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Heidelberger Zeitung — 1865 (Juli bis Dezember)

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Nr. 205-230 September
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https://doi.org/10.11588/diglit.2786#0261

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Wdelbtrgrr«

KreislieÄndigmgsblatt sür den Kreis Heidelberg und amtliches Berkündigu
Gerichtsbezirke Heidelberg nnd Wiesloch und den Amtsgerich

Icilung.

ngsblatt für die Autts- und Amts
tsbezirk Neckargemünü.

Rl- 212

Samstag» S September

18«S.

Zur Feier des 9. September.

Der Fürst, dcr ein warmes Herz für sein Land, und ein klares Vcrstandniß sür sein Volk und dessen Wohlfahrt hat, isi die Ehre deS
Landes, und sein Wiegenfest wird für dessen Bewohner, so oft es wiedcrkehrt, ein Fest der Freude und des Dankes sein.

Mit solchen Gefühlen, die nicht aus eitler Lobspeudung, sondcrn aus gebührender Ancrkennung der Thatsachen entspringen, feiert
heute das badische Volk das Gcburtsfest seines Fürsten.

Großherzog Friedrich hat sich als einer der edelsten fürstlichen Träger deutschen Geistes erwiesen. Für die deutsche Sache, für eine
bessere Zukunft, des Gesammtvaterlandes, hat er allezeit mit vollster Opferwilligkeit und Entschiedenheit, aber auch mit klarster Besonnenheit und
Einsicht in das, was hier das Nothwendige ist, gewirkt.

Es kann nicht zweifelhaft erscheinen, daß, wcnn anderwärts in Deutschland von Oben nur halbwegs Aehnliches geschehen wäre, die
Wiedergcburt dcs gemeinsamen Vaterlandes nicht mehr zu den bkoß frommen Wünschen gehörte.

Um so tröstlicher ist für uns der Blick auf das Gebiet, auf dem der Geift, der Uusern Fürsten beseelt, unbehindert und freier hat
schafsen können.

Ünser Land ist unter Großherzog Friedrich in eine neue Phase der Entwickelung getreten. Unter der treuen Pflege dieses Fürsten
erfüllt sich eine Neuschöpfung unserer öffentlichen Zustände,auf Grundlagen, die für eine freie Entwickelung aller Mächte unerläßlich und für
ein gesundes, menschenwürdiges Staatsleben unentbehrlich sind. Solche Anerkennung wenigstens wird Unserem Fürsten und Seincr Regierung
von allen urtheilsfähigen und ehrlichen Männern und Freunden freiheitlicher öffentlicher Zustande im Jn- und Auslande aufrichtig dargebracht.

Wir Badener selbst aber wissen, daß wir hierbei gerade der' edlen Persönlichkeit UnsereS Großherzogs, der festen und muthigen
Ueberzeugungstreue dieses fürstlichen Kämpfers im Dienste der berechtigten Jdeen der Neuzeit, das Meifte und Beste zu verdanken haben,
und daß die Jnitiative in dieser Richtung meist von Jhm Selbst ausgeht.

Wir sind eben daran, das wichtigste Werk seit Begründung der Verfassung in Ausführung zu bringen, nämlich die neue Organisation
unserer gesammten innern Verwaltung, die den Bürger zur Theilnahme am öffentlichen Leben nach dem Grundsatz der Sclbstregierung in einer
Ausdehnung beruft, wie dies zur Zeit in keinem andern Staat des Continents, die Schweiz auSgenommen, der Fall ist.

Diese weitgreifende Resorm, die erst in Wahrheit cin freies bürgerliches Gemcinwcsen schafft, darf recht eigentlich eine Schöpfung UnscreS
Großherzogs heißen, zu der Er sich durch Seine Beobachtungen deS öffentlichen Lebens in England und Belgien begeistert halte, und für deren
ungeschmalertc Durchführung gerade Sein Wille die Entschcidung gab. Gewiß zeigt sich gerade hierin das charaktetistische Gepräge der
edlen Geistes - Signatur Unseres Fürsten.

So ist die Regierung dieses Regenten in der That ein lichtvolles Blatt in dcr ncuern Geschichte DeutschlandS, auf das wir Badener
mit dankbarer Liebe und Treue, die deutsche Nation mit tiefer und aufrichtiger Verehrung blickt.

Nicht leicht hat einc Faktion mit ihren Täu-
schungen und Entstellungen eine so allgemeine
und 'eclatante Verurthestung. erhalten, alS die
der Staatsrctter vom „lieben trauten Winkel"
an den grünen Ufern des Neckars und ihrer
Spießgesellen in der Soutane und am Laden-
tisch- __

* Politische llmschau.

* Noch immer cursiren Gcrüchte über ge-
heime Artikel von Gastein. Von keiner Seite
wird ihncn positiv widersprochen, und dcr Zwei-
fel, der ihnen hie und da entgegen gestellt wird,
hat keinen festen Boden. Jeder Tag vermehrt
nothwendig die Zahl derer, die an ihre Exi-
stenz glauben. Jn dcn Mittelstaaten rührt sich
Nichts und der Bundestag, der sich wahrschein-
lich in den letzten 2 Jahren (iir Folge der
Schleswig-Holstein'schen Frage) überarbeitet hat,
hält Lwöchentliche Fcrien. Deutschland schcinl
somit in diesem Augenblicke gar nichl zu exi-
stiren; sein Geschick wird lediglich in Wien und
Berlin ausgemacht. Zn dcn Elbherzogthümern
wird die Stimmung immer trostloser; man cr-
wartet dort von Oesterreich Nichts mehr, und
das schmerzliche Gefühl getäuschter Hoffnungen
wird in den nächsten Tagen in den augekün-
digten Versammlungen der Stäudemitglieder
uud anderer Corporationen von Holstein deut-
lich genug zum Ausdruck kommen. Die preu-
ßische Prcffe dagegen, selbst cin Theil der sog.
liberalen, z. B. die „Nationalzeitung", macht
inzwischen die Holsteiner ganz offen und un-
umwunden darauf aufmerksam, ihre Nechnung
bei Zeiten in's Reine zu bringen, denn preu-
ßisch würden sie doch, unter allen Umständen.

* Jnmitten der klaglichen Zerfahrenheit der
schleswig - holstein'schen Frage hat man in den
Kreisen der ZeitungSleser, wie es scheint, nicht

-f* Der vierte September und seine
Bedeurung.

Bom Ateckar, 7. Septbr. Es stnd jetzt
gerade zwei Jahre, als man in cinem weit
verbreiteten Blatte die Nachricht las, die ange-
sehensten Vertreter und Führer der angeblich
conservativen, d. i. der ultramontanen reactio-
nären Partei hätten an einem „lieben, trauten"
Winkcl in .der Nähe unserer pfälzischen Mu-
senstadt einen zahlreich, auch von hohen Staats-
beamten besuchten Convent abgehalten, um zu
bcrathen, welche Haltung ihre Partei gegen-
über den damals stattfiudenben Ergänzungs-
wahlcn einzunehmen habe. Bei diesem Anlasse
habe ein hervorragendes um Baden großver-
dicntes Mitglied eine Rede gehalten, die zwar
sehr charakteristisch lautete und in dem Blatte
auch gedruckt zu lesen war, die aber schwerlich
jemals eincs Menschen Obr gehört hattc. Doch
dem sei wie es wolle; der'gcdruckten Nede kur-
zer Sinn ging dahin: Die conscrvative Partei
dürfe nicht wählen; sic dürfe nur die jetzigen,
Machthaber walten lassen, bis der Nolhschrci
des Landes die Männer und Anhänger des
conservativen Prinzips diese zur Staatsrettung
aufrufe. Darauf habe, so schloß der Bericht,
die ganze Vcrsammlung, wie von einem höhe-
ren'Gciste erleuchtet, Amen! ja dreimal Amen !
gerusen.

Unsere Staatsretter io haben nun seit
»wei.Jahren reichlich dafür gesorgt, daß i h're
Zeit käme. L-ie haben das Land Baden bci
jedem Anlaß und in aller Weise im Ausland
verschrieen und schwarz gemacht, als einen Herd
der Revolution, auf dem das heilige Feuer der
Religion erlösche, iu dem nichts mehr heilig
sei, wie man schon darauS ersehen könne, daß
aus dem tiefgesuukenen Badcn am wenigsten

in den bodenlosen Schrank Dt. Peters fließe
u. s. w. Nur Dr. Brummel, der edle Held,
habe die Ehre deS Landes einigermaßcn wie-
derhergestellt durch seinen tapfern Kampf wider
die fluchbeladenen Truppen eines von der Kirche
verfluchten Königs.

Jm Jnnern unscres Landes haben unsere
ZukunftSstaatsmänner indessen eine sehr an-
sehnliche schwarze Leibgarde organisirt, mit de-
ren himmlischen Waffen sie das badische Un-
geheuer, LiberalismuS und constitutiWelles
System genannt, tödtlich zu verwunden stcher
wareu. Die schwarze Garde, man muß es
ihr nachrühmen, hat ihre Schuldigkeit gethan;
sie hat Himmel und Erde iu Bewegung gesetzt,
um den Leuten aufzureden, daß sie verloreu
seien mit ihren Kindern und KindeSkindern,
wenn es so fortginge, wie bisher, weun nicht
Nettung gebracht würde durch die Kirche, d. i.
durch die schwarze Garde und deren Führer.
Die Zeit sei gekommen, wo jeder brave Christ
und Bürger sich erheben müsse, um durch sein
Zeugniß am 4. Septcmber daS Land seinem
Verderben zu entzichen. Man dürfe nur zu-
sammenhalten, um das bisherige Regiment,
dessen Gewalt längst hinfällig sei und sich nur
auf eine Scheinmajorität des Volkes stütze, in
seiner ganzcn Blöße darzustellcn.

Das badische Volk sollte also nach der An-
nahme der Geguer selbst am 4. September
entscheiden, ob es irgend Grund habe, solchen
Behauptungen und Vorgeben Glaubcn zu
schenken, oder ob es nicht viclmehr überzeugt
sei, daß es eitel Parteigerede, Täuschungen und
Lüge sei. Hierüber hat nun daS badische Volk
am 4. September sein Votum abgegeben; eS
hat dies gethan mit einer so eminenten Majo-
rität und Einstimmigkeit. daß über seine wahre
Gesinnung gar kein Zweikel stattftnden kann.
 
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