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»w DIE NEUESTEN WERKE DES MALERS FRITZ KUNZ
FRITZ KUNZ, MARIÄ VERKÜNDIGUNG
Wandgemälde (Fresko) in der Liebfrauenkirche in Zürich. Vgl. Abb. S. ()()
ahmen oder zu reproduzieren. Ein derartiges
Zurückdatieren der Kunstwerke ist ein Ana-
chronismus, eine Fahnenflucht aus der Gegen-
wart und kann prinzipiell nicht gebilligt
werden. Jedes Kunstwerk sollte doch das
Datum seines Entstehens an der Stirne tragen.
So weit ging Kunz niemals. Erinnern
seine Gestalten auch an die strenge Zucht
und Stilisierung früherer Perioden, so tragen
sie doch unverkennbar den Stempel der
Gegenwart an sich. So sind seine Typen
unmittelbar aus Leben und Wirklichkeit
herausgegriffen, in Haltung und Ausdruck
scharf individualisiert und möglichst charak-
teristisch gezeichnet. Auch die Heiligen,
sogar die Engel besitzen eine starke Dosis
von Realismus, d. i. sie sind entschieden
individuell und charakteristisch aufgefaßt. Im
Einklang hierzu macht Kunz den ausgiebig-
sten Gebrauch von den Mitteln und Er-
rungenschaften der modernen malerischen
Technik.
Das ist die Kunst des Fritz Kunz, echt
modern, fortschrittlich, aber gebunden, ge-
zügelt durch einen hohen, ernsten Stil.
Die beste Illustration hierzu sind die Bilder
in der Kapelle in der Akademie von Sainte-
Croix (Abb. in Heft i, S. 20—27).
Die Malerei der Kuppel eröffnet vor dem
überraschten Auge einen Ausblick in den
Himmel. In der Mitte erscheint in einem
Kreis von Engeln, umschwebt von lichten
Wölklein auf blauem Grunde Gottvater in
hoher Majestät, wie er die Weltkugel segnet.
Unten am Saume der Kuppel sprossen in
bunter Fülle Paradiesesblumen, Blüten, wie
sie auf der Erde gedeihen, aber klarer,
glühender, farbenprächtiger, gereift am Lichte
ewiger Sonnen und gestreift vom Gewände
der Engel und Heiligen. Nach den vier
Himmelsgegenden ragen blütengeschmückte
Bäume empor; bunte Girlanden schlingen
sich von Baum zu Baum. Südwärts, vor
dem Blicke des Eintretenden vollzieht sich
unter einem strahlenden Irisbogen zwischen
Rosen- und Lilienbüschen die Krönung
Marias. Christus und Maria in weißen,
golddurchwirkten Gewändern ruhen auf
prächtigem Throne. Der göttliche Sohn in
milder Hoheit setzt seiner von Schönheit
und Demut verklärten Mutter das Diadem
auf und krönt sie zur Königin der Engel
»w DIE NEUESTEN WERKE DES MALERS FRITZ KUNZ
FRITZ KUNZ, MARIÄ VERKÜNDIGUNG
Wandgemälde (Fresko) in der Liebfrauenkirche in Zürich. Vgl. Abb. S. ()()
ahmen oder zu reproduzieren. Ein derartiges
Zurückdatieren der Kunstwerke ist ein Ana-
chronismus, eine Fahnenflucht aus der Gegen-
wart und kann prinzipiell nicht gebilligt
werden. Jedes Kunstwerk sollte doch das
Datum seines Entstehens an der Stirne tragen.
So weit ging Kunz niemals. Erinnern
seine Gestalten auch an die strenge Zucht
und Stilisierung früherer Perioden, so tragen
sie doch unverkennbar den Stempel der
Gegenwart an sich. So sind seine Typen
unmittelbar aus Leben und Wirklichkeit
herausgegriffen, in Haltung und Ausdruck
scharf individualisiert und möglichst charak-
teristisch gezeichnet. Auch die Heiligen,
sogar die Engel besitzen eine starke Dosis
von Realismus, d. i. sie sind entschieden
individuell und charakteristisch aufgefaßt. Im
Einklang hierzu macht Kunz den ausgiebig-
sten Gebrauch von den Mitteln und Er-
rungenschaften der modernen malerischen
Technik.
Das ist die Kunst des Fritz Kunz, echt
modern, fortschrittlich, aber gebunden, ge-
zügelt durch einen hohen, ernsten Stil.
Die beste Illustration hierzu sind die Bilder
in der Kapelle in der Akademie von Sainte-
Croix (Abb. in Heft i, S. 20—27).
Die Malerei der Kuppel eröffnet vor dem
überraschten Auge einen Ausblick in den
Himmel. In der Mitte erscheint in einem
Kreis von Engeln, umschwebt von lichten
Wölklein auf blauem Grunde Gottvater in
hoher Majestät, wie er die Weltkugel segnet.
Unten am Saume der Kuppel sprossen in
bunter Fülle Paradiesesblumen, Blüten, wie
sie auf der Erde gedeihen, aber klarer,
glühender, farbenprächtiger, gereift am Lichte
ewiger Sonnen und gestreift vom Gewände
der Engel und Heiligen. Nach den vier
Himmelsgegenden ragen blütengeschmückte
Bäume empor; bunte Girlanden schlingen
sich von Baum zu Baum. Südwärts, vor
dem Blicke des Eintretenden vollzieht sich
unter einem strahlenden Irisbogen zwischen
Rosen- und Lilienbüschen die Krönung
Marias. Christus und Maria in weißen,
golddurchwirkten Gewändern ruhen auf
prächtigem Throne. Der göttliche Sohn in
milder Hoheit setzt seiner von Schönheit
und Demut verklärten Mutter das Diadem
auf und krönt sie zur Königin der Engel