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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Editor]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 5.1908/​1909

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Steffen, Hugo: Die ehemalige Augustinerklosterkirche in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.53749#0280

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»SM DIE AUGUSTINERKIRCHE IN MÜNCHEN

239

BLICK IN DEN CHOR DER AUGUSTINERKIRCHE MIT DEM SPÄTER
ENTFERNTEN GEMÄLDE TINTORETTOS. Text S. 238


gegen aus einer Platte und einer Kehle.
Ganz im Gegensätze zur jetzigen Zeit pfleg-
ten unsere Altvorderen jedem Anbau an
schon Bestehendes den Stempel ihrer Zeit
aufzudrücken, beziehungsweise den ange-
fügten Teil von dem schon vorhandenen
völlig auseinander zu halten, worauf eben
die unvergleichlich malerische Wirkung
ihrer Bauten fußt, während wir Modernen
ein sogenanntes einheitliches Zusammen-
stimmen und kaltlassendes Gleichmäßig-
machen bevorzugen und anwenden.
Wenige Monde vor Einweihung derKirche
war ihr Gründer, Herzog Ludwig, gestorben,
doch sein jüngster Sohn gleichen Namens,
der spätere Deutsche Kaiser, schenkte zeit
seines Lebens den Augustinern und ihrem
Gotteshause große Sympathien und För-
derung, ja, es war sogar sein Wunsch, in
den Grüften derKirche beigesetzt zu werden.
Um 1458 unterzog man das Gotteshaus
einer großen Erweiterung, indem man dem
Chor das achtjochige Langhaus mit niede-
ren Seitenschiffen vorbaute, wobei auch,
den spätgotischen Rippenprofilen der Ge-
wölbe nach zu urteilen, der Anbau am
Chor und Einbau der Sakristei erfolgte;
letztere befindet sich unter dem erhöhten
Mönchschore und ruht ihr Sterngewölbe
auf einem einzigen schlanken, von einer
Steinbank umgebenen Syenitpfeiler inmit-
ten des Raumes. (Abb. S. 240.)
Ob das Langhaus, da Strebepfeiler feh-
len, ehemals von einer geraden Balkendecke
überspannt wurde, ist nicht zu bestimmen;
ebensogut können es auch Gewölbe gewe-
sen sein, denn die sich nach unten in
mehrfachen Absätzen verstärkenden Mauern
wären kräftig genug, den Schub von Ge-
wölben auch ohne Strebepfeiler aufzuneh-
men. Gibt es doch mancherlei Beispiele
aus dem späten Mittelalter, wo die Gewölbe
stattlicher Kirchen ohne Hilfe von Streben,
nur durch kräftig verstärktes Mauerwerk
aufgefangen wurden.
Durch meine langen Studien in der Kirche
angeregt, hätte ich gern den Namen des Bau-
meisters vom Langhause erfahren, doch alle
Forschungen darnach in Archiven etc. waren
bis jetzt vergeblich. Es drängte sich mir näm-
lich die Vermutung auf, daß vielleicht Jörg
Ganghofer, welcher 1468 den Grundstein zur
Frauenkirche legte, auch die Erweiterung der
Augustinerkirche — die ursprünglich, wie schon
eingangs erwähnt, auch als unverputzter Back-
steinbau mit Sandsteinverblendungen ausge-
führt war — übertragen wurde. In München
selbst gab es zu damaliger Zeit keine eigent-

lichen großen Baumeister; man mußte sie für
Monumentalbauten von auswärts heranziehen
und so ist es leicht möglich, daß der Magistrat
auf Ganghofer durch die in Frage stehende
Erweiterung der Augustinerkirche aufmerk-
sam wurde und ihm dann den Bau des Domes
übertrug. Die Daten deuten in auffallender
Weise darauf hin und vielleicht ist es mir
noch möglich, eine urkundliche Bestätigung
darüber zu erlangen. —
Unter der Kirche befinden sich ausgedehnte
Katakomben, die unter dem linken Seiten-
schiffe noch wohlerhalten, sich von dort aus
 
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