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Heidelberger Zeitung — 1865 (Juli bis Dezember)

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Nr. 152-177 Juli
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https://doi.org/10.11588/diglit.2786#0001

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Vtidrllmger Zrilung.

Krcisvkrküiiüiguilgsblatt für ücn Kreis Hcidclberg miü aüttliches Äerlünüiguiigsblatt für die Amts^ und Amts-
Gerichtsbczirke Hcidelbcrg und Wicsloch unö den Amtsgcrichtsbezirk Neckargeuiünü.

Nl 1S2


Samstag, 1 Zuli


Einladmig zum Abonnemcnt.

Auf das mit dem 1. Juli beginnende dritte
Quartal der „Heidelberger Zeitung"
laden wir anmit zum Abonnemcnt ergebenst ein.
Die Heidelbergcr Zeitung ift durch Beschluß
Droßh. Ministeriums des Jnnern vom 24. No-
vember v. I., Nr. 44,731, als Kreisver-
kündigungsblatt für den Kreis Heidel-
berg und als amtliches Verkündigungs-
blatt für die Amts- und Amtsgcrichtsbezirke
Heidelberg und BZiesloch und den Amts-
gerichtsbezirk Neckargemünderklärt worden,«
in Folge dessen alle ,Bekanntmachungen der
betreffenden Staatsstellen darin zu erscheinen
haben.

Jndem wir uns im Uebrigen auf das mehr-
sach veröffentlichte ousführliche Programm be-
ziehen, bemerken wir hier noch, daß das vier-
teljährliche Abonnement in hiesiger Stadt 1 fl.

3 kr., durch die Post bezogen 1 fl. 24 kr. be-
trägt. Jnscrate, welche durch uusere Zeitung
die ausgcdehnteste Verbreitung finden, werden
mit 3 kr. die dreispaltige Petitzeile oder deren
Naum berechnet.

Heidelberg, im Juni 1865.

Die Exvedition.

(Schiffgasse Nr. 4.)

* Pvlitische llmschau.

* Das thatsächliche Resultat der Minister-
crisis in Oesterreich ist: v. Mensdorff bleibt und
tritt an die Spitze des Cabiuets; die bisherigen
ungarischen Mitglieder desselben scbeiden aus,
und wird namentlich Zichy, als Hofkanzler für
Ungarn. durch Gcorg v.-Mailath ersetzt. End-
lich tritt Schmerling zurück — was das be-
deutungsvollste ist — und sein Nachfolger wird
der früher als solcher schon einmal genannte
Graf Belcredi. Aus diesem Ministerwechscl
scheint zweierlei hervorzugehen: einmal, daß
in der deutfchen Politik Oesterreichs schwerlich
ein Umschwung, z. B. eine größcre Nachgiebig-
keit gegen Preußcn, zu erwarten sein dürfte,
und sodann, daß man ein Abkommcn mil Un-
garn ernstlicher als je ins Auge faßt. Auf
jenes deutet das Verbleiben und der gesteigerte

Schwurgerichtsverhandlungen.

Mannhcim, 21. Juni. Dkr als Kaufmann
unter der Firma F. H. Doreck im hiesigm Han-
delsrrgister ringetragene Iakob Franz Doreck be-
trted seit dem Jahr 1857 dahier ein Bijonterie-

sich am 31. Dec. 1863 von hier durch dte Flucht.
Ueber setn Vermögen wurde Gant erkannt, und
er selbst wurde der boshaften Zablungsflüchtigkeit
beschuldigt, da er bei seiner Entfernung im Zu-
stand des ZahlungsunvermögenS etwa 23 Stück
goldene Ketten, im Werth von ungefähr 519 fl.,
beseitigte, aus der Kaffe eines mit Wilhelm Bohr-
mann betriebenen Lampengeschäfts 589 fl. 37 kr.,
die er aufzubewahrcn und an BohriMnn abzulie-
fern hatte, in seinem Nutzen verwendete, keine
Znventare und Bilanzen seines VermögenS fertigte,
nicht alle vorgrschriebenen Bücher sührte und daß
sein Laffabuch, Iournal und Hauptbuch nicht die
wahre Lage seines VermögenS- und Schuldenstan-
des nachweisen. Von Seiten deS für dcn nicbt er-
schienenen Angeklagten aufgcstellten Vertheidigers,

Einfluß Meusdorff's im Cabinct, auf dicses
der Rücktritt Schmerling's hin, der deun doch
bis zuletzt einer Nächgicbigkeit gegen Ungaru
weuig gencigt schien. Ob für das inuere consti-
tutionelle Staatsleben Oesterreichs dieser Rück-
tritt einen Nückschritt bezeichne, ob der Name
Belcredi, wie wohl früher vcrlauten wollte, cin
mchr bureaucratisch schroffes Regiment im Jn-
nern ankündige, darüber läßt sich zur Zeit noch
uichts Bcstimmtes sagen. Was zu einiger Be-
ruhigung gereicht, ist die Ueberzeugung, daß
ein Abkominen mit Uugarn geradszu unmög-
lich ist, ohne strcnge Aufrechthaltung und auf-
richtigc Handhabung deö Rcchts- und Berfas-
sungslebens auch iu den deutschen Erblanden.
Eine Aussöhnung mit Ungarn würde auch eher
eine Lockerung des centralen Bandes der ver-
schiedenen Kronländcr, als eine noch straffere
Einigung erheischen. Ob und in wie weit die
mehrfach in neuerer Zcit berichtete Annäherung
Oesterreichs an Frankreich mit diesem Minifter-
wcchsel und mit dem vielleicht damit verbun-
denen Entschlusse eiueS stärkern Auftrctens gegen
Preußen hin, und als Mittel HGrzu einer
Rückendeckung gegen Ungarn im Zusammen-
hange steht, darüber lassen sich zur Zeit nur
Vermuthungen aufstellen.

Die „N. Fr. Ztg." sagt in einem größeren
Artikel über die Znkunft der deutschen Nation:

Die alleinseligmachende preußische Form ist
der Nation fremd. Sie w.ürde sich zur Einheit,
ob auch nicht gern und unter Schmerzen, sogar
zusammenerobern lassen, wenn unscr Zahrhun-
dert fähig wäre, zu solchem Zweck einen Carolus
magnus wiederzugebären. Die consticutionell-
monarchische Form oder die republicanische, der
Einheitsstaat oder der Bundesstaat, all diese
Formen erträgt sie, wenn sie nur zum Znhalt
die nationale Einhcit haben. Jn welchem Zei-
chen der Sieg einst kommt, das vermag keine
Prophezciung zu sagen; uur das Eine kann
man mit Bestimmtheit aussprechen: daS Kreuz
der Kreuzzeitungspartei wird jencs Sieges-
zeichen niemals sein, so lang in den Adern
des deutschen Volkes noch deutsches Blut fließen
wird.

Wir halten fest am Jdeal der Nation, und
denen die da chrlich glauben, es lasse sich dies
Jdeal aus den Bahnen des Hrn. v. Bismarck
verwirklichen, und denen, die solchen Glauben
nur heucheln, haben die Ereignisse längst be-
wiesen, daß ihr Weg ein Jrrweg und ihr Glaube !

eine Lüge ist. Wcr da einmal unbcfangen an
seinem Gedächtniß vorübergehen läßt all die
Ränke, Listen, Täuschungen, Meinungsänderun-
gen, Windfahnendrehungen, Worte, dcnen die
Thaten widersprechen; all jene Kunslstücke, mit
denen die Anncxion Schleswig-Holsteins und
die Vernichtung seines Selbstbestimmungsrechtes
durchgesetzt werden soll: erst das Voranstellen
des Deutschen Bundes in Holstein, dann das
Verhindern seines Einschreitens in Schleswig;
erst in London die Verkündigung des Herzogs
Fricdrich als des Bestberechtigten, dann als die
Lage sich geändert, das dreifte Verläugnen die-
ses einst so rückhaltlosen Ausspruchs; das plötz-
liche Entstehen „politischer Unumgänglichkeiten"
für den preußischen Staat, nachdem ihm vor
anderthalb Zahren die Nachbarschast Dänemarks
noch sehr willkommen war, und das ueu ent-
deckte unentbehrliche Bedürfniß für Preußens
Existenz, die Soldaten, Matrosen, Häfen und
Festungen Schleswig-Hvlstcins zu besitzen, nach-
dem seit dem Beginn von Preußens Existenz
noch Niemand an dies Bedürsniß, viel weniger
an dcssen Unentbchrlichkeit jemals gedacht hat;
die Ermunterung der oldenburgischen Bewer-
bung, nicht um ihrer selbst willcn, sondern nur
um einen blinden Schrcckschuß mehr in die
Pistole zu laden; das Aufstacheln der Dänen
in Nordschleswig, um zu dem, was man angeb-
lich „für Deutschland" thun will, die Feinde
Deutschlands zu benutzen; die pomphafte An-
kündigung einer Versammlung der schleswig-
holsteinischen Volksvcrtretuug auf breitester
Grundlage, und das Zurückgehen auf verstüm-
melte, unter dänischer Herrschaft gewählte
Stände; die Bcrufung auf die Volksstimme im
Nordelbeland, und dann die Weigerung sie zu
hören, unter dem lächerlichen Vorwand cines
Einflusses, den der Herzog von Augustenburg
übe; — wer aus dem Jahrbuch der jüugsten
Zeiten alle diese schiefen, matten, falschen, muth-
losen Winkelzüge sich vorführt und zusammen-
saßt und erwägt, der muß erkennen, daß mit
solcheu Schlauheiten ordinärster Sorte nichts
Weltgeschichtliches zu Stande gebracht, mit so
klcinen Pfifsigkeitsmitteln nichts Großes ge^
leistet, mit solcher veraltetcn Diplomatie kein
Staat verstärkt und vergrößcrt und noch we-
niger cin Deutschland geschaffcn werden kann.
Und bedenkt man noch dazu die Dorgänge im
eigcnen preußischen Lande, die Art und Weise
wie daö biedere, aufgeklärte, tapsere, mit an

aus der Lampenkaffe, worauf ihn der Schwur-
gerichtshof wegen boshafter Zahlungsflüchtigkeit zu
einer Arbeitshaus-Strafe von I Vr Iahren oder
1 Jahr in Einzelhaft verurtheilte.

dcm Gebiete der Wechseltndustrie in Berlin vor-
kommen — verkommve Jndividuen setzen gegen
eine geringe Belohnung ihren Namen auf jeden
Wechsel —. Folgender, erst vor einigen Tagen
pasfirter Fall wirft ein recht drastisches Licht auf
dieses Feld der Hochstaplerei. Ein RechtSanwalt
erhielt von einem hiefigen großen Bankhause einen
Wechsel über 800 Thlr. zum Protestkrcn. Der
Wechsel zeichnete fich äußerlich durch die desondere

! elendes, unsauberes Haus in einer entlegenen Straße
^ angelangt war, durchschritt er einen finste« HauS-
^ flur und bemerkte auf dem schmutzigen Hofe einen
noch schmutzigern Mann mtt zerlumptem Hembe,
barfuß, der im Begriffe war, den Aschkasten zu
eutleeren. Diesen fragte dcr RechtSanwalt, ob denn
hier wirklich Herr N. N. wohne und wo er sein
Geschäft habe. „Ack," sagt der Mann, Sie kom-
men woll wejen den Wechsel; ja, et is janz in
Ordnung; ick bin Hrrr N. N. selbstenS und wcrde
Ihnen jleich mrin Jeschäftslocal zeigen." Damit
führt er den erstaunten Recktsanwalt drei Stiegen
hoch in eine halb finstere Kammer, in der sich nichts
als ein zerlumptes Bett und ein alter Schemel be-
fand. Hier erkannte er den Wechsel als richtig an
und fügte hinzu: „Irüßen Sie man den Herrn
Bankjeschäft schecnstcns von mich, unn' er mißte
noch'n Bisken Ieduld haben; mein Jeschäft jinge
nich sehr." _
 
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