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Heidelberger Zeitung — 1865 (Juli bis Dezember)

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Nr. 205-230 September
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Ukidelbrrgtr Zrilung.

Kreisverkündigungsblatt für den Kreis Hcidclberg unü alntliches Äerkündigungsblatt für dic Aints^ und Amts-
Gerichtsbezirke Heidelbcrg und Wicsloch und den Amtsgerichtsbezirk Neckargemünü.


' Politische Umschau.

" Sehr bedeuisam ist der Jnhalt eincr Bro-
schüre, welche dcr ehemalige bclgische Minister
Dcchamps kürztich.heraurgcgeben hat. ES wird
hierin für Bclgien kaum ein anderes Schicksal
»orausgesehen, als entwedcr von Frankrcich
oder von Deutschland, d. h. wenn das Letztere
einmal cinig ist, annerirt oder getheilt zu wer-
den. Wenn diescS das Ende dcS vor etwa
3 Jahrzehnten neugeschaffencn KönigreichS sein
soll, so kommt man sreilich zu dem etwas jon-
derbaren Schlussc, daß die Belgier am Bcstcn
gethan hättcn, mit Holland vereinigt zu bleibcn.
Dann würde dieser, im Jnnern snr so liberal
geltende Staat nicht nach Außen eine so schwäch-
liche politische Rollc spi-len. Nkbrigens ist nicht
zu vergessen, daß es seinerzeit hauptsächlich die
ultramontanc Partei war, welche die Zerrei-
ßung der vcreinigtcn Niederlande mit Hilfe
Frankreichs dnrchsetzte.

Die „SchleSw.-Holst. Ztg." bringt folgcnde
scharfe Kritik über die Proklamation deS Hrn.
«. Manteuffel: Ein Vergleich der preußischen
und der österreichischen Proklamation drängt
sich schon von selbst auf. Jn dcr österrcichischcn
weht ein „Mailüsterl"; die Manteuffcl'sche läßt
keinen Zweisel, daß der „Winter unjeres Miß-
vergnügenS" da ist. Eincr bcsonderen Ver-
waltung ist Schleswig „überwiesen"; im ge-
wöhnlichen Leben „überwcist" man Schiffsla-
dungen , Waarenballen, Gcldpostcn, Biehheer-
den. Die „preußische Berwaltung schließt den
Gedankcn Gerechtigkeit in sich ein" — ver-
gleiche den eingeschlossenen May. Die „preu-
ßische Verwaltung jchlicßt den Gedanken öffent-
liche Ordnung einl' — vergleiche den nicht ein-
geschlossencn Grafen Eulenburg. Die „preu-
ßische Verwaltung schließt den Gedanken Be-
sirderung der allgemeincn Wohlfahrt ein" —
vcrgleichc die Theilung der Hcrzogthümer, ver-
gleiche Prcßzustände, Cominunalwesen, Mili-
tärfrage in Preußen selbst. Der „Gouverncur"
erwartet „Gehorsam gegen die Befehle Sr.
Majestät" — wir hoffen »orbehaltlich des Lan-
desrechts mid des Condominats. Der Gou-
»erneur erwartet „Vertraucn" — dcr Name
Mauteuffel hat in Schleswig-Holstein darauf
gauz bcsondern Anspruch. Hr. v. Manteuffel
»irspricht den SchleSwigcrn „volle Berücksich-
liguug ihrer eigenen Jntcrcssen" — arnicS
Schleswig! Die Sprache der Vergcwaltigung

Freitag, 22 September

ertönt schon; die Thaten der Vergewaltigung
werden bald genug folgen.

Die Regierung in Köln hat dic von der
Stadtverordnetenvcrsammlung gegen den Ober-
bürgermeister Bachem erhobene Beschwerde wegen
Nichtanberaumung einer von acht Mitgliedern
des Kollegiums zur Zeit dcs Abgeordnetenfestes
beantragten Sitzung, wie zu erwarten war, zu-
rückgewicsen. Als Grund wird augeführt, daß
der Gegenstand seine praktische Bedeutung ver-
loren habe, im Uebrigen auch die Regierung
sich nicht veranlaßt finde, das Verfahren des
Oberbürgermeisters zu mißbilligcn.

Aus Bcrlin wird mitgetheilt, daßchor einigeu
Tagen dort eine vertrauliche Versammlung libe-
raler Abgeordneter (Schulze-Delitzsch, Löwe,
Unruh rc.) stattgefunden habe, zu der auch
einige nicht dem Abgeordnetenhause angchörige
Liberale zugezogen waren, um sich über die
Frage zu berathen , ob man sich an dem am
1. October stattfindenden Abgeordnetentage zu
betheiligen habe oder nicht. Die Mehrzahl hat
sich für Nichtbetheiligung ausgesprochen!

Nach der „Hessischen Handesztg." waren am
18. in Darmstadt ungefähr vierzig der der
außersten Fraction der Fortschrittspartei ange-
hörenden Politiker aus verschiedenen Theilen
Deutschlands (Anhänger Eckhardt's) versam-
melt, um eine seste Organisation der demokra-
tischen Elemente herbeizuführen. Genanntes
Blatt hat Grund anzunehmen, daß man über
ein Programm sich nicht zn einigen vermocht
hat, und ift somit diese Versammlung resultat-
los geblieben.

Die vertagte kurhessische Ständeversammlung
ift auf den 30. September einberufen.

Der Ungarische Reichstag ist ebenfalls und
zwar auf den 10. Dezember berufen.

Deutschl», nd.

-s-* Bom Rheine, 21.Sept. Hr. Jakob
Lindau, der fahrcnde Ritter der neuen ultra-
montanen Kirche, hat gegen unsere Beurthei-
lung seiner unpatriotischen Handlungsweise auf
der Trierer Kirchenversammlung in Nr. 221
dieses Blattes gestern in dem Heidelberger An-
zeiger cine Lanze gebrochen und mit obscurer
Wiukelschreiberci, Phrasengeschrei u. a. um sich
gestoßcn. Hr. Meister Jakob, diese mächtige
Kirchensäule dcr Ultramontanen, der sich zu
Trier die goldenen Sporen mit einer Groschen-


Rede verdient hat, macht uns zum Vorwurf.
daß wir seine Rede teincs Groschen werth ge-
halten, uud folglich darüber geurtheilt hätten,
ehe wir sie gelesen. DieS ist vollkommen wahr,
und wärc der große Redner nur fähig, die
Dinge zu verdrehen und sein Kopf nicht bereitS
selbst verdreht, so würde er unsere ausdrückliche
Bemcrkung, daß wir aus derWirkung, d. i.
aus der von ihm hervorgerufencn Beschimpfung
unseres Landes und seiner Regierung, auf die
Ursache, also auf die Beschaffenheit sei-
ner Rede, den ganz richtigen Schluß gezogen
haben. Denn dieses große ultamontane Kir-
chenlicht sollte wohl wissen, daß die Wirkung
nichts ist als die andere Seite der Ursache,
folglich, daß die Pfui-Ausrufer, d. i. die Be-
schimpfer unseres Landes, in ihrem Gehalt
und Wesen gleich sind mit Jakob Lindau von
Heidelbetg. Daß aber Mei)tcr Jakob bereitS
ein würdiger Schüler seiner Lehrer ist und
vortrefflich versteht, jesuitisch zu entstellen,
zeigt schon der Anfang seiner Groschen-Rede.
Staatsrath Lamey hat nicht die Katholiken
Badens zum Abfall von ihrer Kirche aufge-
fordert, sondern er hat nur die Erwartung
auSgesprochen, daß die Katholiken Badens
sich nicht von einer kleinen Clique fanatischer
Kapläne, jüdischer Convertiten, Öommis vo^a-
Kouns und dergleichen werden meistern lassen
wollen. Er hat ferner nicht die „kirchen-treuen"
Kathvliken, sondern nur eine gewisse Sorte von
Katholiken, die Alles für baare Münze anneh-
men, was man ihnen vorschwatzt, als „Gim-
pel" bezeichnet; damit hat Staatsrath Lamey
nicht sein besondcres, sondern das allgemeine
Urtheil ausgesprochen. Wenn nun Meister
Jakob zu dieser Sorte von Katholiken zu ge-
hören glaubt, so ist dies natürlich seine
Sache. die er am besten verstehen muß. Wir
wenigstenS wollen mit ihm darüber nicht
rechten und ihm nicht widersprechen, so
wie wir überhaüpt mit seiner hohen Person
nichts zu thun haben. Wir bekämpfen bloS
die Sache, der er dient, und zwar darum, weil
sie an sich cine verkehrte und falsche, für unser
Baden aber und für die Jnteressen des reli-
giösen Lebens insbesondere eine grundverderb-
liche ist. Wir wiederholen: zu allen Zeiten hat
man es unter gesitteten und ehrcnhaften Menschen
für eine niedrige und unter Umständen verbre-
cherische Handlung gehalteu, das eigene Land
der Beschimpfung des AuslandeS zu übcrliefern.

Schutz gegen die Cholera.

Unter dem vorstehenden Titel bringt die „Köln.
Ztg." SeitenS der Commission des ärztlichen Ver-
k>ns in Köln eine Beantwortung der Fragc: Wie
foll man sich vor der Cholera schützen?, welche
kine Verbreitung in den weitesten Kreisen und eine

^holera selbst vielleicht weniger fürchtet, da in dem
Artikel Verhältnisse besprochen werden, welche auch
sonst, abgcsehen von jenem verheerenden Gaste, als
besonderS gesundheitsverderblich und krankheitför-
dernd betrachtet werden müffen. Wir geben nach-
stehend das Wesentliche des Artikels.

Es ltegt durchaus nicht außerhalb der Gränzen
der Möglicbkeit, daß die, wenn auch noch langsam
vorschrettende Krankhcit, wie in früheren Iahren,
auch in diesem ihren Zug durch Deutschland nimmt.
Nach allen bisher gemachten und bestätigten Erfah-
*ungrn ist es aber auch möglich, durch rine Reihe
an und für fich einfacher sanitätspolizeiltcher unb
diatetischer Maßregeln die Gefahren der Cholera

sast in ihrem Keime zu ersticken.

anderen schon in sauliger Zersetzung begriffcnen in
Verbindung kommen. Die größte Gefahr in diefer
Beziehung geht von gefüllten oder nicht vrdentlich
gereinigten Abtritten auS, namentlich von soge-
nannten Schlinggruben, in deren Nähe auch gar
lcicht das Wasser der Brunnen allmälig verdirbt.

Mit dem eben Gesagten kommen die Kölner
Aerzte auf eine Reihe von Uebelständen, dk fich
nicht bloß im alten Köln sinden, sondern mehr
oder weniger noch in den meisten Städten als daS
Resultat einer mehr als laren GesundheitSpolizei
vorhanden find neben localen Mißständen: enge
Straßen, enge, hohe Häuser mit gar keinem oder

kleinem, zur Aufbewahrung von Unrath aller Art
benutzten Hofraum; Mangel an Ventilation; un-
zweckmäßige Latrinen und in zu großer Nähe von
ihnen Brunnen; ungenügende Straßenreinigung;
Gossen ohne ordentlichen Abfluß; Kanäle ohne ge°
hörige Ausspielung und welche ihre schädlichen Gase
durch Abzugskanäle mitten auf die Straße auSströ-
men; alte Stadtgräben mit mephitischen Dünsten rc.

WaS daher die Aerzte KölnS als Sicherheits-
maßregeln aufstellen, die zur Abwehr einer Cholera-
Epidemie sofort getroffen werden müssen, ehc noch
der erste Cholerafall die Gemüther mit Furcht und
Sorge erfüllt hat, dürfte auch anderwärts beher-
zigenswcrthe Winke geben. ES sind folgende:

1) Strenge Revifion, eventuell sofortige Reini-
gung sämmtlicher Latrinen, namentlich der an öf-
fentlichen Orten, an den Schulen, in Casernen,
Fabriken rc. befindlichen. Von Zeit zu Zeit Des-
infcction an den öffentlichen, viel benutzten Ab-

mit Cement vcrputzte Gruben.

2) Sofortige Schließung t^er durch zu große
Nähe der AbtrittSgruben vrrdorbenen Brunnen.
 
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