel-
angelos vorgelegen. Robinson (Times 1. September 1881) möchte
ein von Vasari erwähntes Gemälde Bandinellis darin gewahren. Für
Michelangelo werden in Sonderheit die dem Geiste eines Bildhauers
entsprechende Konzeption des von vorne gesehenen, schwebend
gehaltenen Leichnams (Justi), die Übereinstimmung des Typus des
Joseph von Arimathia mit dem Joseph in der hl. Familie Doni,
einzelne Bewegungsmotive und die Trachten geltend gemacht, gegen
ihn die Diskordanz in der Komposition: die äusserliche Anfügung
der Frauen im Vordergrunde, das Nichtssagende der links knieen-
den Figur, das Ungenügende in der Anatomie, das Gefühllose und
Hässliche der Gestalten, die ungeschickte Verwerthung Michel-
angelo'scher Eigenthümlichkeiten (z. B. die Binden) und die Land-
schaft mit dem Städtchen und den kleinen Figuren beim Sarkophage.
Gewiss sind die gerügten Mängel vorhanden, stärker aber doch
wirken auf mich die bedeutenden Qualitäten des Werkes. Lange
bin ich schwankend gewesen, bis die auf Grund zweier Zeichnungen
vorgenommene Untersuchung und Erwägung mich bestimmt haben,
die Ächtheit des Bildes meinerseits zu behaupten.
I. Die Originalzeichnung Michelangelos in der Albertina zu Wien,
(Sc. K. 137. Thode 522. Ber. 2503: Sebastiano), welche den
Michelangelos. Im Jahre 1868 wurde es für 2000 Pf. Sterling von
der Nationalgalerie erworben. Nach Schorns Kunstblatt (1846,
XXVII, 196) hätte es eine aus Blech getriebene Nummer mit den
farnesischen Lilien getragen, die darauf schliessen liesse, dass es
aus der Galerie Farnese stamme. Sollte es das im Inventar der
Kunstschätze des Herzogs von Parma 1697 (7. Mai) erwähnte:
„quadretto in tavola in qualche parte guasto e non finito con Nostro
Signore, S. Giovanni, tre Marie et un Apostolo, si dice esser di
Michelangelo" sein? (Le Gall. naz. ital. 1902, V, 274.) Der Aus-
druck: quadretto stimmt allerdings nicht, wohl aber entsprechen
die anderen Angaben auffallend. Und das Wappen der Farnese!
Das führt fast dazu, ein Versehen des Inventares in dem Ausdrucke:
quadretto anzunehmen.
Die Ansichten der Forscher über den Schöpfer sind getheilt.
Grimm, Mantz, Bode, Frizzoni (Arch. stor. dell'arte 1888, I, S. 269
und Arte Italiana del Rinascimento, Mailand 1891, S. 263), Justi,
Jacobsen (Rep. 1901. XXIV, 344) und Berenson schreiben es
Michelangelo zu (Letzterer wenigstens jedenfalls die Komposition).
Heath Wilson und Symonds weisen diese Meinung zurück, die
beiden erstgenannten (wie neuerdings Knapp) dachten an Pontormo.
Springer und so auch Wölfflin meinen, es sei höchstens anzunehmen,
dass die Hauptgruppe auf einen Entwurf des Meisters zurückgehe,
mit dem Bilde habe Dieser Nichts zu thun. Knapp glaubt, es habe
ein Karton oder eine ausgeführte Kompositionsskizze Michel-
angelos vorgelegen. Robinson (Times 1. September 1881) möchte
ein von Vasari erwähntes Gemälde Bandinellis darin gewahren. Für
Michelangelo werden in Sonderheit die dem Geiste eines Bildhauers
entsprechende Konzeption des von vorne gesehenen, schwebend
gehaltenen Leichnams (Justi), die Übereinstimmung des Typus des
Joseph von Arimathia mit dem Joseph in der hl. Familie Doni,
einzelne Bewegungsmotive und die Trachten geltend gemacht, gegen
ihn die Diskordanz in der Komposition: die äusserliche Anfügung
der Frauen im Vordergrunde, das Nichtssagende der links knieen-
den Figur, das Ungenügende in der Anatomie, das Gefühllose und
Hässliche der Gestalten, die ungeschickte Verwerthung Michel-
angelo'scher Eigenthümlichkeiten (z. B. die Binden) und die Land-
schaft mit dem Städtchen und den kleinen Figuren beim Sarkophage.
Gewiss sind die gerügten Mängel vorhanden, stärker aber doch
wirken auf mich die bedeutenden Qualitäten des Werkes. Lange
bin ich schwankend gewesen, bis die auf Grund zweier Zeichnungen
vorgenommene Untersuchung und Erwägung mich bestimmt haben,
die Ächtheit des Bildes meinerseits zu behaupten.
I. Die Originalzeichnung Michelangelos in der Albertina zu Wien,
(Sc. K. 137. Thode 522. Ber. 2503: Sebastiano), welche den