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Thode, Henry; Michelangelo; Michelangelo [Mitarb.]
Michelangelo: kritische Untersuchungen über seine Werke; als Anhang zu dem Werke Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 2) — Berlin: Grote, 1908

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Gemälde, Zeichnungen und Entwürfe religiösen Inhaltes

F. Christus von den ihn beweinenden Freunden
aufrecht gehalten.
In dieser, durch eine Zeichnung in der Albertina gegebenen
Komposition vereinigen sich verschiedene der uns bekannt gewor-
denen Motive: das Stützen der Arme durch zwei Figuren und die
Einschliessung der Gestalt durch die Beine der Maria, wie die Pieta
der Vittoria Colonna (B) es zeigt, das Niedersinken der Jungfrau auf
den Boden, das wir in der Warwickzeichnung (D) fanden, die auf-
rechte Haltung der Studien E. Die verschiedenen Gedanken strömen
gleichsam in einander. Wenn ich von dem unlöslichen, für die
Ächtheit sprechenden Konnex, in dem alle diese Studien mit ein-
ander stehen, sprach — hier tritt er uns in aller Deutlichkeit vor
Augen.
X. Wien, Albertina. Sc. R. 136. Thode 521. Ber. 2502 (Seba-
stiano). Abb.: Handzeichnungen der Albertina Nr. 73. Röthel.
Christus, Dessen Beine zwischen den Knieen der ohnmächtig
rückwärts gesunkenen Maria zu Boden sinken und Dessen Leib
nach rechts sich ausbiegt, wird von vier stehenden Figuren
gehalten. Die vordere links, über Deren Haupt sein rechter
Ärm liegt, stützt sein niedersinkendes Haupt, die vordere
rechts, eine Frau, an Deren linkem Oberschenkel Marias Kopf
lehnt, fasst ihn an der Brust. Unter den Armen wird er von
einem hinter ihm stehenden Manne, Nikodemus, gefasst, in-
dess ein anderer Mann rechts seinen linken Arm über der
Schulter trägt. Links vorne kniet Magdalena, den Kopf ge-
senkt; sie umfängt mit der Linken die Hüfte des Todten und
stützt die Rechte auf Marias Knie. Über ihr beugt sich eine
Frau dem Leichnam zu. — Wieder steht man Angesichts der
Geschlossenheit der Gruppe wie vor einem Wunder. Sie ist
aus einem viereckigen Block gebildet, und zwar so, dass alle
Materie desselben in Gestalt umgesetzt ist. Nur an der linken
Seite ist die Abgränzung nicht ganz scharf.
Wie eine Vereinfachung dieses Gebildes erscheint die plastische
Gruppe im florentiner Dom. Geblieben ist der Christus
überragende Nikodemus, die Magdalena links, rechts die Madonna,
die hier aber sitzt. In der zusammengeknickten Haltung Christi
werden Motive der Colonnazeichnung und der Oxforder Skizzen
Nr. VII verwerthet.
Von der Wiener Zeichnung aber führt der Weg andrerseits
unmittelbar weiter zu der Darstellung der eigentlichen Grabtragung,
wirkt der Vorgang in ihr doch fast so, als hätten die Freunde
Christus aus dem Schoosse der Maria erhoben, um ihn zur Ruhestätte
überzuführen, ja vermuthlich war dies der Gedanke des Künstlers.
 
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