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Heidelberger Zeitung — 1865 (Juli bis Dezember)

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Nr. 152-177 Juli
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ri-tlberger Zrilung.

KrcisveMndigungsblatt fiir üen Kreis Hciüclberg unü amtlichcs Berkünüigungsblatt für die Aints- und AmtS-
Gerichtsbezirkc Hcidelbcrg und Wicsloch nnd den AmtsgerichtSbezirk Neckargemünü.


Dienstag, 23 Zuli


* Politische Nmschau.

* Die Spannung zwischen Ven Cabinetten
von Berlin und Wien hat allmälig einen sol-
chen Grad erreicht, daß selbst sonst Vertrauens-
volle schwarz in die Zukunft sehen. So wäre
denn — wie anzunehmen ist — das von einem
großcn Theile der Presse längst vorausgesagte
Ende der Allianz zwischen Preußen und Oester-
reich cingetrcten, und es fragt sich nur, wohin
wird diese Spannung, wie man jetzt das scharfe
Gegenüberftehen der Alliirten nennt, führen?
Wenn man die Andeutnngen von Berlin aus,
welche von einer sehr schroffen Wendung der
Dinge sprechen, und sogar mit einer gewiffen
Ostentation auf die Ausrüstungen der preußi-
schen Festungen hinmeisen, betrachtet, so möchte
man fast an den Ausbruch eines Krieges zwi-
schen Oesterreich und Preußen glauben, in wcl-
chen naturgemäß ganz Deutschland hineinge-
zogen werden würde. Bei weitem nicht so krie-
gerisch, wenn auch eben so feindselig, lauten
die osficiösen Nachrichten aus Wien. Man
will dort die von Berlin her drohenden Ge-
fahren mehr auf politischem Wege paralysiren,
und vor Allem will man ganz energisch sein
Recht und seine Stellung als erste Großmacht
Deutschlands zur Geltung bringen. Diese Aus-
führuvg hat den Vortheil, daß ste, wenn auch
nicht kriegerisch, doch sehr deutlich ist. Oester-
reich hat diese seine Absicht nie außer Augen
gelassen, nnd hat, seitdem seine Versnche, den
Abschluß des Handelsvertrags mit Frankreich
zu hintertreiben, mißglückt sind, das verlorene
Terrain inzwischen wieder schrittweise zu er-
obern gcsucht. Den ersten Sieg hat es bei
diesem schrittweisen Vorgehen durch den Abschluß
des vielbesprochenen Handelsvertrags mit dem
Zollverein errungen, einen zweiten gedenkt es
durch Verhinderuug des Handelsvertrags mit
Jtalien zu erkämpsen. Ein weiterer Sieg Oester-
reichs, auch auf politischem Felde, z. B. in der
Schleöwig-Holsteinischen Sache, dies wäre für
Preußen, mit einem allgemein verständlichen
Worte ausgedrückt — Olmütz! Die Vorberei-
tungen zur Jnscenesetzung eines solchen zweiten
Olmütz scheinen von österreichischer Seite mit
Energie getroffen zn werden, und schon so weit
vorbereitet zu sein, daß der Bismarck'schen Po-
litik die Abwendung einer solchen Gefahr für
Preußen kaum zuzutrauen ist. Mittlerweile
haben sich die Wolken wieder etwas verzogen.

Das „Dresdener Journal" bezeichnet die
Nachricht, daß die HH. v. d. Pfordten und v.
Beust in Leipzig die Triasidee besprochen und
den eingetretencn Verhältnissen entsprechend mo-
dificirt hätten, und daß sie einen Bund deut-
scher Mittel- und Kleinstaaten unter der Be-
zeichnung „Vereinigte Staaten von Deutsch-
land" anstrebten, — als thatsächlich unbe-
gründet.

Jn Bcrlin sind folgende Broschüren verboten
worden: „Die Aussaugung der Herzogthümer
Schleswig-Holstein" und „Sachscn und Coburg
gegen Streit und Struve." — Die AuSweisung
des Schriftstellers Liebknecht aus Berlin ist vom
Minister des Jnnern bestätigt worden. Auch
dem Redacteur des „Social-Demokrateu", Hrn.
v. Hochstetten, ist die Niederlassung in Berlin
versagt worden. — Die Nr. 96 des „Social-
Demokrat" ist heute ohne Angabe von Gründen
polizeilich mit Beschlag belegt worden.

Verschiedene Kölner Correfpondenten melden
daß Telegramme, die nur Thatsachen berich-
teten, wegen „Unzulässigkeit des Jnhalts" (!)
vom Telegraphenamt zurückgewiesen wurden.

Der nassauische Landtag ift auf den 7. Au-
gust zusammenberusen worden.

Jn Alexandrien hat die Cholera fast ganz
aufgehört und in Konstantinopel ist sie im Ab-
nehmen begriffen.

D e n tsch l a n d

— Bom Rhein, 21. Zuli. Die Süd-
deutschen sind doch ein gemüthliches Volk, und
sclbst an ihrer Opposition gegen die Regierung
haftet eine gewisse loyale Anhänglichkeit an
die die Regierung vertretenden Personen, die
es nicht zu einem Bruch mit denselben kom-
men läßl, sondern es vorzieht, von einer stand-
haften Verfechtung der eigencn Ueberzeugung
abzustehen. Als vor ciniger Zeit in der wür-
tembergischen Kammer sich einc Differenz der
Ansichten derselben mit denen des Ministers
v. Varnbüler bezüglich der Böblinger oder
Leonberger Linie der Eisenbahn ergab, wobei
dem Minister sogar eigennützige Beweggründe
vorgeworfen wurden, bedurfte eS nur einer
Andeutung des letzteren, daß er seine Ent-
lassung nehmen werde, um die Kammer zur
Nachgiebigkeit zu stimmen. Eine ähnliche Dro-
hung von Seite des Ministers Bismarck
hätte in der prcußischen Kammer unstreitig

den entgegkngesetzten Erfolg gehabt; denn
hier hat alle Gemüthlichkeit aufgehört, und
beide Theile sind von der Ueberzeugung durch-
drungen, daß eine Vereinbarung unmöglich ist,
daß nur durch einen vollständigen Bruch ge-
holfen werden kanu. Da aber der Herr von
Bismarck ein so starkeS Gefühl von seiner
Weisheit und Unentbehrlichkeit hat. daß er in
keine so schwachmüthige Bescheidenheit, wie der
würtembergische Minister, versinken kann, so
wird Nichtö übrig bleiben, als daß auch das
preußische Volk und seine Vertreter ihre ab-
weichende Ueberzeugung und ihr gutes Recht
mit allen ihnen zu Gebote stehenden verfas-
sungsmäßigen Mitteln vertheidigen und ihre
Kräfte mit denen des Ministers in offenem
ehrlichen Kampfe messen. Wenn dies geschieht,
so kann es nicht zweifclhaft sein, auf welche
Seite sich der Sieg neigen wird; es wird sich
vielmehr bald ergeben, daß das ernstlich ver-
fochtene verfassungsmäßige Recht stärker ist,
als die Selbstvermessenheit, die nur auf äußer-
liche Gewalt trotzt. Besser ist es aber jeden-
falls, wenn es in einem Staate nicht zu die-
sem Aeußersten kommen muß; und darum
glauben wir, daß es die schwäbische Milde und
Versöhnlichkeit weiter bringen wird, als die
preußische Vergewaltigung, die, weil sie eine
Gegengewalt herausfordert, nur zu einer Ent-
scheidung durch ein „Entweder — Oder"
führen kann. Das Kölner Fest scheint das
Vorspiel zu diesem Entscheidungskampfe zu
liefern.

Lörrach, 16. Iuli. Die Frage der Ge-
haltserhöhung der Volksschullehrer, schreibt die
„B. L.-Z." ist schon vielfach und von verschie-
denen Gesichtspunkten beleuchtet worden. Sie
wird durch die von unserer Regierung beab-
sichtigte Vorlage an die Stände in wenigen
Monaten ihrem Ziele um einen bedeutenden
Schritt näher kommen. So gerecht und dan-
kenswerth es ist, wenn in der Sache der noth-
dürftigsten Heranbildung des Volks die Gesammt-
heit Ler Steuerpflichtigen, also der Staat selbst,
die Hauptlast auf die Schultern nimmt: so sehr
ist doch zu bedauern, daß ein anderes HilfS-
mittel, die Erhöhung des Schulgeldes, jedesmal,
wenn davon die Rede ist, ohne Prüfung mit
dcr kurzen Bemerkung abgefertigt wird: „das
könne man den Eltern nicht zumuthen." Die
Feinde der VolkSbildung habcn die Schulgeld-
frage sogar als Gespenst benützt', um die Be-

Vom deutschen Schützenfest.

Von 8. VV.

Vom Schießen. — Am Gabentempel.

Bremen, 20. Tult.

Sintemalen wir cin Schützenfest beschreiben, so
werden die schützenfreundlichen Lcser nichts dawtder
haben, wenn wir auch kinmal vom Schießen reden,
was denn schlirßlich bri einem Schützenfeste doch
dte Hauptsache ist. Nickt für die Schützenbrüder,
denn diese wissen es besser als wir selbcr, als viel-
mehr besonders für die Schützenschwestern, Schützen-
vater und Schützentanten sollen einige Bemerkungen
zur allgemetnen Oricntirung hier folgen, damit fie
einigermaßen su ksit sind, wenn der Telegraph die
Kunde bringt, daß bei dem edlen Wettspiele der
ausgezogene Liebling „im Kelde" oder „im Stanke"
seinen Becher herausgeschoffen habe oder dergleichen
mehr.

Folgrn Sie unS also in die Schießstände und
laffen Sie fich vabei das deutsche Schtrßwesen in
den äußerstrn Ümrissen erklären. Die Sckießhalle
M 1800 Fuß lang und tn ihr retht fich Schirßstand

stoßen Sie, dem histortschen Vcrlauf jedes Schusses

Aufsetzen des Zündhütchens. Dann kommt die
Bank, wo die Schützen warten, bis ihre Büchsen
an die Reihe kommen, dann der Stand, wo die

ber, der vor seinem Telegraph oder vtelmehr jetzt,
da der Telegraph nicht zeigen wollte, vor seiner
Schelle sitzt, und zu seiner Seite der Platz für den
zielendcn und schießeuden Schützen. Dieser ist durch
eine lange, lange Allee, die mit kletnen Tannen
eingefaßt ist, von seinem heiß ersehnten Ziele ent-
fernt, unb daber kommt es auch, daß nicht jede
Kugel an dem Punkte etntrifft, an den er fie diri-
girt zu haben wähnt. Am Ende dieser Allee stehen
die Scheiben, unter denen in einem Graben die
Zeiger fitzen, um die Güte oder Schlechtlgkeit drr
gefallenen Schüffe anzuzeigen. Geht an der ge-
schossenen Scheibe rin irrwisckartig aus der Tiefe
auftauchrnder Löffel verächtlich einigrmal herüber
und hinüber, so ist Nichts getroffen und der Schütze

einen neuen Schuß, auf den er bessere Hoffnungen
setzt, schußfertig zu machen. Jst Etwas getroffen,
so sucht der Löffcl einige Zeit und bleibt dann an
der glückbringenden Stelle haften, worauf die
Scheibe heruntertanzt, um fich ihre Wunden heilen
zu lassen und einer anderen Platz zu machen.

Dte Schetben werden nun eingetheilt in Stand-
und Feldscheiben. Die Standscheiben zeigen auf
einer Distanz von 600 Fuß theils auf weißem Felde
einen schwarzen Kreis, theils umgekehrt. Von die-
sem Kreise nun ist ein kleinerer innerer Krets von
12 Eentimeter das Trefferfelb, das sogenannte
Blättchcn. Wer 32 solcher Blättchen geschoffen hat,
gewinnt einrn Becher. Bei dtesem Gewinne heißt
es jedoch ebenfallS, wie im „Freischütz": „Glaubst
Du, dteser Adler sei Dir geschenkt?!" Da der
Schuß 6 Grote oder 10 kr. kostet, sd verschießen
die meisten Schützen mehr alS der reelle Werth dcs
Bechers (16 Goldthaler oder 32 Gulden) beträgt,
ja oft den drei- und vierfachen Bctrag deffelben,
und nur ganz auSerlesenen Sckützen, wie z. B.
dem Schweizer Knuti, drr regelmäßig Blättchen
schtcßt und am Montag schon nach zwei Stunden
 
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