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Heidelberger Zeitung — 1865 (Juli bis Dezember)

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Nr. 178-204 August
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https://doi.org/10.11588/diglit.2786#0175

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eidtlbrrger Zeituilg.

KreisverkündigMgsblatt fiir den Kreis Heidelberg unü amtliches Äerkünüigungsblatt für die Amts- nnd Amts-
Gerichtsbczirkc Heidelberg und Wiesloch miü den Amtsgerichtsbezirk Neckargemünd.

N» 183. »rettag, »8. August 18«S.

* Politische Umschau.

* Die letzte Periode während der österrei-
chisch-preußischen Zerwürfnisse hat recht deut-
lich den Beiveis geliesert, wie sehr sich Herr
von Bismarck vcrrechnet hat, wenn er gehoffl
hat, mit einer „Blut- und Eisenpolitik" das
preußische Volk mit fvrtzureißen und es um
seine Fahne zu sanuneln. Oesterreich hat zwar
in Preußen nichl viele Anhänger und ein
zweiles Ollmütz würde das prcußische Natio-
nal-Gefühl aufs tiefste verletzen, aber während
man sich alljeitig in viesem Sinnc aussprach,
und die Hoffnung nicht aufgab, daß eine solche
Eventualität nicht eintreten werde, wurde doch,
mit Ausnahme einiger wenigen Satelliten
des Hrn. v. Bismarck, nicht eine einzige Stimme
laut, welche von ihm Abhilfe in der Noth
erwartete, obwohl man in Preußen nicht daran
zweifclte, daß er ein entschiedener Gegnei einer
Ollmütz-Politik sei. WLHrend man in Wien
in neuester Zeit in Folge der mißlungenen
Blut- und Eisenpolitik hie und da Bismarcks
Rücktritt erwartetc, kennt man denselben in
Preußen offenbar besser, und ist der Meinung,
daß er auch noch weitere Wandelungen
der Politik in sich vollziehen und dabei Mi-
nister bleiben wird, bis er fällt vor dem end-
lichen Andringen des Volkes und seiner Ver-
treter, oder in Folge anderer uuvorhergesehener
Ereignisse.

* Dem Eisenbahnarzt Dr. Hiller in Dir-
Ichau — für die Streckc Dirschau-Danzig —
ist die Eisenbahnpraxis gckündigt worden, rveil
er als Wahlmann bei der vorletzten Wahl
zum preußischen Abgeordnetenhause dem Frei-
herrn G. v. Vincke seine Stimme gegebcn hat.

Den städtischen Behörden von Flensburg und
Segeberg sind auch die von Jtzehoe gefolgt:
sie haben den Autrag des schleswig-holsteini-
schen Vereins hierselbft-auf geeignete Schritte
znr Befreiung May's, resp. zum Schutz gegen
ähnliche Eingriffe in die persönliche Freiheit
der Einwohner, abgelehnt.

Zu Paris fand am Montag auf dem Mi-
nisterium des Auswärtigen die Auswechselung
der Ratifikationen des internationalen Vertrags
über das Telegraphenwesen statt. Es erfolgte
gleichfaüs dort die Auswechselung der Ratifi-
kationen des französisch-schweizerischen Postver-
trags.

Der Krieg der Engländer in Neü-Seeland

soll nach Londoner Blättern nun so gut wie
beendigt sein. Wiüiam Thomson, der gefürch-
tete Waikato-Häuptling, hat sich an Brigadier
Currey ergcben, und da die Revolution jetzt
ihres. belebenden Geistes beraubt ist, so hofft
man, sie werde wohl allmählich aussterben.

Der Aufstanv in Nord-China, weit entfernt
der Unterdrückung nahe gebracht zu sein, ge-
winnt unerwartet an Ausdchnuug. Selbst die
Hauptstadt Pcking scheint nach den letzten Be-
richten ctwas bedroht.

Der cnglische Botschafter am Berliner Hofe,
Lord Napier, ist am 14. d. in Begleitung eines
Botschaftssekretärs nach Gastein abgcreist, um
dort noch vor der Abreise des Königs die Na-
tifikation des deutsch-englischcn Handelsvertrages
zu bewirken.

D e u t s ch l a n d

x Aus Mittel-eutschland, 15 Aug.
Für Nordamerika wird auch in Bezug auf die
von nun an einzuhaltende Handelspolitik eine
neue Epoche beginnen. War es doch bisher
der dem Freihandel zugeneigte Süden, welcher
durch den Einfluß, den er sich auf die ganze
Regierung zu verschaffen wußte, sür mäßige
Zölle wirkte, und der industriellen Richtung
des Nordens entgegeutrat. Jm Nvrden bilden
die Schutzzöllner eine mächtige Partei, die sich
wiederholt schon thatsächlich gclteud gemacht,
und es hat diese ein vollcS Bewußtscin ihrer
Tcndenzen. Nach diesen wird man jetzt han-
deln, seitdem der Norden die unbestritlene Herr-
schaft hat, und die Anfängc davon liegen in
den nuu zu Stande gekommenen Zollerhöhun-
gen schon vor Augen. Groß werden ohne
Zweifel die Erfolge sein, wenn diese Leute dcs
Nordens mit ihrem unleugbaren Talente zum
Maschinenwcsen und mit ihrem erstaunlichen
Unternehmungsgeiste sich nun systematifch auf
die Jndustrie richten, unterstützt durch die un-
ermeßlichen Naturkräfte, welche nur des Be-
nutzens harren, um sich sofort in industrielle
Hebel zu verwandeln. Wahrlich, wenn Schutz-
zölle überhaupt die Jndustrie heben können, —
wo gibt-es auf der ganzen Erde ein Land, das
so gecignel dazu wäre, als Nordamerika? Ein
Land, welches wie kein anderes die Fähigkeit
besitzt, sich selbst zu genügen, da es die Pro-
dukte fast aller Zonen selbst erzeugt, und wo
die Natur selbst schon die Kanäle gegeben hat,

um die Produkte des Nordens gegen die ves
Südens auszutauschen, vurch den gewaltigen
Mississippi und dessen Nebenflüsse ' Fällt jeht
mit der Sclaverei dasPlantagensyftem, wie nahe
liegt der Gedanke, sich dahier nm so mehr dem
Fabriksystcm hinzuwenden, und dadurch die
Herrschaft des Nordens um so besser zu befe-
stigen! Nur fehlen mituntcr noch Menschen
und Kapitalien, aber beides liefert die jetzt
wieder mehr und mehr zunehmende Einwan-
derung.

Stuttgart, 14. Aug. Die erfte Kammer
hat das Gesetz über die Zellenhaft angenom-
men. Die Kammer zählte gleichviel Stimmen
dafür und dagcgen; da entschied der Präsident
Prinz Friedrich zu Gunsten der Regicrungs-
vorlage.

Darmstadt, 16. Aug. Dem Vernehmen
nach werden demnächst dahie^ Verhandlungen
zwischen hessischen und bayerischen Regierungs»
commissären übcr den Bau der projectirten
rheinhessisch-pfälzischen Bahnen stattfinden.

Frankfurt, 14. Aug. Die hier versam-
melte BundeskomiNission, welche wegen Ein-
führung eines gleichen Maßes und Gewichts
sür ganz Deutschland zusammenberusen worden
ist, hat sich, nach der „Dst. Z.", über einen,
aus 12 Artikel bestehenden und mit drei Bei-
lagen versehenen „Entwurf einer deutschen
Maß- und Gewichtsordnung" geeinigt, welcher
der Bundesversammlung mit einem kurzen Be-
gleitungsberichte vorgelegt werden soll. Dieser
Entwurf nimmt das Meter als die Grundlage
des deutschen Maß- und Gewichtsystems an;
die hieraus vermittelst des Decimalsystems sich
ergebenden Maßc und Gewichte (lbtztere aus
dem Gewichte des die Hohlmaße füllcnden
Wassers abgeleitet) sind in der Beilage 4 des
Entwurfs mit ihren, dem Französischen ent-
lehnten Namen verzeichnet, während die Bei-
lage ö die außerdem zulässigen Maße und Be-
nenuungen aufführt. Hiernach ist insbesondere
bei den Längemnaßen noch die Meile gleich
7500 Meter, ferner die Eintheilung der Ruthe
gleich 5 Meter in i/^ und^o; die Einthei-
lung des Meler zur Messung von Langwaaren
in Halbe, Viertel, Achtel und Sechszehntel,
und der Fuß gleich ^/^ Mcter mit TheilunA
in 10 Zolle, des Zolls zu 10 Linien; bei den
Flächcnmaßen der Morgen gleich Hectar
oder 2500 Quadratmcter rc.; bei den Hohl-
maßen die Eintheilung des Hectoliters in Halbe

Ein pikantes Abenteuer in der Sergstraße.

Ein Fremder hatte seine junge, hübsche Frau
nach einem der Orte der schönen Bergstraße —
unsere Lcser haben die Wahl zwischen Jugenheim,
Auerbach, Heppenbetm, Zwingenberg rc., da wir

des Sommers genießen sollte. Von Zeit zu Zeit
besuchte der Gatte seine theure Hälfte, gewöhnlich
des Sonntags. Sechs Wochentage finb eine lange
Zeit, zumal wenn man, wie die in Rede stehende
hübsche, jungc Frau, keine Bekanntschaften und
als Begleiterin nur ein Odenwälder Dienstmädchen
hat. An einem Wochentage nun war es, wo die
schönen Augen der allein promenirenven Dame auf
einen fremden, kaum angelangten Besucher des
Ortes wirkten, daß er die Begierde nicht unter-
drücken konnte, mit der Eigentbümerin der schönen.
Augen bekannt zu werden. Bei der fichtlichen Ge-
wandtheit des hübschen Fremden gelang ihm dies
auch sehr bald, und er erhielt, da er sich im Laufe
drs Gesprächs als Blumenfreund herausstellte, dte
Trlaubniß, die Blumenpracht zu bewunvern, welche

erscheinen. Man war in angclegentlichstem Gespräch
miteinander begriffen, als plötzlich das Dienst-
mädchen an der Thür erschien und freudig ausrief:

sogar ein spöttisches Lächeln über setn Gesicht.

„Jch störe vielleicht, Madame," sagte er mit
ausgesuchter Höflichkeit.

dame in peinlicher Verlegenheit.

Bei dicsen Worten tritt der Gemahl ein. Eine
Weile stutzt er darüber, bei seiner Frau einen

Männer einander tn den Armen.

Doch. wer war dieser Larl?

Larl, der Bruder drs Ehegatten, war für etn
Hamburger Haus vor vielen Jahren nach Lhina

gereist, hattc dort glänzende Geschäfte gemacht und
war unverhofft zurückgekehrr, um sich in seiner
Heimath nicderzulassen. Er hatte gehört. daß sein
Brudcr in der Zwischenzeit fich verheirathet und
wyllte ihn besuchen. Da cr aber gerade des Sonn-
tags bei seinem Bruder anlangte, an welchem Tage
dieser seine Frau in der Bergstraße zu besuchen
pflegte, war ex — ohne sich zu erkennen zu geben
— abgereist. Von Hause aus hatte er den Bruder
überraschcn wollen und nahm sich nun vor, dcffen
ihm unbekannte Gemahlin, deren Wohnung er von
der Dienerschaft in Erfahrung gebracht, zuerst ken-
nrn zu lernen. Daß ihm dics sehr leicht gelungen,
haben wir gesehen, ja setner Meinung nach war
es ihm doch ein wenig zu leicht gelungen.

„Jch mußtc schvn meine ganze Liebenswürdigkeit
aufbieten," sagte er bahcr mit einem etwas bos-
chaften Seitenblick auf seine Schwägerin, „um rrst
die Bekanntschaft Deiner Gemahlin zu machen, ehe
ich Dich hier übcrraschte."

Madamc verlor als äckte Tochter Eva's bet die-
sem gewichtigen Hiebe das Gleichgrwicht nicht, son-
dern entgegnete mit einem wohl nock etwas boShaf-
teren Seitenblick: „Jhre Liebenswürdigkeit, Herr
 
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