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Die Gartenkunst — 1.1899

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Olbrich, Stephan: Plauderei über Allee- und Promenadenbäume
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https://doi.org/10.11588/diglit.20975#0078

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68 DIE GARTENKUNST I, 4

Köln gelegentlich der Hauptversammlung des Vereins
deutscher Gartenkünstler im Sommer 1898, welcher auch
obiges Thema betraf, war sehr gut und zeitgemäfs, was
schon die lebhafte Diskussion, die derselbe zur Folge hatte,
bekundete. Der vorgerückten Zeit wegen konnte es nicht
eingehend behandelt werden, es hätte aber sehr viele
praktische Gesichtspunkte zu Tage gefördert.

Wie aus Xo. 2 des Voreinsorgans hervorgeht, hat der
technische Ausschufs sich ja schon mit einem Teil dieses
Antrages in dankenswerter Weise befafst und wird der
zweite Teil: „Bin Verzeichnis aller in Betracht kommenden
Bäume", wohl auch bis zur nächsten Hauptversammlung
erledigt sein, was für die Praxis von weittragendster Be-
deutung sein dürfte. Bs wird nicht schwer sein, die
unter den vielseitigsten Anforderungen und Bedingungen
gemachten Erfahrungen von geeigneten Fachmännern zu
erhalten und in einer passenden Form mit Erläuterungen
versehen, zusammenzustellen.

Durch Besuch einer grofsen Anzahl von Städten
Mitteleuropas habe ich den Bindruck gewonnen, dafs, trotz-
dem sich die Zahl der für die verschiedensten Verhältnisse
passenden Baumsorten undVariotäten für Strafsenpflanzungen
in den letzten Dezennien sehr zum Vorteil vermehrt hat,
diese neueren Erscheinungen dennoch nur sehr vereinzelt
zur Anwendung gekommen sind. Wir sehen immer wieder
gewöhnliche Ahorn, Linden, Ulmen, Kastanien etc., d. h.
dieselben Sorten, die man vor 30 — 40 Jahren nur kannte,
aber jetzt vielfach an Stellen, wo sie nicht hinpassen.

Es wird mir da von vielen Kollegen entgegengehalten
werden können:

„Ja, diese oder jene Sorte hätte ich wohl lieber für
den betreffenden Zweck angepflanzt, aber sie war in der
gewünschten Anzahl und Stärke im Moment der Anpflanzung
nicht zu beschaffen." Das glaube ich sehr gern. Aber
die Baumschulen ziehen heutzutage sehr gerne, was ihnen
einen Absatz verspricht, wenn nur die Anregung von der
kaufkräftigen Seite hierzu gegeben wird. Man mufs nur
etwas mehr in die Zukunft blicken und sich passende
Varietäten schon einige Jahre früher anziehen oder anziehen
lassen, ehe man selbige zu. gebrauchen gedenkt; dann
wird man auch nicht immer angewiesen sein, Sorten
pflanzen zu müssen, welche gerade zu bekommen bezw.
vorrätig sind.

Ein einziger Fall aus meiner Praxis zeigt, dafs das
Gesagte wohl möglich ist. Für die Bepflanzung der Quai-
anlagen in Zürich waren s. Zt. für gewisse Teile Ulmus
macrophylla mit 4 m Stammhöhe vorgesehen, damit man
unter den späteren grofsen Baumkronen hindurch immer
noch den ungehinderten Ausblick auf See und Gebirge
frei haben sollte und nicht erst dann, wenn Bäume mit
gewöhnlicher Stammhöhe zur Verwendung gekommen
wären, nachdem man deren untere Äste abgesägt hätte.
Dafs Bäume mit 4 m Stammhöhe im Moment der Pflanzung
in keiner Baumschule erhältlich gewesen wären, ist wohl
erklärlich. Sie wurden aber gezogen aus schon vor-
handener verkaufsfähiger Waare mit normaler Stammhöhe,
und in zwei Jahren war der Zweck erreicht. Viele Fach-
leute, in Unkenntnis über den Zweck dieser enorm hohen

Stämme, schimpften allerdings über diese Telegraphen-
stangen; aber jetzt, nachdem sich diese Bäume genügend
ausgebildet haben und dem beabsichtigton Zweck ganz
entsprechen, sieht man den Nutzen der 4 m hohen
Stämme ein.

Nach diesen Abschweifungen allgemeiner Natur wollen
wir uns einige Baumsorten, die zu selten als Allee-
und Promenadenbäume Verwendung finden, mit einigen
Bemerkungen versehen, vor Augen führen.

Acer Negundo bildet eine mehr breit als hoch werdende
mittelgrofse Krone, wächst leicht und gern, nimmt mit
allen Standorten vorlieb, verträgt den Schnitt gut und hat
sich in den Quaianlagen Zürichs sehr gut bewährt.

Acer platanoides globosum macht eine ganz ge-
schlossene, dichte, kleine, kugelförmige Krone und ersetzt
für feuchte Lagen und schwere Bodenarten die beliebte
Kugelakazie, deren Krone übrigens noch viel gröfser wird
als der erwähnte Acer. Zur Strafsenpflanzung für kleinere
Verhältnisse ist Acer plat. globosum ganz geeignet, ebenso
wie Ulmus campestris umbraculifera. Es ist allerdings
kein einträglicher Baum für Baumschulen, weil es etwas
länger als bei anderen Ahorn dauert, ehe eine ansehnliche
Krone erreicht ist, auch mufs diese Sorte in Kronen höhe
auf die Stammform veredelt werden.

Alle Aesculus Pavia-Sorten geben prächtige Promenaden-
bäume, wenn sie in entsprechender Höhe auf Aesculus
Hippocastanum veredelt sind.

Ihre schönen, ovalgeformten, niemals einen Schnitt
verlangenden, eine geringe Ausdehnung annehmenden
Kronen mit dem effektvollen glänzend lichtgriinem Blattwerk
und den zahlreichen später als bei anderen Aesculus er-
scheinenden aufrechten, vielblumigen Blütentrauben, die
nur höchst selten Früchte ansetzen, machen sie ganz
geeignet für die Verwendung als kleinkronige Alleobäume,
selbst für rauhe und windige Lägen.

Anstatt den gewöhnlichen Aesculus Hippocastanum,
deren zahlreiche Früchte wohl eine angenehme Unter-
haltung zum Herunterschlagen für die Schuljugend sind
aber eine unangenehme Beigabe für öffentliche Strafsen
und Plätze wegen der damit verbundenen Verunreinigung,
sollte man, wo einmal grofswerdende Kastanien angepflanzt
werden müssen, nur die gefüllt blühende Aesculus Hippoc.
fl. pl. anpflanzen, die keine Früchte ansetzt, sonst aber
die gleiche Erscheinung bildet.

Die rotblühende Kastanie, Aesculus rubicunda, mit ihrer
schwarzgrünen Belaubung und kleineren, mehr aus-
gebreiteten Krone pafst sehr gut für Verhältnisse, wie z. B.
am Quai in Luzern, wo man von den nebenan liegenden
Hotels über die Baumkronen hinweg noch den Ausblick
auf den Vierwaldstätter See und die entfernteren Berge
offen halten mufs.

Carpinus Betulus pyramidalis ist ein schöner Allee-
baum von pyramidon-pappelartigem Wuchs, welcher noch in
den rauhesten Lagen gut gedeiht. Er sollte aber nahe dem
Boden auf die Stammform veredelt sein und dann als
Stamm hochgezogen werden, weil man damit einen viel
schöneren schlanken Stamm erreicht.
 
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