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Die Gartenkunst — 1.1899

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Brodersen, Albert: Englische Gärten
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https://doi.org/10.11588/diglit.20975#0114

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104

DIE GARTENKUNST

Sache doch mit anderen Augen wie der Fachmann, sie
sehen die schönen Einzelheiten, ohne sich um den orga-
nischen Zusammenhang dos Ganzen zu kümmern. Der
Stil ist ihnen gleichgültig.

In Deutschland ist in den letzten Jahren viel über
Gartenkünstler gesprochen und geschrieben, die nach
irgend einer Schablone oder nach festbegründeten garten-
künstlerischen Grundsätzen ihre Gärten "anordnen sollen.
Kürzlich ist sogar, vielleicht als eine Folge, ein neues,
wenn auch wenig schönes Wort im Gebrauch, der „Schul-
landschafter."

In dem Zusammenhange, in welchem mir das Wort
kürzlich zu Gesicht kam, befremdete mich, ein wie hoher
Wert, vielleicht unbeabsichtigt, demjenigen beigelegt wurde,
dem die Bezeichnung „Schullandschaftor" gebührt. Es
wurde in Bezug auf Wegeführung in einem zur Be-
sprechung stehenden Bark gesagt, „dafs die Wegeführung
in der Wirkung als vollkommen gelungen zu bezeichnen
sei, während der „Schullandschafter" auf dem Flan mit
kritisierenden Bemerkungen bei der Hand sein möchte."
Ich verstehe darunter: der Schullandschaftor stellt beson-
ders hohe Anforderungen, er vorlangt sogar, dafs die in
der Natur gezeichneten Wegelinien den allgemeinen Ge-
setzen der Schönheit entsprechen sollen, auch dann, wenn
durch eine mangelhaft geführte Wegelinie nicht gleich die
Wirkung eines prächtigen Naturbildes zerstört wird. Ich
glaube, wir könnten uns glücklich schätzen, wenn wir in
Deutschland recht viele „Schullandschafter" in diesem
Sinne hätten.

Wenn deutschen Gartenkünstlern der Vorwurf gemacht
wird, dafs sie zu einseitig einer bestimmten Richtung, einer
Schule huldigen, so liegt dies vielleicht nur daran, dafs
wir leider zu wenig Gartenkünstler haben, die im-
stande sind, Schule zu machen, die solche Werke schaffen,
die für andere so stark vorbildlich, im guten Sinne wirken,
dafs sie sich dieselben in ihrem Wesen zu eigen machen,
um darauf selbständig weiter zu bauen. Ich bedaure dies
lebhaft! Ich wünsche, es würde den deutschen Garten-
künstlern recht bald ein „Schullandschafter" boschieden,
dessen Führung sie sich getrost anvertrauen könnten, auf
dafs auf uns nicht das Sprichwort pafst: Die alten Bro-
pheten sind tot und die neuen taugen nichts." Es ist noch
ein weiter Weg, bis wir das Ziel erreichen, mit unseren
Schöpfungen vor unserer höchsten Lehrmeistorin die
Früfung auf Innehaltung der ewigen Gesetze der Natur
bestehen zu können!

In Bezug auf englische Gärten ist mir eins klar:
Den Engländern fohlen „Schullandschafter". Ihnen fohlen
Männer, die in erster Linie darauf sehen, dafs in den zu
bildenden Gärten alles harmonisch zusammenstimmt, deren
Schönheitsgefühl so stark entwickelt ist, dafs sie schon
durch unschön geführte Wege in ihrem Empfinden beleidigt
worden.

Ich bin der festen Überzeugung, die Engländer, die
unsere besten deutschen Barks kennen, wissen sehr wohl,
dafs die deutschen Gärten einen höheren künstlerischen
Wert haben, als die englischen, nur darf man nicht von
ihnen erwarten, dafs sie dieses Bekenntnis aussprechen.

Deutlich tritt aber diese Erkenntnis zu Tage, wenn man
erfährt, dafs die ausführenden Gartenkünstler in England
oft Deutsche sind. Je weniger diese aber als Deutsche
erkannt werden, um so lieber ist es den Engländern. Ihr
Einflufs ist allerdings bis jetzt auf die Gestaltung der Bark-
anlagen nicht sehr grofs, denn es ist sehr schwer, gegen
die Voreingenommenheit der Engländer anzukämpfen, die
an ihren Eigentümlichkeiten in demselben Mafse festhalten,
wie es die Deutschen nicht thun. Eins wird aber durch
die Anstellung deutscher Gartenkünstler in englischen
Gartenverwaltungen festgestellt, nämlich, dafs die deutschen
Gartenkünstler drüben einen guten Ruf haben, besonders
durch ihre fachwissenschaftliche Bildung.*)

Wenn ich vorhin sagte, die Wegelinieh müfsten so
geführt werden, dafs ein für Schönheit empfängliches Auge
nicht beleidigt wird, so möchte ich doch nicht verschweigen,
dafs ich bei Beurteilung von Gartenanlagen auf dem Papier
wünsche, es möchte der Wert der Projekte nicht in erster
Linie von der Wegeführung abhängig gemacht werden,
sondern von der Hauptsache einer geschickten Terrainaus-
nutzung, einer guten Disposition für das Schaffen einheit-
licher grofser Park- und Landschaftsbilder und einer
wirkungsvollen Verteilung von Licht und Schatten.

In England wird auf die Wegeführung sehr wenig
Gewicht gelegt. Die Wege werden meistens nach dem
Verkehrsbedürfnis allein geführt, ob dies in einer schönen
oder unschönen Linie geschieht, darauf wird wenig ge-
achtet.

Sehr häufig erhalten die Parkwege ihre Lage und
Richtung dadurch, dafs die durch Fufsgänger oder Gefährte
hinterlassenen Spuren als definitive Wege ausgebaut
werden. Ich brauche nicht erst zu sagen, dafs hierdurch
oft eine sehr störende Zerstückelung der Rasenbahnen be-
wirkt wird, die sehr leicht, ohne Nachteil für den Verkehr,
vermieden werden könnte. Dort, wo die Spuren schnell
dahin rollender Gefährte, die meist durch geschickte Kutscher
gelenkt werden, die Wege vorzeichnen, ziehen sie sich
meistens in angenehmen, leicht geschwungenen Linien
dahin, während in vielen Stadtparks und auf den öffent-
lichen Gartenplätzen, wo die Wege, den Spuren unachtsam
dahinwandernder Menschen folgend, ausgebaut sind, oft
unschön wirken. Mangelhaft geführte Wege fallen dort
noch besonders unangenehm auf, weil die Rasenflächen
gröfstenteils nur mit Bäumen bepflanzt sind, die den Blick
weniger hemmen, als wenn auch Sträucher mit zur An-
pflanzung kommen.

In England haben die Barkwege allerdings durchaus
nicht dieselbe Bedeutung wie bei uns, sie sind nicht die
stummen Führer durch den Park. Um diesen kennen zu
lernen, betritt man die Rasenflächen und sucht so die
Schönheiten in demselben auf. In einzelnen Fällen wird
dem Parkbesucher das Auffinden der schönsten Teile da-
durch erleichtert, dafs Rasenwege, d. s. Streifen von
2—6 m Breite, die beständig durch häufiges Mähen des
Grases als Wege in den grofsen Rasenflächen gekenn-
zeichnet werden, zu den lohnendsten Bartien führen.

*) Siehe hierzu die Mitteilung des Herru Brodersen Seite 114 dieses
Heftes. D. Red.
 
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