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Heidelberger Zeitung — 1865 (Juli bis Dezember)

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Nr. 205-230 September
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Ueidrlbkrgtr Zritung.

KreislieMndigmgöblatt sür üen Kreis Hcidclberg nnd nmtliches Berkündigungsblatt für üic Amts^ und Amts-
Gerichtsbezirke Heidelberg und Wicsloch uud den Amtsgerichtsbezirk Neckargemünü.

N- 221 Lamst.,g. 2-i Lcptcmber

* PolirLfche Umschau.

* Vor wenigen Tagen ist ein Jahr umflos-
sen, seit zu Paris die Convention (vom 15.
Sept.) wegen der Räumung Roms geschlossen
wurde. Noch ein weiteres Jahr soll mithin
bis zur Ausführung derselben verstreichen. Wird
dies die Aussöhnung Roms mit dem König-
reiche Jtalien bringen? Unstreitig ist dem Kaiser
der Franzosen sehr darüm zu thun, den Ge-
gensatz zwischen Rom und Neu-Jtalien abzu-
schwächen, einerseits um auch fortau als lreuer
Sohn dcr Kirche zu gelten, und soviel Nutzen
als möglich aus ihr zu ziehcn, anderseits um
als Altiirter oder vielmehr Schutzherr Jtaliens
die reichen' Kräfte dieses Landes zu seiner und
seiner Dynastie Verfügung zu behalten. Wenn
cs jedoch anders käme, wenn die Partei der
Ultramontanen und politischen Jesuiten fort-
führe, gegen das Kaiscrreich zu intriguiren, wenn
Rom sich beftändig weigerte, einen billigen
Frieden mit Jtalien zu schließen, dann — ift
wohl anzunehmendürften sich jene arg ver-
rechnen, die da wähnen, das Staatsinteresse
gebiete dem mächtigen Herrscher in den Tuile-
rien, mit Rom unter jeder Bedingung sich
zu vertragen. So groß die Macht des rö-
mischen Hofes noch ist, die Macht der fort-
schreitcuden Bildung ist denn doch größer, und
sowie die Septemberconvention von den Libe-
ralen Frankreichs und Jtaliens mit Beifall be-
grüßt wurde, so wird auch ihre consequente
Ausführung von dieser Seite die stärkste mora-
lische Unterstützung finden.

Dcr neueste Pariser „Abend-Moniteur" spricht
in seiner Wochenschau von der Gasteiner Ueber-
einkunft. Nachdem er constatirt, welch' üblen
Eindruck die Uebereinkunft in den Herzogthü-
mern gemacht, und welche Unzufriedenheit sie
in Deutschland erregt hat, sagt der „Moniteur":
Es handclt sich jetzt darum, wie die nichtdeut-
schen MLchte die Uebereinkunft ansehen. Keine
derselben hat geglaubt, den deutschen Groß-
mächten direct Bemerkungen darüber zugehen
lassen zu sollen. Aber sie übten ein Recht und
erfüllten eine Pflicht gegen sich selbst, indem sie
ihre Anschauungsweise nicht verhehlten, als
ihnen die Gelegenheit geboten war, dieselbe zu
erkennen zu geben, und indem sie ihrc auswär-
ügen Vertreter in den Stand setzten, sich vor-
kommenden Falls mit demselben Freimuth aus-
zudrücken. Das ist der Gegenstand der De-

pejche des H^rru Drouyn dc Lhuys vom 29.
August. Graf Russell stellt sich in seiner De-
pesche vom 14. Septbr. aus denselben ^tand-
punkt; in anderer Form zeichnet er den-Ver-
tretern Englands dieselbe Sprache vor. Was
Rußland betrifft, so beobachtet dasselbe fort-
während jene Zurückhaltung, die es zur Richt-
schnur genommen, seitdem,das Cabinet von St.
Petersburg auf den so beträchtlichen Einfluß
verzichtcle, welchen cs zu einer andern Zeit bei
alleu aus dic Angelegcnheit der Herzogthümer
bezüglichen Verhaudlungen -ausübte.

Die „Hess. LdSztg." berichtigt und ergänzt
die auch in unsere Zeitung übergegangene Mit-
theilung über die am Montag in Darmstadt
stattgehabte Persammlung von Vertretern der
Volkspartei dahin, daß auf derselben die Or-
ganisationssrage erledigt worden sei, die Pro-
grammfrage dagegen einer nach dem Abgeord-
netentage anzuberaumenden Versammlung zur
endgültigen Entscheidung vorgelegt werden soll.

Zum nächstjährigen Versammlungsort der
Naturforscher ist einstimmig Frankfurt gewählt
worden.

Eine sür die ultramoutane Partei nicht sehr
erfreuliche Nachricht ist es, daß die Raumung
Roms allmälig begonnen werden soll.

James Fazy hat seine Entlassung als Mit-
glied des großen Rathes in Genf eingereicht.
Die Versammlung beauftragte übungsgemäß
ihr Büreau, I. Fazy zu bestimmen, seine De-
mission znrückzuziehen.

„Morningpost" sindet cs sür. nöthig, die An-
sicht zu bestreiten, als ob Amerika eine irlän-
dische Republik wünsche und als ob Seward
die Fenier. mit Geld versehe. Johnsou und
Seward haben kürzlich der englischen Regierung
Mittheilungen gemacht über den Feniismus.

Die Neuyorker „Times" sagt, die öffentliche
Meinung in Amerika sei, mit Ausnahme der
Jrländer, gegen einen Krieg mit England, ob-
wohl man das Verhalten Englands während
der Jnsurrection des Südens ladelt.

Deutfchland.

2) dem Obersten K eli^i^ vom 5. Jm -Reg.
2) „ „ Alfred v. Degenfeld vom (1.)

6,

71

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10)

11)

12)

1S)

11)

„H'. D arkI^II^

^ niercompngme,

8) „ , Wentz von, Generalstob,^

** Dberkrrch, 21. Sept. Jch beeile mich,
Jhnen mitzutheilen, daß die von der ultramon-
tanen Partei bei den Wahlen vom 4. d. errunge-
nen Erfolge nur ein Scheinsieg waren. —
Ver schiedene bei der Wahl vorgekommene Unzuläs-
sigkeiten und Verstöße veranlaßten, wie bekannt,
eine Anzahl der geachtetsten Einwohner Ober-
kirchs, Protest gegen die Wahl zu erheben und
wurde diesem Protest zufolge auf gestern eine
Neuwahl anberaumt. Dieselbe bewies, daß die
Pfaffenpartei mit all' ihrer Wühlerei hier nichts
ausrichten kann, wenn die Liberalen sich rüh-
ren und regen. Denn das Ergebniß der gest-
rigen Wahl ist, ganz im Gegensatz zu dem am
4. d. erziclten, ein dem Fortschritt durchaus
günstiges; alle 10 gewählten Kreiswahlmänner
huldigen der Sache der gesunden Vernunft und
sind Freunde der freihcitlichen Entwickelung

ein wahrhaft scheußllcher Fall zur Verhandlung.
Der 28jährige Angeklagtc Vinccnt, Kutscher in
Dicnsten dcs Hrn. Clausse, sollte am Abende ves
7. Auguft' die junge Frau seines Dicnstherrn nedst
deren zwei kleinen Kinvern von Paris nach^ihrem
Landhause zurücksahrcn. Nicht lange, so bemerkte
die Dame, baß der rapid fahrende Kutscher eine
^lsche Route einschlug; fie rief, erhielt abcr keine

Stadt angekommen, hielt der Wagen still; der
Schlag wurde heftig aufgerisscn und erhielt die
Dame sofort zwei schwere Scbläge mit dem Schrau-
denschlüsskl auf den Kopf. Dic so überfallene,
übcrdies im 6. Monat der Schwangerschaft stehende
lunge Fran benahm fich wie eine Heldin; zunächst
nichrs als ihre Kinder denkend, riß sie, unter
fortwährenden Schlägen des rasenden Vincent, die
andere Wagenthür auf, ließ zunächst die Kinder
herausspringen und folgte ihnen nach. Allein Vin-
oent umkreiste ebenso schnell den Wagen und häm-
mrrte von Rcuem auf sein zu Boden finkendeS
^pfer los. Dic unglückliche Krau, von ihren

zu widerstehen, so daß Vtncent endlich abließ; da-
gegen gelang es ihm jetzt, ihr den Schraubenschlüffel
zu entreißen, und er würde ihr damit unfehlbar
den Rest gegeben haben, wäre nicht ein Mann deS
Wegs daher gekommen. Vincent ergreift die Flucht;
allein der Paffant fürchtete sich ebenfalls und kam
der Dame trotz ihrcr Angstrufe nicht zu Hilfe. AuS
mehr als 20 Wunden blutend, zur Ohnmacht er-
schöpft, trug Madame Clauffe nun ihre Kinder in

lichen Anstrengung den Bock unb fuhr in rasender
Gile nach Parts zurück.

Die Anklage geht auf Versuck des Myrdes und
der Nothzuckt. Vincent benimmt fich in der Ver-
handlung, biesen scheußltchen Thatsacken gegcnüber,
so gleichgiltig und herzlos, daß cs wahrhaft lächer-
lich lautet, wenn sein Vertheidiger, um mildernde
Umstände zu erhalten, die Geschwornen bittet, fie
möchten seinen Clienten seiner Reue überlassen.
Die Trunkenheit, wclche Vincent vorsckützt, ist durch
nichts nachgewiesen und deutet gerade der einge-
schlagene Cours und das Auslöschen ber Laternen
auf einen wohlbedachten Plan hin. Der Präfident
stellt den von Madame Clausse, welchc kaum ge-
nesen ist, bezeigten Heroismus tn das hellste Licht
und gibt der Zury zu Serstehen, daß er, wenigstens
bezügltch der beabsichtigten Schändung, vergebens
nach dem geringsten mildernden Umstand suche, viel-
mchr Alles zusammentreffe, das Verbrecken zu einem
der empörendsten Angriffc auf dte Sicherheit der
Gesellschaft, dte Ehre einer Frau und Mutter von
untadelhaftestem Rufe zu stempeln. Die Geschwor-
nen beseitigten den Mordversuch, erklärten dagegen
Vincent der versuchtcn Schändung ohne mildcrnde
Umstande schuldig »nv erfolgte Verurtheilung zu
lebenslänglicher Galeerenstrafe.
 
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