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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Editor]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 5.1908/​1909

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Steffen, Hugo: Die ehemalige Augustinerklosterkirche in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.53749#0279

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238

SW DIE AUGUSTINERKIRCHE IN MÜNCHEN

äußere Hauptgesims des Mittelschiffes entlang
ist ein hoher Verschlag aus rohen Brettern
angebracht, um ein weiteres Herabfallen der
alten, höchst malerisch wirkenden Dachziegel
auf die verkehrsreiche Straße zu verhindern.
Und das herrliche Innere, ist’s nicht allein
schon der Erhaltung wert? Doch auf welche
Profanierung blicken die feinen graziösen
Stukkaturen der Gewölbe, die herrliche Orgel-
empore jetzt herab! Da lagern hoch aufge-
stapelt Ballen und Fässer, Kisten und Säcke,
da wird geschoben und gekarrt; die unteren
Mauern sind zerstoßen, die Fensterscheiben
blind und zersprungen, denn seit der Säkularisa-
tion des Jahres 1803 dient die entweihte Kirche
zur Mauthalle (vgl. Abb. S. 239).
Sie ist ein elfjochiger, ehemals unverputzter
Backsteinbau, wie die meisten der mittelalter-
lichen Kirchen und öffentlichen Gebäude Mün-
chens, mußte aber im Laufe der Jahrhunderte
mancherlei Veränderungen über sich ergehen
lassen.
Es war zu Ende des 13. Jahrhunderts, als
Herzog Ludwig der Strenge die Augustiner-
mönche nach München berief und ihnen, die
hauptsächlich der Krankenpflege oblagen, an-
fangs am Heiliggeist-Spitale ein Unterkom-
men bereitete. Da der Orden in steter Tat-
kraft emporblühte, wies ihm der Herzog einen
Platz auf dem großen Haberfelde außerhalb
der Stadtmauern, unweit des sog. schönen
Turmes, zur Erbauung von Kirche und Klo-
ster an und 1294 wurden letztere nebstdem
Friedhöfe durch Bischof Emicho von Frei-

fünf Seiten geschlossenes, von zwölf kräftigen
Strebepfeilern flankiertes Achteck bildet. Die
Pfeiler standen ohne die später hinzugekomme-
nen Anbauten bis zum Erdboden herab vollstän-
dig frei, wofür als sicherer BeweisimDachboden
der letzteren die teils freiliegenden, teils ver-
mauerten Sandsteinkaffgesimse der unteren
Teile zeugen. Bei Erhaltung und Renovie-
rung der Kirche wäre es daher angebracht,
wenigstens am hinteren Teile des Chores die
Strebepfeiler, wie ehemals, wieder ganz frei-
zustellen.
Die Giebelseite war, wie bei solchen An-
lagen meist Übung, mit einem Dachreiter als
Glockentürmchen abgeschlossen der — laut
dem Sandtnerschen Stadtmodell von 1572 im
bayerischen Nationalmuseum, welches die
Kirche nach der zweiten Bauperiode zeigt —
beim Anbaue des Langhauses erhalten blieb
und von da ab den Dachfirst in der Mitte
schmückte. Daß übrigens das Modell nicht
trügt, bestätigen im Dachraum der Kirche
die Spuren der Spreizen des 1620 entfernten
Dachreiters.
Ganz abgesehen von den Zutaten aus der
Renaissancezeit ist es ja auf den ersten Blick
selbst für den Nichtfachmann erkenntlich, daß
Chor und Langhaus zwei ganz verschiedenen
Bauperioden angehören. Ersterer in seinen
charakteristischen, mittelalterlichen Formen
mit den kräftigen Strebepfeilern, letzteres ohne
diese, ein Werk späterer Zeit.
Für den Fachmann geben noch
die verschiedene Technik des

sing zu Ehren der
nes — für welche
Platze ein Kapell-
chen stand —
feierlichst einge-
weiht.
Anfangs be-
stand die Kirche,
entweder gerin-
gen Raumbedürf-
nisses oderfehlen-
derGeldmittel hal-
ber, nur aus dem
dreijochigen, in
seinem oberen
Teile (bis auf die
in rundbogige
verwandelten
Fenster und den
Kalkmörtelüber-
zug) heute noch
in ursprünglicher
Weise erhaltenen
Chor, der ein auf


beiden heiligen Johan-
schon vorher auf dem

ULT ßl

Mauerwerkes, vor allem aber der
charakteristische Absatz zwi-
schen Chor und
Langhaus, wel-
cher durch Unter-
brechung und
Höherlegung des
Hauptgesimses
bei letzterem mar-
kiert ist, sicheren
Beweis, daß an-
fangs nur der
Chor als selb-
ständige Kirche
bestand. Außer-
dem sind die Glie-
derungen des
Hauptgesimses
ganz verschiede-
ne, am Chor be-
steht selbiges aus
zwei Platten und

DIE VERUNSTALTETE STIRNSEITE DER AUGUSTINERKIRCHE
AN DER ETTSTRASSE

einer Kehle, am
Langhause hin-
 
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