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Frimmel, Theodor von [Hrsg.]
Blätter für Gemäldekunde — 1.1904-1905

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Heft 5
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Frimmel, Theodor von: Einige Zeichnungen von Jos. Danhauser
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https://doi.org/10.11588/diglit.20640#0118

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88

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

Nr. 5.

befreundet war, wollte Josef Danhauser, der
junge Künstler, „sich in der gewagten Aufgabe
versuchen, eine Bildnisbüste Beethovens zu
modellieren“. Zu diesem Zwecke eilte er, als
die Kunde vom Tode des großen Tondichters
sich verbreitet hatte, am frühen Morgen mit
seinem jüngeren Bruder Karl nach dem Hause
des Verblichenen.'1') Im Zusammenhänge mit
den allbekannten Daten und einem Briefe
Breunings an Schindler steht es nahezu fest,
daß es der frühe Morgen des 27. März 1827
war, als Danhauser im Sterbehause zum
ersten Male vorsprach. Denn am 27. März
schrieb Breuning: „Morgen früh wünscht ein
gewisser Danhauser einen Gipsabguß von der
Leiche [Beethovens] zu nehmen. In fünf,
höchstens acht Minuten will er damit fertig

Zeichnung von Jos. Danhauser im Besitze der
Frau Hofrätin Ella v. Lang.

seyn. Schreiben Sie mir mit ja oder nein, ob
ich es zugeben soll.“ Nach diesem Briefe zu
schließen, muß also Danhauser am 27. März
angefragt haben.

Die Überlieferung Littrow—Danhauser
setzt die Erzählung fort, die ich oben bis zur
Ankunft der Brüder Danhauser in Beethovens
Sterbehaus benützt habe: „Die Eingangstür
zur Wohnung stand offen, und nachdem sie
in das zunächst gelegene Gemach getreten
waren, standen sie vor den Überresten des
großen Mannes, der einsam hier schlummerte.
Sie wollten eben ans Werk schreiten, um die
unvergeßlichen Züge festzuhalten, als sie be-
merkten, daß das in der Krankheit hervor-
gewachsene Barthaar eine Abformung nicht
zuließ. Dies Hindernis mußte zuerst beseitigt
werden, und während man einen Barbier

. *) Nach dem Artikel von Auguste v. Littrow in
der Österreichischen Revue von 1865.

herbeiholte, zeichnete der Künstler das Porträt
auf Stein.“ Hier ist in der Erinnerung jeden-
falls mehreres verwechselt. Hätte Danhauser
damals während des Wartens, bis der Bar-
bier kam, den Kopf Beethovens auf Stein (oder
wohl für nachheriges Umzeichnen auf den
Stein) gezeichnet, so müßte doch der Kopf
noch mit dem vernachlässigten Bart darge-
stellt sein. Das ist aber nicht der Fall. Die
Zeichnung Danhausers ist erst nach dem Ra-
sieren gemacht und ich vermute, daß Dan-
hauser die Wartezeit darauf verwendet hat,
Anderes, wohl auch den englischen Flügel,
zu zeichnen. Dabei lasse ich die Entscheidung
offen, ob Danhauser den Flügel etwa schon
bei seinem ersten Besuche am 27. März oder
erst am 28. gezeichnet hat. Sogar der Tag des
Leichenbegängnisses, der 29., kommt noch
mit einigen Stunden in Frage. Die Ange-
legenheit ist verwickelt und erfordert Ge-
nauigkeit. *) Doch meine ich, von weiteren
Einzelheiten absehen zu können, da es
im allgemeinen nicht zweifelhaft sein
kann, Danhauser sei in den Tagen nach
Beethovens Verscheiden tatsächlich in der
Wohnung des Komponisten aus- und
eingegangen.

Eine andere Sache wäre es, auszu-
schließen, daß es nicht ein anderer Wiener
Künstler war, der Beethovens englischen
Flügel in jenen Tagen gezeichnet hätte.
Auch Maler Teltscher war in Beethovens
Wohnung, um dort zu zeichnen. Soweit
ich aber Teltschers Art kenne, die mehr auf
Bildnis als auf Innenräume und Möbel ge-
richtet war, paßt die Zeichnung mit Beet-
hovens englischem Flügel nicht herein.**)
An den jungen 23jährigen Schwind,
den begeisterten Verehrer Beethovens, könnte
gedacht werden. Soweit ich vermuten kann,
war er in jenen Tagen in Wien. Aber die

*) Näheres bei Seyfried, „Beethovens Studien im
Generalball“, Anhang bei G. v. Breunings „Aus dem
Schwarzspanierhause“, S. 112, überdies in meinem
Buche „Neue Beethoveniana“, 2. Ausgabe mit zwei
Briefen Beethovens an Goethe, S. 311 ff., wo der Nach-
weis geführt wird, daß Danhausers Maske und Büste
nach dem zersägten Kopf Beethovens gefertigt sind.

**) Ein Brief Jengers an die Klavierspielerin
Marie Pachler-Koschak vom 27. März 1827 berichtet,
dal) Teltscher Beethoven gezeichnet hat „unmittelbar
nach dem Hinscheiden“ (vgl. Faust Pachler: „Beethoven
und Marie Pachler-Koschak“, Abdruck aus der Neuen
Berliner Musikzeitung, S. 26. Berlin 1866. E. Bock).
Faust Pachler, den ich noch persönlich in Beethoven-
angelegenheiten aufgesucht habe, besal) gute Aquarelle
von T el t sch er, unter denen besonders das Selbst-
bildnis hervorstach. Die Zeichnung mit dem toten
Beethoven ist verschollen. Über Teltscher ist manches
in der Schubertliteratur zu finden, so in den Schubert-
büchern von Kreissle (S. 396 ff.) und bei R. Heu-
berger (S. 55, 83 {.). Die neue musikalische Presse be-
richtete vor einigen Jahren über Teltschersche Bild-
nisse von J. B. Jenger, Ans. Hüttenbrenner und
Schubert.
 
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