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Heidelberger Zeitung — 1865 (Juli bis Dezember)

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Nr. 231-256 Oktober
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eidrlbkrgrr Ztilimg.

Kreisverküiwigungsblatt sür Ven Kreis Hcidelberg unb amtliches BerkündigungSblatt für üic Aints- und Aints-
Gerichtsbczirke Heidelbcrg und WicSloch und dcn Anitsgerichtsbezirk Neckargemüilb.

m 23«. Tamftag. 7. O-tober L8SS

Bestellungen nuf die „Heidelberger
Ieitung" nebst BeLlnge „Heidelber-
qer Famrlienblätter" für dns mit 1.
-October 188S begonnene Ä. Quartal
werden fortwäkrend angenommen.

Die Expedition

* Politifche Umfchau

* Nachdem die österreichische Regierung den
Ungarn gegcnübcr auf den Weg eingclenkt ist,
ven dicje wünschten, lassen sich nun auch die
Tschechen übcr das vernehmen. was sie „glück-
lich und opfcrbereit" machen würde, nämlich:
die AKinderung dcr Wahlordnung für den
böhmischen Landtag zu ihren Guusten, die Her-
steNuug der tschcchischi'N Kammer (d. h. die
Eiuverleibung Mährens und österreich. Schle-
srens und Begründung eincs sog. Generalland-
tags in Prag), endlich der AuStritt OesterreichS
aus dem deutschen Bunde (!) Lehtere Frage
wird jetzt in Prag mit grostem Eifer behandelt.
Den Staatsmäunern in Wieu wird von den
dortigen Organen eingeschärft, daß die tsche-
chische Frage ganz analog der uugarischen sei,
und daß sie naturgemäß auch nur so zur Lö-
suug gcbracht werden köune, wie die Lctztere. (?)

Dcr Wiener Correspondent der Jndependance
bclge theilt eine Analyse deS österreichischen
Ruudschreibens bezüglich des kaiserlichen Mani-
festes vom 20. Sept. mit, die wir hier mit-
theilen, weil sie das vollständigste enthält, was
über diescs Actenstück dis jctzt m die Ocffent-
lichkeit gelangte. Dasselbe ist gleichfalls vom
20. Sept. datirt, in Abwefcnheit des Grafen
Mensdorff vom UnterstaatSsecretär im Mini-
sterium der auswärtigen Angelegenheiten, Baron
Meysenbug, unterzeichnet und an die Vcrtreter
Oesterreichs im ÄuSlande gerichtet. Es wird
darin gcsag't, daß es nicht allein nothwendig
sei, die öffcntliche Meinung im Jnncrn dcs
Reichcs, sondern auch im Aus.lande aufzuklären,
wo man die Sachlage verkennt, und sich zu
unrichtigcn Urthcilen verleiten läßt. „Bemühen
Sie sich vor Allem," heißt es im Rundschrei-
ben, ^die allgemein vcrbreitcte Jdce zu be-
kämpfen, wclche darin bcsteht, die gegenwärtige
Eritschlicßung als das Signal zur Rückkehr zum
absolutcn Negime und als ein Aufgeben dcr
Grundsätze, welche dem Diplom vom 20. Oct.
zu Grnnde licgen, darzustellen. Es ist nur
eMe Art legislativcn Jnterregnums cingctrctcn.

Der Gedanke des KaiserS geht dahin, von
neuem und ausdrücklich das allen seincn Völ-
kern gewährte Recht, durch ihre gesetzlichen Ver-
treter an der Gesetzgebung und Finanzgebah-
rnng Theil zu nehmeu, zu constatiren." Hier
ergcht flch das Nundschreiben in zahlreichen
Erklärungen, um zu beweisen» daß die consti-
tutionelle Vcrtretung in Oestcrreich bisher nnr
! eine sictive war, und fährt dann fort: „Aber
indem die kaiscrliche Negierung in loyalster
Weije sich mit der Osthälfte des Reiches zir
verständigen sucht, fvlchergestalt die bestehenden'
Rechte achtend, ist es ihr doch nie in den Sinn
gekommen, die anderen Provinzen der Nechte zu
beraubcn, welchc ihnen vcrliehen worden sind.
Es ist also keine Zurücknahme der Verfassnng,
sondcrn nur eine zeitweilige Außerkrastsetzung
derselben, und man wird sich beeilen, so bald
als möglich zum normalen Znstande zurückzu-
kehren. Judem man stch an Ungarn wendet,
will man dahin gelangen, die versassungsmäßi-
geu Einrichtuugen durch die Uebereinstimmuug
Aller definitiv zu begründcn." Dcr zweite
Theil des Rundschreibens, der sehr lang ist,
erklärt den Mechanismus des weitcren und en-
geren Reichsraths, sowie ihre bezüglichen Nechte,
und bestrebt sich nachzuivcisen, daß es unmög-
lich gewesen, die Thätigkeit des engeten Neichs-
rathes fortbestehen zu lassen, während die des
weiteren aufgchoben war. „Franz Ioseph",
schlicßt das Schriftstück, „erläßt einen Aufruf
an die öffentliche Mciuung, damit der Loyalität
seiner Absichten Gerechtigkeit zu Theil werde.
Er will die Einrichtungen, wclche die ganze
Monarchie gleichmäßig umfassen sollen, auf
reeller und daucrhaster Basis begrüuden. Der
Kaiser wünschr, daß seine aufrichtigen und offe-
nen Worte übcrall gekannt und eingehend ge-
würdigt werden, und indem er sich unmittelbar
an seine Unterthanen wxndete, wollte er jeden
Zweifet über den wahrhaften Charakter der so
eben veröffentlichten Maßregeln beheben. —
Die Mitglieder deö diplomatischen Corps wer-
den schließlich angewiesen, den Negierungen, bei
welchen sie beglaubigt sind, dieses Rundschreiben
vorzulcsen.

Ueber die Schreiben der Herren Tweften
und Mommsen äußert ein Berliner Corre-
spondent der „Nhein. Ztg." u. a. Folgendcs:
„Was soll man zu solchen Erklärungcn sagen?
ES ist doch gar zu kläglich, daß die Herren
uns selbst erzählen, wie hohen Muth sie im

December 1863 gchabt, als es sich barum han-
delte, eine Kundgebuug vou ganz Deutschland
für Schleswig-Holstein zu Stande zu bringen,
daß sic aber jetzt keineu Muth mehr besitzen,
sich der preußischen Machtcntfaltung 'entgegen-
zustellen, weil die Mittel- und Kleinstaaten vor
Prcußen zurückgewichen sind unv anf dem Bun--
deStag Bankerott gemacht haben. Diese That-
sache ist nicht zu leugnen, die Macht hat daS
Recht beseitigt, das nur um den Preis eineS
Bürgerkrieges zu crhalten gewesen wäre. Aber
gerade deßhalb handelt es sich jctzt darum, die
Sache des Nechtcs vom Standpunkte der Na-
tion gegen die deutschen Großmächte zu führen,
und wcnn Twesten uud Mommsen sich weigcrn,
dies zu thun und lieber zü Hause bleiben als
nach Franksurt zu reisen, um nicht den Bruch
zwischen Süddcutschland und Norddeutschland
zu vermehren, so danken sie damit ats deutsche
Äbgeordnete ab:sie können nur preußische
Dcputirte sein und geben dann auch als solche
einen sehr kümmerlichen prcußischen Sonder-
geist kund. . . .

Die Berliner „Prov.-Corresp." äußert sich
über das österreichische Kaisermanifest wie
folgt: „So ist also die bisherigc Gesammt-
verfaffung suSpendirr! Der Schwierigkeiten
bei dcm östcrreichischen Pcrfaffungsbau sind
aber so viele. daß ein baldiges Wiederaufleben
einer gemeinsamen Neichsvertrctung für die
Gesammtstaatcn schwcrlich zu crwarten ist.
Das Schicksal der österrcichischcn Rcichsver-
fasiung ist ein neuer Beweis, daß Vcrfas-
sungen, die nicht naturgemäß aus dcr Ent-
wickelung und der Bedingung des Volkslebens
hervorgegangen, sondern nach den Lehren des
Zeitgeistes zurechtgemacht worden sind, weder
Bestand noch Scgen haben.

Bezüglich der Löfung der schleswig-holsteini-
schen Frage meint ein Wiencr Correspondent deS
Fr. I., daß der Gasteiner Vertrag noch nicht
Oesterreichs letztes Wort in der Herzogthümer-
frage gewesen sei, besonderS dann, wenn es
den hier gegenwärtig so prädominirenden
ungarischen Einflüffen gelingen sollte, das
eventuell frei werdende Portefeuille des
Aeußern in die Hände eines dcr ungarischen
Nation angehörenden Diplomaten zu spielen.
Wie es heißt, hätte Graf Moritz Esterhazy,
der gegenwä'rtige Minister ohne Portefeuille
und eigentliche Hauptfaiseur des ganzen im
Jnnern eingetretenen Umschwungeö, mehr

Schwurgerichtsverhandlungen.

Mannheim, 2. Oct. Bei der heute stattgeyub-
ün Eröffnung der ScbwurgericktSsitzung für das
3- Vierteljabr hajten fick sämmtliche Hauptgrschwo-
ttnrn eingefunden bis anf einen, dcr inzwischen
drm badiscken Staatsverbande ausgetrctcn ist.
Zux Verchandlung kam die Anklage gegen Mathias
^bner von Nußlock und Stabel von Gadern
(im Großherzogthum Hcssen) wegen Raubs'. Die
Anklagc war dahln grricktct, daß Stabel und
^bner am 10. Inni d. I. in Folgr vorausgegan-
gkNcr Verabrrdui'g den Wrber Friedrick Daub-
wann von Hejligkreuzsteinack auf deffen Heimwrg
v°n Heidrlberg aus überfallen, durch Stockschläge
"N srinem Körper verletzt und dems.lben srin Geld
^ Brtrage von 5 st. 33 kr. abgenommen habcn.
«bner war geständig, daß rr das Geld, das in
rinem Grldtaichcken sich befand, an sich grnommen
babe, nackdrm dasselbe aus dcr Tascke drs in trun-
unem Znstande zu Boden gestürztcn Daubmannn
bffallrn sei, pnd Stabel gab zu, von dem Gelde
ourck Ebner erhalten zu haden. Die Anwendung
Üätlichrr Grwalt, so wtr die gemctnschastliche Ver-

abredung strlltrn heute Beide in Abrcde, und der
Vrrtheldiger des Stabcl, Hrrr Anwalt UUrich,
sucktr auszuführen, daß kein Raub, soudern nur

vorltege, während der Verthcidiger deS angrklagten
Ebner, Herr Anwalt Wengler, auf die Vertheidi-
gung verzichtrte. Auf Grund der eidltchen Angabe

die Snmme des entwendrten Gcldes unbestimmt.
Das Urtheil deS Gerichtshofs sprach sodann gegen
jeden drr Angrklagten eine Zuckthausstrafe von
3 Jahren oder 2 Iahren in Einzelhaft, gegrn Ebner
Stellung unter polizeilickr Aufsicht auf 1 Iahr und
grgen Stabel lebenslangliche Landcsverweisung aus.

Der Pariser „Monde" erzählt fokgenden Fall,
dcr jetzt zur grrichtlichen Entscheidung gelangen
soll: Ein Hrrr C .. . hatte in drr Rue St. Ho--
uore in Paris ein Kaffeehaus etablirt und eine

herbeizog, aber auch ihrem Manne Vedcutend Anlaß
! zur Eifersucht gab. Der eheliche Himmel bedeckte
l sich mit sckwarzen Wolken; es kam taglick zu Zank
^ und Strrit und schlirßlich fand man eines Tages
am Ufer der Seine die Kleider des verzweifelten
! Ebemannes und einfn Brief, in dem er sein ehe-
llckes Unglück schilderte und Abschied von seinen
Freunden nahm. Man hielt fick überzeugt, daß
hier ein Selbstmord stattgefunden habe. Die Wittwe
! trauerte, heirathete aber nach einiger Zeit den rrtcken
! Inhaber eines Parfümeriegeschäftes, mit dem fie
sehr glücklick lebte. Wie groß war daher eines
Tages ihr Schrccken, als ein elrgänt grkleideter
Hrrr, in vem fie trotz zehnjähriger Trennung den
todtgrglaubten Gatten erkannte, in den Laden trat.

nicht wrnig verblüfft, als drr ihm Ünbrkannte ältere
Rechte geltend mackrn wolltr. Von den Worten
kam es zu Tbätlichkeiten, die damit endeten,.daß
zunächst dic Polizet einschritt. Dir weitere Austra-
gung drS Etreites soll nun vor Gcricht erfolgen.
 
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