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Frimmel, Theodor von [Hrsg.]
Blätter für Gemäldekunde — 1.1904-1905

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Heft 4
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Zur Bildniskunde, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.20640#0087

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Blätter für Gemäldekuhde

ZU BEZIEHEN DURCH
DIE BUCHHANDLUNG
GEROLD & Co., WIEN,
I. STEPHANSPLATZ 8.

VON

Dr. THEODOR v. FRIMMEL.

ZUSCHRIFTEN AN DEN
HERAUSGEBER WER-
DEN GERICHTET NACH
WIEN, IV. PANIGLG. 1.

1904.

JUNI—JULI.

Heft 4.

ZUR BILDNISKUNDE.

Porträtkunst ist Zweckkunst. Eine bestimmte Persönlichkeit soll im Por'
trat wiedergegeben werden, und gar selten dürfte es Vorkommen, daß sich
jemand malen läßt, um dann ein unerkennbares Etwas als angebliches Bildnis
zu besitzen. Der Dargestellte will sich gewöhnlich getroffen sehen. Eigentlich
ist es ein Widerspruch in sich selbst, wenn man von einem nicht getroffenen
Abbild spricht. Denn man sollte eigentlich sagen, ein versuchtes aber nicht gelum
genes Abbild. Doch ist sicherlich die Porträtähnlichkeit nicht alles in der Bildnis'
kunst, aber sie gehört mit zum Wesen der Sache. Malt ein großes Talent, das
nicht fürs Treffen begabt ist, oder das aus Schrulle von der Porträtähnlichkeit
absieht, einen Kopf, eine Figur nach dem Vorbild, ohne charakteristische Züge
wiederzugeben, so kann das Werk sehr bedeutend sein etwa als Phantasie,
angeregt durch eine bestimmte Persönlichkeit, ein gutes Bildnis wird das niemals
sein. Dann trifft wieder ein kleines Talent nicht selten ganz überraschend. Was
es schafft, wird dem geringen Können entsprechend gewiß kein großes Kunst'
werk sein; trotzdem kann es durch seine Ähnlichkeit Wert haben. Dem ver'
nünftigen Denken entspricht es, bei der Bildniskunst nebst anderem auch die
Erreichung des Zweckes, nämlich der Porträtähnlichkeit vorauszusetzen.
Über das Maß dieser Ähnlichkeit wird ja sogleich ein Streit anheben. Er wird
sich aber durch Vergleichung vieler Vorbilder mit vielen Bildnissen schlichten
lassen. Für die Vorstellung vom Äußeren noch lebender Personen, die wir oft
betrachten können, hat die Bildnisähnlichkeit eines künstlerisch hergestellten
Abbildes viel geringere Bedeutung als dann, wenn uns das Bildnis die Züge eines
Verblichenen vermitteln soll. Dann wird nicht selten nur nach der Ähnlichkeit
gefragt. Anderes kann gleichgültig bleiben, da man das Bildnis in diesem Fall
als Urkunde betrachtet. Je getreuer, desto besser. Hat es je einmal einen gedrängt,
im Zusammenhang mit geschichtlichen Studien zu erforschen, wie eine Person'
lichkeit aus vergangenen Zeiten ausgesehen hat, der weiß ein gewissenhaft her'
gestelltes gut getroffenes Porträt zu schätzen, dem wird es auch klar, daß es
doch nur eine billige Ausflucht anspruchsvoller Nichtbegabung oder Ziererei ist,
wenn ein Maler behauptet: beim Porträt ist die Bildnisähnlichkeit Nebensache.
Bei vielen alten Bildnissen, wenn wir deren Vorbilder nicht kennen, fällt freilich
zumeist die ganze Frage aus, und wir haben da nur Wahrscheinlichkeitsschlüsse
zur Verfügung, die etwa von der geringeren oder größeren Sicherheit des Vor'
träges abgeleitet sind, oder davon, ob wir wissen, daß von demselben Maler
viele gut getroffene, viele schlecht getroffene Porträte nachweisbar sind. Wie
kommen wir aber zu einer Kenntnis von vorhandener Porträtähnlichkeit bei
 
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