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Heidelberger Zeitung — 1865 (Juli bis Dezember)

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Nr. 178-204 August
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ndtlbkrgcr Zkilung.

Kreisverkündigmigsblatt sür dcn Kreis Heidelberg'und aintliches Berkündignngsblatt für dic Amts- und Amts-
Gerichtsbezirke Hcidelbcrg und Wicsloch und den Aintsgerichtsbezirk Neckargemünd.

R 188


Sonntag, 13 August


^ Die Zorm der Cinheit Deutsch-
lands.

II.

Bezüglich der Entstehung des französischen
Centralstaates dürsen wir auch nicht unbeachtet
lassen, daß in Frankreich das römische Element
seit Casarö und Augustus Zeiten das überwies
gende wurde; daß nicht nur ein bedeutender
Theil des heutigen Frankreichs cine römifche
Provinz wsr, sondern daß auch römische Ka-
stelle und Besatzungsposten durch beinahe ganz
Gallien hindurch, insbesondere längs deS Rhei-
nes bis nach Belgien vertheilt waren. Die
Römer abcr brachtcn die Erinnerungen an ihr
Kaiserthum mit und neigtcn sich mehr einem
Centralftaate zu, wogegen die Deutschen, allen
äußeren und inneren römischen Einfluß von
stch abwehrend, cifersüchtig an ihren auf die
Stammesverhältnisse basirten Rechten und Frei-
heiten festhielten. Das entschiedcne Ueberge-
wicht des römischen Elementes in Frankreich
über das fränkisch-dcutsche schon im Jahre 842
wird uns durch eine aus jener Zeit ausbcwahrte
Urkttnde bezeugt, die einen feierlichcn Eidschwur
cnthält, durch welchen die beiden königlichen
Brüder, Ludwig, später der Deutsche genannt,
und Karl dcr Kahle, dessen Rcich in dem rö-
misch-gallischen Bezirke lag, sich gegenseitige
Trcue gelobten. Da auch die bciderseiligen
Kriegsheere diesen Eid schwören mußten, so
wurde er in den zweierlei Sprachen abgefaßt,
wie sie einem jeden der zwei Volkstheile ver-
stänolich waren: der für das Heer Ludwigs
bestimmte in der fränkisch - deutschen, der dem
Heere Karls zugedachte in der lateinisch-roma-
nischen Sprache. Obgleich alfo Frankreich frühcr
ebenfalls von Franken, also von Deutschen, be->
wohnr war und nach ihnen benannt wurde, so
standen sich im neunten Jahrhunderte in dem
früher einheitlichen Frankenreiche, welches nur
in ein ostfraukisches und westfränkisches gespal-
ten war, zwei Völker einander gegenüber, die
sich nicht mehr verstanden und eine ganz ver-
schiedene Sprache redeten.

Warcn also in Frankreich die verschiedenen
Stamme dcr Völker mit einander verschmolzen
und bildeten sie eine neue Sprache und Volks-
gemeinschaft unter eincr gemeinschaftlichen Ver-
tassung, so bewahrten fich dagegeu die deutschen
Dölkerstämme, ungeachtet ihrcr gemeinsamen
Abstammung, ihreit besonderen Stammcharakter

Karlsruhe, 6. Auczust. Jn Fvhze des Abschlusses
eines neuen Postvertrags ist seit 1. August d. I. die
Tare sür den frankirten Brief nach Dänemark auf

Drucksachen unter Kreuzband, worüber die großh. Post-
austalten auf Vertangen nähere AuSkunst ertheilen. Die
Correspondenz nach Dänemark erreicht mit dem Schnell-
zug ab Heidelberg vi» Lübeck - Korsdr in 44 Stuuden
Kopenhagen rknd trisft von da nach 42 Stunden mit
dem Schnellzug in Heidelberg ein.

Wien. Nach Professor Schofka's neuester Wet-
terprophezeihung werden wir im August d. I. am
4., 6.. 11., 14.. 17., 22.. 26. und 31. Regen oder
doch Gewitter haben. Sie dürften meisr an den
genannten Lagen, mitunter auch einen Tag früher
oder später kommen; auSbleiben werden bei uns
kaum zwei, eher kommcn einige mehr; dafür wcr-
den alle wahrscheinlich nicht sehr ergiebig ausfallen,
weil die Atmosphäre zu trocken ist. Regenfreie
Tage kanzz man am fichersten erwarten, am 12.,
16. und 28. Auguss. Jm Allgemeincn prophezeit

und fixirteu deuselbcn unter gesonderten Ver-
fassungen und Stammesfürsten mit der Zeit
so fehr, daß an eine unterschiedslose Einheit
kaum mehr zu denken ist. Selbst das bie ver-
schiedenen L>tämme umfasscnde deutfche Kaiser-
thum mußte dieses Keschichtlich festgestellte Ver-
hältniß anerkennen; es hatte scine Existenz dem
freien Zusammenwirken der Churfürsten zu
verdanken, nnd die nach Centralisirung lüsterne
Mißachtung dieses Verhältnisses hat allmälig
dLssen Austösung herbeigeführt. Man kann dies
beziehungsweise vedauern, weil durch die Auf-
löjung oieses Bandes die Zersplitterung einc
gewisse Berechtigung erhielt und sich fixirle;
allein der Geist der Zeit drängte eben allmälig
in vorbereitender Weise zu einer anderen Vcr-
einigung, in welcher die Einheit sich mit der
Besonderheit und Freiheit zu vermitteln hat.

LXc Bildung des französischen Centralstaates
wurde ferner dadurch ermöglicht oder erleichtert,
daß Frankreich eine Hauptstadt besaß und noch
besitzl, die durch ihre Größc und durch die in
ihr sich concentrirende Bildung einen beherr'
schenden Einfluß anf dip.. m allen Beziehungen
zurückgebliebenen Provi^en ansübte. Noch
heute geht Frankreich in Paris auf, von wel-
chem alle sreiheitlichen, wic alle reactionären
Bewegungen ausgehen und die Provinzen in
ihren Strudel ziehen. Andcrs ist eö in Deutsch-
lanb, wo von jeher eine größere Anzahl von
Städlen den Mittelpunkt einzelner Staaten-
complexe bildeten, die von ihnen beherrscht wur-
den und von wo aus sie durch geistigen Auf-
schwung und durch eine Vereinigung sonstiger
günstiger Umständc auch einen Einstuß auf
weitere Kreise, selbst auf die größeren Staaten
gewannen. Mit Einem Wizrt: in Deutschland
waren die geistigen und materiellen Kräfle von
jeher Lerthcilt, und kein einzelnec Staat, noch
weuiger eine einzelne Stadt konnte einen Ein-
fluß gewinnen, welcher den Weg zu einem Cen--
tralstaate zu bahnen geeignel gewesen wärc; es
wird niemals dahin kommen, daß Wien in
Berlin oder München in Dresden aufgehe,
oder umgekehrt. Oesterreich schien einmal seit
dem Jahre 1814 bis 1848, wenn auch nicht
im besten, ovch im factijchen Zuge zu scin
(durch die Metternich'fche Politik, in wclcher
Dchlauheir sich mit Geivaltthätigkeit vereinigte),
das Rudcr von Deutfchland in seine Hände zn
bekommen; allein diejelbe Politik, die es in den
Zeiten der reactionären Strömung emporge-

Prof. Schofka, daß von den nächficn Iahren nur
1866, 1869 und 1872 bei uns etwas kühler, mit°
hin auch feuchter ausfallen werden, als im Mittel,

das Postamt, um den gesetzlichen Zuschlag zu mo-
tiviren, setzt auf den Brief dte Worte: „Langt
nicht!" Tags darauf läuft bei'm Postamt folgen-
des Schreiben ein: „Königliches Postamt! Muß
ich ein- für allemal bitten, fich nicht in meine Pri-
vatsachen mischen zu wollen. Denn was geht eS
daffelbe a'n, daß bei mir 22 Gulden nicht langen?
Das Postamt zahlt mir meine Schulden ja doch
nicht, und drßhalb muß ich mir jede unnöthige
Bcmerkung verbitteu'. Forstpraktikant S."

hoben hatte, mußte es auch, weil ihr das Ele-
ment der Freiheit und der zeitgemäßeu Ent-
wicklung fehlte, um so schnellcr stnrzen, nach-
dem ein Umschlag der Dinge eingctrcten war.
Metternich selbst war noch kurz vor seincm
Tode zu der Erkcnntniß gekoinmen, daß sich
jein System ausgelcbt habe, uno gab mit schon
sterbendem Munde den zu spät gekommenen
und jetzt nicht mehr beachtetcn Rath, audere
Wege einzuschlagcn. Wenn in der ueuesten
Zeit, an dcs durch eigene Schuld verkommenen
Oesterreichs Statt, Preußen die Aussicht auf
eine Hegcmonie Deutschlands hatte, so hatte es
dies der geistigen Bildüng, die es zu fördern
bestrebt war, und den, wie es eine Zeit lang
schien, aufrichtigen Bemühungen für die Hebung
der Ehre und Stärke des Vaterlandcs zu ver-
danken. Allein seine jetzige Regierung hat alle
Jllusionen zerstreut, und Preußen wird, wenn
es auch darnach streben sollte, unter Bismarck
zu einer die Selbstständigkeit und Freiheit der
Eiuzelstaaten vernichtendcn Centralgewalt nie,
oder doch nicht aus die Dauer, gelangen. Ein
preußisches Kaiscrthum ist jetzt so unmöglich,
wie cin österreichisches, gewordcn; die deutsche
Kaiserzeit scheint überhaupt anf immer vorüber,
und der „Rothbart" wird sein Grab nicht mehr
verlassen.

* Potitische Umfchmi.

Die Nachricht der „Timcs" über einen an-
geblichcn Beschluß Oesterreichs, die Sache des
Augustenburgers aufzugeben, wird als unbe-
gründet bezeichnet.

Die „Jtalie" stellt die von dcr „Patrie" ver-
öffentlichten Nachrichten Betreffs der Gesinnun-
gen Oesterreichs und Jtaliens in der Frage
der Anerkennung Jtaliens absolut in Abrede.

Jn der Provinz Preußen siud, wie das
Sack'sche Schulblatt meldet, ctwa 200 Lehrer-
stellen unbesetzt. Eine jolche Thatsache spricht
deutlicher als alle Wortc für die unaufschieb-
bare Nothwendigk^t, die Gehalte dcr Volkser-
zieher den Zeitbedurfniffen gemäß zu regeln.

Jn Oberhessen macht sich eine betrübende
Answanderungslust nach Amerika geltend, uud
es ist gewiß dringlich an dcr Zeit, sowohl die
nöthigcn Reformen in der socialen Gesetzgcbnng,
als auch größere und leichtere Verkehrswege ins
Leben lreten zu lassen. Jn welchem Maße die
Auswanderung nach den Vereinigten Staatcn

(M attkrhorn.) Nack dem „Gcnf. Journ."
hat sLon eine zweite Besteigung deS Matterhorns
stattgefunden. Ein Engländer, nach Andern ein
Italiener hat mit 4 Führern von Breuil und Val
Tournanche nach mehrtägigem Suchen eines gün-
stigen Zuganges am 17. Iuli den Gipfel erreicht;
3 Tagc nach der Katastrophe, welchc die erste Be-
steigung begleitete, wurde das Matterhorn also
noch von einer andern Seite und mit ganz glück-
lichem Erfolg bezwungen. Dic auf der Spitze auf-
gepflanzte Fahne wurde von Zermatt aus deutlich
crblickt.

Die Nachricht der „A. A. Z.", Lenau's Braut
sei gestorben, ist unrichttg. Die verstorbene Fräu-
lein Thekla Behrends war die Eoufine der noch
lebenden Braut Lenau's, Fräulein Marta Beh-
renbs.

Dcr letzte Officier der alten Garde,
welcher' Napolcon l. nach der Jnsel Elba folgte,
General Laborde, Gouverneur des Lurembourg-
palastes, ist 84 Iahre alt gestorben.
 
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