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Heidelberger Zeitung — 1865 (Juli bis Dezember)

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Nr. 152-177 Juli
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https://doi.org/10.11588/diglit.2786#0025

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Utidelbtrgkr Ztilung.

Kreisverkündigungsblatt fiir den Kreis Heidelberg und amtliches Lrerkündigungsblatt sür üie Amts- und Anits-
Gerichtsbezirkc Heidelberg und Wicsloch und den Amtsgerichtsbezirk Neckargeinünd.

M 1S8.


Samstag, 8 Juli


Bestellungen auf die „Heidelberger
Zeitung" nebft Beilage „Heidelber-
ger Familienblätter" für das mit I.
Juli 186S begonnene 3. Quartal
werden fortwährend angenommen.

Die Expedition

^ Zur jetzigen Lage Qesterreichs.

Die jetzige, langer sortdauernde und eben erst
beendetc Ministerkrise in Wien regt zu sol-
genden Betrachtungen an: Es wird von Nie-
manden, auch von keinem Freunde Oesterreichs,
geleugnet werden können, daß die österreichische
Verfassung der Art beschaffen ist, daß sie in
einem gewissen Sinne nicht fertig wird. Ob
die Reichseinheit loser oder straffer sein soll,
darüber haben die Lenker der Geschicke Oester-
reichs seit einer Reihe von Jahren fortwährend
verschiedcne Ansichten. Seit langer Zeit ist
dies die ungelöste Fragc und das Versuchsfeld,
auf welchem die Wiener Cabinetspolitik sich be-
wegt; es sind schon unzählige Lösungcn vorge-
schlagen, und viele Versuche gemacht worden;
bis jetzt hat sich abcr noch keine der gewahlten
Richtungen auf die Dauer behauptet.

Jn dem Jahrzehnt, welches dem italienischen
Kriege von 1859 vorausging, ist das Centrali-
sationssystem an der Reihe gewesen, wonach
alle Völker des Kaiserstaates, ohne daß von
ihrer eigenen Selbstbestimmung die Rede war,
Gesetz und Befehl aus der Reichshauptstadt
Wien empfangen sollten. Der Credit des Ein-
heitsstaates stund damals besonders hoch in
Wien; er konnte sich aber nicht halten, und
mit lauter Stimme mahnte die Nothwendigkeit,
das unersprießliche System zu verlassen. Allent-
halben im Reiche begehrte man damals verfas-
sungsmaßige Einrichtungen an Stelle der un-
umschrankten Kaisermacht, und hauptsächlich die
Rücksicht auf Ungarn sührte endlich einen Um-
schwung herbei. Es erschien das Diplom vom
October 1860, welches in Bezug auf die Länder
und Völker des Kaiserstaates mehr einem födera-
tiven System huldigte, durch den bald darauf
erfolgten Ministerwechsel aber und durch die
Februarverfassung einen sehr fühlbaren Stoß
wieder mehr in centraler Nichtung erlitt. Es
erfolgte, zumal nach der Auffassung der Ungarn,
wieder eine Uyckehr zu dem kurz vorher ver-
worfenen (centralcn) Systeme. Dic Regierung

glaubte zwar, auch ohne Zusiimmung Ungarns,
auf dem Wege, den sie sich ausgedacht hatte,
voranschreiten zu köunen; allein heute zcigt es
sich nur zu deutlich, daß sie nicht mehr von
diesem Muth und Glauben erfüllt ist, und der
gegenwärtige Ministerwechsel ist gerade so gut,
wie der Umschwung von 1860 durch einen
Blick auf das Land der Magyaren bezweckt wor-
den. Der bisherige ungarische Hofkanzler ist
zur Einreichung scines Entlassungsgesuchs ver-
anlaßt, ein Anderer mit andern Grundsätzen ist
ernannt worden, und zugleich ist der Rücktritt
der meisten übrigen Minister des Kaiserreichs
erfolgt. Es liegt mithin ein Erfolg vor, den
hauptsächlich Vie UngarN mit ihrer Standhaf-
tigkeit errungen haben. Der Staatsminister v.
Schmcrling hat die Ungarn einschüchtern und
mürbc machen wollen. Diese Absicht ist aber
nicht gelungcn; wenigstens konnte Oesterreich
in seiner precären Lage nicht so lange warten
bis sie gelang. Nicht durch ministerielle Will-
kür und kaiserliches Machtgebot, sondern nur
auf constitutionellem Wege, durch eine fertige,
alle Völker des Reichs zufriedenstellende und
mit Vertrauen erfüllende Verfassung kann Oester-
reich von seinen Wirrcn erlöft werden. — Den
Ungarn ist, allem Anscheine nach, jetzt schon
damit gedient, daß ihr Princip, wonach ihnen
die Gesetze nicht wie ein Joch aufgeladen, son-
dern vereinbart werdcn, Anerkennung und
Verwirklichung stndet; wenn ste dies erreichen,
so sehen sie wahrschekilich von so mancher, für
die Jetztzeit und ven östcrreichischen Gesammt-
staat nicht mehr passenden Eigenthümlichkeit
ihrer Gesetzgebung ab. Und bei gegenseitigem
Entgegenkommen wird denn viellcicht doch end-
lich eine neuc, Dauer verheißende Ordnung der
Dinge geschaffen werden.

* Politische Ilmscha«.

Der gothaische Landtag ift am 4. Juli ver-
tagt worden und tritt im Herbst wieder zu-
sammen; der Schluß des bayrischen Landtags
erfolgtc am 6.; die würtembergischen Stände
werden ebenfalls nicht mchr lange tagen. —
Auch der gesetzgebende Körper Frankreichs ist
vorgestern geschlossen worden. Seine dießjährige
Thätigkeit wird dcm Kaiser viel zu denken
geben, dcnn das Anschwellen des oppositionellen
Geistes in der Kammer ist ganz unverkennbar
gewesen.

Die „Nordd. Allg. Ztg." meldet telegraphisch
aus Kiel, die oberste Landesbehvröe habe be-
züglich der Feier des Geburtstags des Erb-
prinzen v. Augustenburg jegliche Demonstration
und Kundgebung, als besondere Volksversamm-
lungen unter freiem Himmel, Aufzüge, Glocken-
geläute, Blasen vom Thurm, verboten.

Eine kürzlich in Braunschweig erschienene
Broschüre: „Die Aussaugung der Herzogthümer
Schleswig-Holstein" liefert erbauliche Jllustra-
tionen zu der vielgerühmtcn Sorgfalt, welche
die „Befreier", d. h. hier vornehmlich die preu-
ßische Regierung, den Jnteressen der Herzog-
thümer widmeten und wofür ihnen, wie täglich
in dem Organ des Hrn. v. Bismarck zu lesen,
jetzt mit so schnödcm Undanke von Sciten der
Schleswig-Holfteiner gelohnt wird.

Die Versetzung des Generals v. Manteuffel
aus seiner cinflußreichen Stelle im Militär-
Cabinet des Königs, als Oberbefehlshaber nach
Schleswig-Holstein, wird von den meisten Blät-
tern als ein Sieg des Hrn. v. Bismarck über
den einzig möglichen Nachfolger auf dem Mini-
stersessel angesehen.

Die Nachricht von der bevorstehenden An-
kunft des Großherzogs von Oldenburg in Wicn
ist unbegründet. Oesterreich steht in entschie-
dener Opposition zu dessen Candidatur. —
General Manteuffel trifft am Sonnabend in
der österr. Hauptstadt ein.

Die Wiener „Abendpost" schreibt bezüglich
der Behauptung mehrerer Blätter, nach welcher
Hr. v. Hübner mit Hrn. v. Bach in Nom dahin
gewirkt hätte, daß eine Verständigung mit dem
Cabinet von Florenz nicht zu Stande komme:
Oesterreich achte die Prärogative des päpstlichen
(Ltuhles und dessen Selbstentfcheidung in allen
die Kirche berührenden Fragen viel zu hoch,
als daß die österreichischc Diplomatie es hätte
unternehmen sollen, auf die Entschließungen
des Papstes in dieser Angelegcnheit irgend
einen Einfluß zu nehmen.

Nach dem „Giornale die Roma" habe Hr.
Meglia dem Kaiser Maximilian eine Note über-
reicht, in welcher die Gründe seiner Abreise
von Mexico dargelegt seien; der Papst habe
ihm befohlen, nicht länger mehr Zeuge der
Verletzung des Nechtes der Kirche zu sein.

Der Papst hat auch diesmal wie alljährlich
am Peter-Paulstag, bei Abhaltung einer feier-
lichen Messe in der Kapelle dcs Vatican, seine
feierliche Verwahrung gegen den thatsächlichen

Das sijnfte mittelrheinifche Mufikfest.

Mainz, 2. Iuni.

Der Festzug wurde trotzdem ausgefüqrt. Dann
begaben stch die Sänger in die Vor-Probc. Um
3 Uhr begann die Hauptprobe, d. h. eigentlich das
Vor-Eoncert; venn sie war öffentlich und von
12—1300 Personcn besucht. Sie dauerte bis gegen
8 Uhr. Am Abend war Versammlung in der
„Neuen Anlage" bestimmt; des Regens wegen
mußte sie abgesagt werden. Das zerstreute nun die
Leutc in den verschiedenen Localttäten der Stadt.
Größere Einigungspunkte waren dic Casino-Gesell-
schaften, besonders die zum „Gutenberg". Sänger
und Sängerinnen kamen hier zusammen; ein paar
Mufikanten aus der „Schustergasse" spielten später
zu cinem improvifirtenTanz. Die Gesellschaft trennte
fich für den Vorabend zur Haupt-Aufführung ziem-
lich spät. Heute Morgen um 10V2 Uhr begann
das Concert; es dauerte bis 2'/^ Uhr. Die Be-
theiligung des Publikums war etwas größer als
gestern; es mochten an 1500 Personcn im Saal

Dik Fruchthalle ist vortrefflich für solche Auf-

140 Instrumentalisten (eine Orgel zugercchnet)
faßt sie an 2000 Zuhörer. Sie ist eine große Halle
in Gestalt unserer Eisenbahn-Hallen, ein großes

zwischen die Saiten-Instrumente, links von der '
Orgel die Holz-, rcchts die Blech-Instrumente. !
Im Schiff und den Seitengängen ebener Erde,

in den Logen übcr den Seitengängen saßen die
Zuhörer. Die Maffc der Sttmmen und Instru-
mcnte wirkte ganz vortreffltch zusammen und überall
war Alles deutlich zu verstehen. Das ungeheure
Holzdach ist wie ein riefiger Resonanzboden, der

nur der Mangel an Kräften oder deren Verthei-
lung, aber nicht der Bau schuld sein kann. Seit
langer Zeit habe ich nicht solche Klänge gehört,
wie gestern und heute, als das HLndel'sche „Halle-
lujah" wie vom Himmel herab erschallte.

Freilich haben auch die Chöre das Ihre gelekstet.
Es waren die von Mannheim, Darmstadt, Mainz,
Wiesbaden, 800 Männer und Frauen, kräftige,
frische Stimm^i und trefflich eingeschult. Es lag
etwas Urwüchsiges in diesen Stimmen, dte Einen
gleich an die stattltchen Gestalten der Rheinfranken
erinnern. Herr Lur, Kapellmeister in Mainz, eine
schlanke Gestalt von mittlerer Größe, aber außer-
ordentlicher Spannkraft, hatte das Kunststück fertig
gebracht, diese Stimm-Massen mit einem Schlag
zu clectrifiren. Dtesc 800 Sänger, der Jnstrumen-
tenchor und die Orgel, das schlug Alles zusammen
in so stolzer Pracht.

! Zwischen den Chormaffen erklangen die klaren,
! hellen Töne der Solo-Sänger, die alle wieder in
" ihrer Art vortrcfflich waren. Kräulein Melitta
 
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