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Heidelberger Zeitung — 1865 (Juli bis Dezember)

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Nr. 231-256 Oktober
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https://doi.org/10.11588/diglit.2786#0455

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Vti-tlbtrger Zeilung.

Kreisvcrküudigmgsblatt für den Kreis Heidelberg und amtliches Berkündiguugsblatt für üie Amts- und Amts-
Gerichtsbezirke Heidelberg und Wiesloch und dcn Amtsgerichtsbezirk NeckargemünS.

Rk- 2SS. Sonntag, 2-» October

* Polilische Umschau.

* Die Bismarck'schen Vergewaltigungen im
Jnnern von Preußen, sowie nach Anßen gegen
Schleswig-Holstejn, gegen Frankfurt rc. stehen
nicht vereinzelt da. ES liegt eine allgemeine
reactionare Strömung in der Lust, die sich sü?
! Deutschland in mannigfachen Anzeichen kund
thut. So ist in Hannovcr eine Veränderung
! des Ministeriums in vollkommen reactionärem
! Sinne vollzogen. Die reactionären Mimster
des frühern Ministeriums, insbesondere Graf
Platen, sind geblieben, und der neuevltretende
Minister Bacmeister, einer der entschiedensten
Gegner jeder liberalen Bestrebungen, ist Mini-
sterpräsident geworden. Jn Bezug auf die
Stellung zu Preußen ist — was bemerkt zu
werden verdient — jetzt weniger Nachgiebigkeit
zu erwarten, als vop dem frühern Ministerium.
Jn andern Mittelstaaten, wie jn Bayern, Sach-
sen, Würtemberg rc. entscheiden noch allzu häu-
fig Laune, Zufall, wechselnde politische Berech-
nungcn über den Geist der Regierungen. Das
Rechl wird geachtet, so lange seine Mßachtung
bedenklich erscheint; die Freiheit wird behandelt
wie ein verdächtiger Gast. dem man heute Zu-
tritt gestattet, und morgen, wenn er sich unbe-
quem gemacht hat, die Thüre weist. Damit
erfreut sie sich aber kaum von heute auf mor-
gen eines gesicherten Daseins. Um vor
dem möglichen Rückschlage solcher politischer
Mißverhältnisse auf unser engeres Vaterland
(Baden) thunlichst gesichert zu sein, kann nicht
dft genug wiederholt werden, daß es Sache der
liberalen Partei im Bolke selbst wäre, sich mehr
zu consolidiren und überall, wo nöthig, eine
kräftige Jnitiative zu ergreifen.

Der „Nenen freien Presse" geht von Frauk-
furt aus solgende Mittheilnng über die Ent-
stehungsgeschichte der Antwortsnote zu: „Als
der in Folge der österreichisch-preußischen De-
peschen vom Senate eingeforderte Bericht des
Polizeiamtes, welcher constatirte, daß der Ab-
geordnetentag keinen Anlaß zum Einschreiten
dargeboten habe, vorlag, und der Senat auf
Grund desselbcn in Berathung über den einzu-
schreitenden Weg trat, machten sich vier ver-
schiedene Ansichten unter den Senatoren gel-
tend: eine Minorität hiclt es fü/angemessen,
die vertraulichen Bemerkungen dcr Vertreter der
beiden deutschen Großmächte ganz auf sich be-
ruhen zu lassen, d. h. gar keine Antwort zu

Die Schlangen Pharao's.

Ueber die sogenannte Schlange Pharao's schreibt
man uns: „Dieses belustigende Spielzeug, welches
auffallend schnell Eingang gefunden und jetzt in
Galanterieläden feilgeboten wird, besteht aus einer
Mischung von Rhodan-Queckfilber und salpeter-
saurem Natron (oder chlorsaurem Kali). Bei der
Verbrennung (bei welcher daS letztere den nöthi-
gen Sauerstoff liefert) entwickeln fich Dämpfe von
schwefeligcr Säure und Quecksilber, und es bleibt
eine sehr poröse.Kohle zurück, welche wohl hundert-
mal größereS Volumen hat, als drr ursprüngliche
Körper, so daß die Kohlc auS der kegelförmigen
Hülle von Blattzinn, einer Schlange ähnlich, lang-
sam hervorquillt Das Rhodan-Quecksilber oder
Schwefelcyanquecksilber ist aber ein so heftiges Gift,
wic alle Cyanverbindungen, welchen ja auch die
Blausäure angehört. Cin Prinz O . .. in Paris
vrrgiftete fich neulich mit einer solchcn „Schlange",
injiem rr den Körper, in ver Metnung, es sei ein
Bonbon, in den Mund strckte. Durch den schlechten
Geschmack aufmerksam geworden, spie er eS sofort
aus, nichtSdestowrniger war er zwei Tage krank.

geben; Andere meinten, der Senat möge sich
für incompetent erklären und die beiden Groß-
mächte an den Bund verweisen; eine größcre
Anzahl stimmte dafür, Preußen entschieden und
kurz ablehnend zu antworteu, Oesterreich aber,
welches sowohl in seiner Argumentation als in
seinen Conclusionen ganz anders sich verhalten
habe, dem cntsprechend zu bescheiden. Für diese
Ausicht stimmte der Bürgermeister Dr. Müller.
Mit zwei Stimmen Majorität siegte jedoch die
Ansicht, beidcn Großmächten die gleiche kurze
und bündige Antwort zu geben, auch hierbei
des Bundestages gar nicht zu gedenken, weil
es an Oesterreich und Preußen sei, sich ihrer-
seits an den Bundestag zu wenden, falls sie
glauben, Grund zur Beschwerdeführung zu
haben. Diese Amwort wurde denn auch am
22. October an die Herren v. Frankenstein und
v. Wentzel übcrgebeu."

Ein Berliner Telegramm der „Hamburger
Nachrichten" meldet: Mit dem Frankfurter Se-
nat wird wahrscheinlich noch ein weiterer direc-
ter Schriftwechsel stattfinden, die Angelegenheit
indessen später irgendwie an den Bundestag ge-
langen. Mehrere Bundesregierungen (Mecklen-
burg, Hannover, Kurhessen?) sollen sich in>
Folge der ihnen gewordenen Mittheilung der
großmächtlichen Depeschen vorläufig dcnselben
zustimmend geäußert haben.

Die heutigen Wiener Morgenbl. melden bezüg-
lich der Frankf. Angelegenheit, Oesterreich und
Preußen werden, bevor sie sich an dcn Bund
wenden, nochmals ihre Vertreter in Frankfurt
beauftragen, dahin zu wirken, daß der Senat
auf ihre Vorstellungen auch in meritorischer
Hinsicht antworte, indem der Frankfurter Se-
nat in seiner Note vom 23. d. über eine all-
gemeine Verwahrung nicht hinausgehe.

Die auch in unser Blatt übergegangene Nach-
richt der „Hess. Ldsztg." , worin von „Maß-
regcln", welche die geschäftsleitende Commission
des SechSunddreißiger-Ausschusses „zu ergreifen
beschlossen habc" die Nede ist, und wonach „die
nationale Organisation für Gesammtdeutschland
neu belebt und erweitert" werden soll, wird in
Abrede gestellt.

Die Nassauische Abgeordnetenkammer hat den
Antrag auf Wiederherstellung der 1851 hin-
wegoctroyirten Verfassung mit allen gegen vier
Stimmen angenommen.

Nach den neuesten vom statistischen Bureau
zu Schwerin herausgegebenen „Beiträgen zur

besondrrs wenn das arglos in's Haus gebrachte
Spielzeug Kindern in die Hand fällt, welche leicht
derselben Meinung sein könnten, alS Prinz O...
Für den Verkauf sollten etgentltch dieselben Vor-
schriften Geltung haben, wie für die Gifte über-

öffentlichen Blättcrn auf bie Gefährlichkeit dteses

theilig ist." _

* Literarisches.

Mit dem Octoberhefte haben „Wester-
mann's Illustrirte Deutfche Monatshefte"
einen neuen Iahrgang begonnen und diese erste
Nummer brstätigt nicht nur AlleS, was bereits
früher über das Unternehmrn gesagt ist, sondern
erweckt auch die besten Hoffnungen für die Weitrr-


Statistik Mecklenburgs" hatteu unter den von
1853 — 62 eingestcllten Rckrnten 85 Procent
nicht die nothdürftigste Bildung. Welchen Schat-
ten werfen diese einfachen Zahlen auf die Zu-
stände Mecklenburgs, wenn man sie mit denen
dcr übrigen deutschen Staaten vcrgleicht! Was
thut die Geistlichkeit, nnter welcher das Schul-
wesen steht, um sol chen Zuständen abzuhelfen,
vie uns au die Rohheit der Obotriten, dieser
slavischenMhnen deS mecklenburgischen Volkes,
erinnern?

Deutschland.

Karlsruhe, 27. Oct. Das großh. Regbl.
Nr. 50 enthält folgendc^Pfarrbesetzungen: a)
Auf die dem Allerhöchsten Palronat Sr. Kgl.
Hoheit des Großherzogs unterstehende Pfarrei
Mühlhausen, DecaNats Waibstadt, den Pfarrer
Fr. Julier in Leutershausen; auf die Pfarrei
Oberbiederbach, Dec. Freiburg, den Pfarrverw.
Jsidor Weltc in Niedereschach; auf die Pfarrei
Mahlberg, Decanats Lahr, den geistlichen Lehrer
Richard Hummelsheim am Lyceum in Con-
stanz. d) Auf die von Sr. Ercellenz dem
Hcrrn Erzbischof zu besetzende Pfarrei Ober-
schefflenz, Decanats Mosbgch, den Vicar von
der unteru Stadtpfarrkirche in Mannheim,
Adolf Mannerl; auf die Pfarrei Staufen, Dec.
Breisach, den bisherigen Pfarrverweser zu St
Stephan in Cvnstanz, Peter Zureich; auf die
Pfarrei Reichenau-Oberzell, Dec. Constanz, den
Pfarrv. Joh. Gottmann in Wagenstadt. e) Auf
die dem Patronate S. D. des Fürsten von
Fürstenberg zuständige Pfarrei Kappel, Dec.
Stühlingen, den Pfarrv. Gotthard Eglau von
Heimbach. Auf die dem Patronate der fürstlich
Leiningen'schen Standesherrschaft unterstehende
evangel. Pfarrei Boxberg de.n Pfarrv. Ludwig
Stockert in Gauangelloch.

KarsSruhe, 25. Oct. Die Organisation
der amtSgerichtlichen Staatsanwaltschaft hat
eine Veränderung dahin erlitten, daß das Jn-
stitut der sogen. Amtsgehilfen beschränkt wurde.
Jn den meisten Fällen wcrden jetzt sowohl die
Polizeianklagen, als auch die Sachen der eigent-
lichen Strafrechtspflege vor den Amtsgerichten
durch die Staatsanwaltschaften derjenigen Kreise
vertreten, welchen zu diesem Behuf besondere
Gehilfen beigegeben wurden. Man hat dadurch
die allerdings beeinträchtigte Einheit in dem
innern Organismus der Staatsanwaltschaft her-
stellen wollen, zumal nachdem sich gezeigt hatte,

entwicklung derselben. Mit einrr meisterhaft ge-
schrübenen Erzählung „Constanze" von Levtn
Schücking beginnt das Heft- Es scheint die erste
Frucht von Schücktng's vorjähriger italienischer Reise
ru sein, denn die Geschichte führt den Leser mitten
in daS künstlerische und sociale Leben Roms ein.
Von hervorragenden Beiträgen find weitcr zu nen-
nen: eine höchst kNteressante Abhandlung „Ueber
Sinnestäuschungen" von M. I. Schleiden; etn
sebr bedeutendrr Aufsatz des berühmten HistorikerS
Thiersch.über die englische Revolution, und eine
Abhandlung über „Hamlet" von Friedrich Bo-
denstedt, dem berübmten Dichter und Sbakspeare-
Kenner. Auck der Artikel über die Vulcane Süd-
amertka's mackt seinem Verfaffer, dem Naturfor-
scher und Wcltreisenden Moriz Wagner alle
Ehre. Ebenso find die kleineren Arbeiten von
Arthur Stahl, Ernst Förster, GenttllL
u. A sehr tntereffant, und die beigegebenen Zl-
lustrationen — es find dieSmal ganz besonders
viele und vorzügliche — tragcn dazu bei, dieseS
Heft reichhaltig und anziehend zu machen. Bei dem
Herannahen des WinterS, wo eine gedtegene und
unterhaltende Lectüre sür dte gemüthlichen Abende
in jeder gebildeten Familie erwünscht ist, dürften
„Westermann's Zllustrirtc Dcutsche Monatshrfte"
ganz besonderS zu empfehlen sein.
 
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