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Heidelberger Zeitung — 1865 (Juli bis Dezember)

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Nr. 205-230 September
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eidklbkrgrr Ztilung.

Kreisverlünüigungsblalt für üen Kreis Heiüclberg unü asntlichcs Äerlünüigungsblatt für üie Amks- und Anits-
Gerichtsbczirle Heidelberg und Wiesloch und dcn Amtsgerichtsbezirk Neckargemünü.


Mittwoch, 20 September


Aufr uf

an alle „liberalen Bürger Badens."

Man muß den Gegner nicht miß-
achten! Dieses ist ein nie werthloscs Sprüch-
wort. Man handclt aber dagegen, wenn man
in Lässigkeit ftine Kräfte nicht übt, gering-
schätzcnd auf die Thätigkeit und Rührigkeit des
Gegners hinsieht, ihn in seinen Erfolgen un-
terschätzt, — weil man die eigene Sache für
besscr hält, mit der man schon manchmal siegte.

Man kann und soll auch vom Geg-
ner lernen! Man wird aus seinem Beispiele
entnehme'n, wie man es ähnlich machen oder
aber, wie man es nicht machen soll.

Man kann im Leben Gegner eines
Andern werden, ohne sein Feind zu
sein!

Mitbürgcr! Höhere Ueberzeugungen und
materielle Jntcressen scheiden oft nach den
Strömungen der Zeit die Bürger eines und
desselben Staates, einer und derselben Gemeinde
in verschiedene Lager. .

Nicht immer sind die Namen der Lager rich-
tig, sondern verdanken oft dem Zufall oder
untergeordnetcn Rücksichten ihre Entstehung.

Heute aber stchen sich in unserem Lande die
zwei großen Partheicn entgegen, welche sich da-
durch zeichnen, daß es dcr Einen die Ueber-
macht derKirche über die.Autorität des
Staates gilt, währcnd die andere Parthei, zu
welcher wir gehören, sagt:

„Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist
und Gott, was Gvttes ist."

Wir wollen die uns von Gott gesetzte
Obrigkeit, dic wir in ihrem Bestreben lieben,
die freie Entwickelung der staatlichen, kirchlichen
und socialen Jntercssen so gewähren zn lassen,
oaß die Freiheit Aller neben der allgemeinen
Ordnung bestehen kann, — unterstützen
und erhalten.

Die Gegenparthei will den Sturz un-
serer liberalen Regierung, welche den
Fortschritt in freier Entwickelung der Kräfte
Äller im Staate anstrebt, weil die Gegenpartei
Sonderinteressen verfolgt, und diese allein
oder doch vorzüglich zur Geltung gebracht wis-
sen will.

Man nennt die andere Parlei auch die kirch-
liche, die clericale, die ultramontane, und sie
selbst nennt ihre Glieder liebcr „römische Bür-

ger", als Bürger „Badens" oder dcutsche Pa-
trioten.

An der Spitze der andern Partei stehen die
entschiedenen Gegner unserer Negierung, und
wekl sie wissen, daß uns dic Neligion lieb und
lheuer ist, ohne welche sä in Wahrheit kein
Mensch lebt, so rufcn sie aus ihrcm Lager:
„Die Religion ist in Gefahr!" um die Aengst-
licheu an ihr Zntcresse zu fesseln.

Seht Jhr nicht in ihren Reihen überall so
manchc Privilegirte des alten seudalen Staates
und das Drängen, das Nad der fortschreiten-
den Zeit rückwärts zu bewegen? Hört Jhr
nicht das Zetergeschrei, die Worte des Fana-
tismus, 'der Lwblosigkeit, des Hasses so vieler
jcner Partergenossen?

„An ihren Früchlcn solll ihr sie er-
keuucn!" Blickcl auf die Mittel, wie man
erst jüngst zu den Wahleu warb und trieb!
Lergessei nicht, wie man die Kanzel, die heilige
Stältc der Kirche mißbrauchte und Himmels-
hoffnungeu und Fluch in Auösicht stellte, je
nachdem man dieser oder jener Fahne solgen
werde.

Wißt Jhr noch, wie man im Schweizer Son-
derbundskriege aus klerikalem Munde das
Commandowort hörte: „Jn Gottes Namen
schießt!"?)

Doch, Gott sci Dank, so fanatisch sind nur
wenige Klerikalc. Nur Wenige beweisen durch
ihren Haß, wie wenig src „Jünger der Liebe"
genannt zu werden verdienen.

„An ihren Früchten sollt ihr sie er-
kennen!" Was ist nun bei diesem Gebah-
ren der Thätigkeit dieser Gegner gegenüber zu
t hun?

Die tiberalen Bürger Badens müs-
sen sich, wie ihre Gegncr schon längst thaten,

organifiren!

Haben die Ergebnisse der letzten Wahlen
auch gleich gezeigt, daß wir numerisch stärker
sind, und daß alle lauten und geheimen, an
geweihten 'und profanen Orten angewendeten
Mittel der Gegenpartei sie nicht zum schon ge-
träumten Siege führten: so haben wir doch
gesehen, was die Taktik der Gegner vermochte.
Sie waren lange vorbercitet und — gceinigt.

Auf denn Jhr Freunde des staatlichen
Fortschritts, der staatlichen Ordnung, unsercr
sreisinnigen Regierung, organisirt Euch nach
Kreisen, Acmtern und Gemeinden und erwärmt

Karlsruhe, 16- Scpk. (Manöver bes Ar-
meecorps.) Vorgeslcrn Abend wurde das Ost-
corps bis Busenbach zurückgedrängt und geftern bis
auf die Höhen von Ellmendingen unb Dietlingen.
Das Hauptquartier Sr. Gr. H. des Prinzen Wil-
helm war gestern in Langensteinbach, der Stab des !
Ostcorps befand sich in Ellmendingen. Die Ma- j
növer warcn höchst sehenswrrth und lehrreich; schon .
dü Terrainschwierigkeiten boten hohcs Zntercsse.
Die Mannschasten sinb gesund und frohen Mnthes, j
iUstern Abend nach nur kurzer Ruhe wurden da >
und dort Tanzunkerhaltungen auf Wiesen abge- j
halten, so in Ellmendingcn, wo die Musiken des i
6. und4. Jnfantcrieregimentes spielten; die Nächte
»nd sehx kalt, und die Btvouac-iKeuer geben nur !
^enigen Schutz gegen die Kälte; doch Morgens
^üh 4 Uhr ist Alles wieder wohlgemuth auf den j
^kinen; Kranke gibt es fast kein*. S. G. H. der >
Drinz Wilhelm ist zu allen Stellen und erkunbigt !
Uch uin alle Verhältnisse. Von nächtlicher Allar- >
nürung im Bivouac war keine Rebe; daß die Vor- i
bosten da unv vort allarmirt wurden, ist selbst-
uerständlich. Heuke früh 7 Uhr begann von Neuem >
^ Bewegung; das OstcorpS schrint seine Verstär- !

kungcn errcicht zu haben, benn cs treibt schließlich
das Wntcorps (spaßweise^die Franzosen genannt)

Kön. Hoheit ber Großherzog wohnten bni Ma-
növern mit größter Thcilnahmc an, kehrten jcdoch
jcweils Abends wieder nach Karlsruhe zurück. Hcute
Nachmittag 2 Uhr rücken die hiefigen Truppen in
die Stadt ein, ebenso die zum Westcorps gehören-
den Abtheilungen (Leib-Grenabier-Regimcnt, 5.
Jnfanterie-Regiment rc.) in das Lager bei Forch-
heim. _ (B. Lztg.)

Stettin. Jn verschiedenen Zeitungen dringt ein
Weheruf von der Düna fernem Strande, »on der
Grabstätte beö deutschen Tondichtcrs Conrabin
Krrutzcr zu uns hcrüber, welchcr zweifelsohne, so
weit die deutsche Zunge klingt, schmerzlichen Wie-
derhall in der Seele aller Sangesfreunde finden
wird, ernst an eine heilige Pflicht mahnend. Un-
beachtel, vernachlässigt, und viclleickt — wer weiß
wie bald? ganz vcrgessen, ist die Stätte, wo
cin Conradin Kreutzer auf dem Friedhofe Riga's
sein Grab fand! Und diesen Vorwurf sollten
Deutschlands Liedcrtafeln, Deutschlands Männer-
gesang-Vereine auf sich ruhen lasscn? Es kann
sich nicht darnm handeln, dem Verstorbenen ein
qroßartiges Denkmal zu weihen; es gilt bloß den
Flcck Erde, der seine letzte irdische Ruhestätte
wurde, der Erinnerung zu bewahren, vor Vergeffen

Eure Herzen an dem Wort und Vorbild Eurer
sclbstgewählken Leiter:

Mit Gott für Freiheit, Qrdnung
und Baterland!

Freiburg. Eine Anzahl Liberaler.

* Politifche Umfchau.

Der - von Seite des Kaisers Napoleon ge-
wünschtc Diplomatencongreß zu Biarritz ist durch
die definitive Nichtbetheiligung der Gesandten
Rußlands und Englands zerfallen. Nach an-
derer Lesart soll ein solches Projckt übcrhaupt
nicht -bcstanden haben.

Nach dcr „Europe" schlägt eine Circular-
depesche Lord Russells den Seemächten die Un-
terzeichnung einer Erklärung vor : den Sclaven-
handel der Seeräuberei gleichzustellen und dem-
gcmäß zu bestrafen.

Die Berliner Offiziöscn bestätigen, daß Rund-
schreiben EnglandS, FrankreichS und Rußlanvs
übereinstimmend den Vertrag von Gastein miß-
billigen.

D e u t f ch l a n d.

zu sckützen. Welchcr deutsche Sängerverein, den
Kreutzcr's Tondichtungen so oft erfreuten und be-
geistcrten, wird ntcht freudig zu solchem Zwecke
mitwirken? Jndem Zhr das Andcnken, die Erin-
ncrung des reichbegabten deutschen Meisters dankes-
voll ehrt, ehrt Zhr Euch sclbft!

Friedberg, I I. Sept. Jn der von der Befitze-
rin des „Hotel Trapp" in der Gutzkow'schen An-
gelegenheit (auch in unserm Blatte s. Z. ausführlrch
erwähnten) wider uns angestrengten Preßproceß-
sache haben wir uns gcstern nach Friedberg begcben,
um das geeignrte Bcweismaterial zu sammeln.
Dasselbe^ist uns nun in so vollständiger Wcise an

auch noch so pikante Einzelheiten, die seither noch
gar nicht in der Oeffentlichkeit zur Sprache kamen,
mitgetheilt worden, daß wir in der That mit großrr
Beruhigung auf das Resultat der Anklage hinsehen
dürfen. Dteselbc wird voraussichtlich, waS wtr nur
freudig begrüßen können, nach dem neuen Ver-
fahren vor dem, mit nächstem Monat in das Leben
trctenocn Bezirksstrafgerichtc dahier zur öffentlichen
Aburtheilung gelangen, und wird dort der geeig-
nete Moment sein, das Benehmen der Wirthin
Theobald und ibres Anwalts, des Advokaten
Trapp II., in dieser intereffanten Angelegenheit
gebührend zn charakterifiren. (Heff. VolkSbl.)
 
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