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Thode, Henry; Michelangelo; Michelangelo [Contr.]
Michelangelo: kritische Untersuchungen über seine Werke; als Anhang zu dem Werke Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 2) — Berlin: Grote, 1908

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Die Pieta, die Beweinung und die Grablegung

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Oxford, Univ. Gal. 60 in Betracht kommen. Da sich in ihnen all-
gemeine Beziehungen auch zu Gestalten in der Kreuzigung Petri
der Cappella Paolina finden, besprach ich sie schon gelegentlich
dieser. Für eine der eben erwähnten Kompositionen haben sie
jedenfalls nicht gedient.
Zweifelhaft auch bleibt es, ob eine prachtvolle Röthelstudie
im Louvre für eine Grablegung bestimmt war. Paris, Louvre 122.
Thode 473. Ber. 1584. Abb. Steinmann: Sixt. Kap. II, 44. Phot.
Br. 48. Drei kraftvolle Männer tragen auf ihren Schultern, mit den
Armen ihn umschlingend, einen, da sie auf den Beschauer zu
schreiten, in starker Verkürzung gesehenen Mann, dessen Beine
über die Schultern des vordersten herabhängen. — Die Zeichnung
gehört in die Zeit der Sixtinischen Deckenmalerei; auf der Rück-
seite ist die Studie zu einer Sibylle (s. oben I, S. 256, Nr. LXI).
Schwerlich dürfte man annehmen, dass der Getragene, in dieser An-
sicht gegeben, Christus sei. So hielt ich Steinmanns Vermuthung,
es sei ein nicht benutzter Entwurf für die Sündfluth, für ein-
leuchtend. (S. oben II, S. 247.)
Ein „quadretto in tavola in qualche parte guasto e non finito
con nostro Signore morto, S. Giovanni, tre Marie et un apostolo",
wird im Inventar des Palastes des Herzogs von Parma 1697 er-
wähnt (Le Gall. naz. ital. V, 1902, S. 274). S. oben: „Die Grab-
legung in London."

Zusammenfassendes.
Drei Ausgangspunkte für des Meisters Pietädarstellungen durften
wir feststellen: die Komposition Raphaels, die den am Boden liegenden
Christus darstellt, den Typus des auf dem Grab sitzenden Heilands
und jenen des im Schoosse der Mutter gebetteten Leichnams. Der
Entwurf für Sebastianos Bild in Viterbo, die Zeichnung im Louvre
Nr. III und die Warwickzeichnung in London kennzeichnen die ein-
geschlagenen Wege. In der Colonnapietä vereinigen sich die beiden
ersten, der dritte führt zu den figurenreichen Darstellungen der
Beweinung. Es entwickelt sich, indem an das frühe Gemälde der
Grablegung in London angeknüpft wird, das Motiv des von der
Maria oder den Freunden aufrecht gehaltenen Christus durch Aus-
und Umgestaltung des Typus des sitzenden Christus. Die Beschrän-
kung auf den eigentlichen Pietägedanken führt zur Pietä Rondanini,
die Erweiterung der Gruppe zur Wiener Zeichnung Nr. X und zum
Marmorgebilde im florentiner Dom. Endlich verwandelt sich die
Beweinung der Wiener Zeichnung in die Grabtragung, die uns
in drei Fassungen: Oxford Nr. XII, Mr. Gathorne Hardy Nr. XIII,
Louvre Nr. XIV entgegentritt.
 
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