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Frimmel, Theodor von [Hrsg.]
Blätter für Gemäldekunde — 1.1904-1905

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Heft 5
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Frimmel, Theodor von: Waldmüllerstudien
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https://doi.org/10.11588/diglit.20640#0108

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78

BLATTER FÜR GEMALDEKUNDE.

Nr. 5.

Schilde. Ein Selbstbildnis Waldmüllers in der
kaiserlichen Galerie zu Wien gehört dem Jahre
1828 an, auch ein Aquarell: Der Geiger. 1829
begegnen wir Waldmüller schon wieder in
Italien, wo er nun in der freien Natur Studien
malte. Ein Ölgemälde mit den antiken Theater-

resten von Taormina (Wien, Sammlung J. M.
Kohn, dann beim Fürsten Johann von und
zu Liechtenstein) zeigt schon bewußten klaren
Naturalismus, der nunmehr immer mächtiger
Waldmüllers Kunstschaffen beherrschte und
besonders in den zahlreichen Studien aus den
Bergen des Salzkammergutes und der Wiener
Voralpen hervortritt. Diese Gegenden waren
es vorzüglich, in denen wir uns den Künstler

im Freien malend vorzustellen haben. Dort
auch fand er die meisten Vorbilder für seine
ungezählten Sittenbilder, die sich so oft mit
den Leiden und Freuden des österreichischen
Bauernstandes beschäftigt haben. Zwischen-
durch malte Waldmüller noch immer Por-
träte (damals war er nur als Bild-
nismaler bekannt), auch solche für
den österreichischen Hof und
Hochadel. Die zwei Tiroler Jäger,
das bekannte Bild der Wiener
Galerie, gehören auchins Jahr 1829.
Das schon andeutungsweise er-
wähnte Abbild des Töchterchens
Aloisia kann uns recht wohl ver-
gegenwärtigen. wie Waldmüller
1830 seine Bildnisse auffaßte. Er
sucht durch sittenbildliche Züge
oder charakteristische Beigaben
über das reine Abschreiben der
Natur hinauszukommen und da-
durch jene höhere Wahrheit zu
erreichen, die er in seinen Schrif-
ten als begehrenswert, als höchstes
Ziel des Künstlers hinstellt. Zur
Beschreibung erwähne ich, daß
man sich das Kleid in weißer Seide
vorzustellen hat, daß die junge
Dame oder wohl das Backfisch-
chen, wie oben schon angedeutet,
in Lebensgröße und ziemlich breit
gemalt ist. Die Rechte hält eine rote
Kamelie. Die Signatur und Datie-
rung finden sich rechts gegen unten
auf dem Sockel in dunklen Zügen
(„Waldmüller 1830“). *) Ich meine,
dieses Bildnis sei nicht ohne Be-
deutung für die Erkenntnis des
Entwicklungsganges, den Wald-
müller durchgemacht hat. Wie er
selbst erzählt, war Waldmüller
1830 in Paris gewesen **), und es
ist ziemlich klar, daß der Künstler
seither seinen Stil nach der Seite
freierer, etwas breiterer Pinsel-
führung zu verändern begann.
Das Bildnis der Tochter, ohne
jeden Zweifel erst nach der Pariser
Reise gemalt, deutet diebeginnende
Wendung an. 1829 hatte man unse-
ren Künstler zum Professor und er-
sten Kustos an der Gemäldesammlung der Wie-
ner Akademie gemacht***), unglücklicherweise

*) Nach einer Überlieferung in der Familie weiß
man. daß Fräulein Aloisia Waldmüller dargestellt ist.
Aloisia wurde später Gattin des Med. Doctor Franz
Wurmb. Mallmann hat das Bild von einer Enkelin
der Dargestellten erworben.

**) „Das Bedürfnis eines zweckmäßigen Unter-
richtes“ (1847), S. XVI.

***) Laut Dekret vom 30. Dezember 1829 (vgl. „Die
graphischen Künste“, X, S. 64, Anm.).

Waldmüllers Tochter Aloisia (nach dem Original in der Sammlung
G. von Mallmann).
 
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