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Heidelberger Zeitung — 1865 (Juli bis Dezember)

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Nr. 257-282 November
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https://doi.org/10.11588/diglit.2786#0473

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Ueidrlberger Zeilung.

KreiSvcMldigungsblatt für üen Kreis Heidelberg und amtliches Äerkiinüigungsblatt für die Amts- und Amts-
Gerichtsbezirkc Hcidelberg und Wicsloch und den Amtsgerichtsbezirk Neckargemünü.

M 23»


Freitag, 3. Rovember 18«S»

^Anf die „Heidelberger
Zeitung" kann man sich
noch für die Monate
November und December mit 42 Kreuzern abon-
niren bei allen Postanstalten, den Boten und
Zeitungsträgern, sowie der Expedition (Schiff-
gasse Nr. 4).

* Politische Umschau.

* Nach den neuesten Nachrichten ist wider
Erwarten nicht Graf Russell, sondern Lord
Clarendon zum Nachfolger Palmerstonö für das
auswärtige Ministerium von der Königin er-
nannt worden, Ersterer soü dagegen die Pre-
mierschaft übernehmen. Wenn anders diese
Mittheilung richtig ist, so wäre diese Minister-
ernennnng lediglich eine einfache Forlsetzung
des seitherigen Transactions- und Waffenftill-
stands-Ministeriums nach innen wie nach außen.
Von den jetzigen englischen Staatsmännern ist
Gladstonc jedcnfalls der begabteste und gebil-
detste, und daher auch über dcn alternden Rus-
sell zu stellen. Lord Clarcndon ist, trotz seiner
sonstigen guten Eigenschaften, nicht gerade der
Mann, um das schon lange wankende jetzige
System des englischen Ministeriums nachhaltig
zu stützen. Solltc in dcr That ein Ministerium
Nussell-Clarendons zu Standc kommcn, so ist es
sehr währscheinlich, daß eine Vereinigung der libe-
ralen Elemente unter Gladstone und der radi-
kalen Richtung unter Bright, Noebuck und Mill
zu Stande kommt, in welchem Falle der par-
lamentarische Feldzug gegen jenes Ministerium
mit noch größerer Heftigkeit geführt werden
würde, als srüher, da Palmerston der einzige
Mann im Ministerium war, .welcher vermöge
seiner Popularität und seiner (wirklichen oder
vermcintlichen) liberalen Anschauungen^'en An-
griffen der demokratischen Nichtung Trotz bietcn
konnte. Diese Richtung wird aber jetzt — und
dies ist gcrade die bedeutendste Folge von Pal-
merstons Tod — in England auf praktisch-
politischem Gebiete sicher immer mehr Boden
gewinnen.

Die Berliner „Provinzial - Correspondenz"
schreibt unter dem 1. Nov.: Die Regierungen
Oesterreichs und Preußens stehen im Begriffe,
sich über weitere gemeinsamc Schritte zu ver-
ständigen, um den ungesctzlichen Anmaßungen
von Vereinigungcn, welche sich als Negierung
und Vertretung des gesammten deutschen Volkes
aufzuwerfen trachten, ein Ziel zu setzen. Alle

Bum Häuser-Cinsturz in Serlin
schreibt dte „Sp. Z.": Das fünfstöckige Hinterge-
bäude hatte tn den Etagen, die für Tiscklerwerk-
stätten bestimmt waren, außer den UmfassungS-
Wänden nur etne Mittelwand, auf welcher dte nach
der Tiefe gehenken Balken ihr Auflager fanden.
Diese Wand> die Hauptträgerin der kolossalen
Belaftung, hatte zwar die Stärke von 31 Zoll
(3 Stein) tm Kellergeschoß, wte rs die im königl.
Polizei-Präfidto revidtrte Bauzeicknung vorschrieb,
war aber, wie sich herauSgestellt hat, von zweierlei
Material, von Bruch- und Ztegelsteinen in durch-
üus schlechtem Verbande und mit einem nicht binde-
fähigen Mittel erbaut. Die auf dteser Kellerwand
ruhenven Pfeiler der oberen Stockwerke übertrugen
die Last auf erstere, welche nachgab, zur Seite aus-
wich und den Einsturz des GebäudeS nstt zur Folge
batte. Die Schuld ist somit in der mangelhaften
Ausführung des BauwerkS einerseitS und in der
schlechten Beschaffenhett drS Mörtels anderersettS
iu finden. Der Grund qu. EinsturzeS ist wahr-
swetnltch in der großen Nachgiebigkett der Herren
^athsmeistrr gegen ihre Eollegen einerseitS und tn

Angaben, daß Oesterreich und Preußen ein
Verbot der Generalvcrsammlung des National-
vereins oder ein cigenes Einschreiten gegen die-
selbe beabsichtigt hätten, und daß weitere An-
träge betreffs des Nationalvereins zwischeu den
beiden Großmächteu bcreits vereinbart seien,
erklart die Provinzial-Correspondenz für durch-
aus irrthünilich.

Dcr bayerisch-sächsisch-darmstädtische Antrag
betreffs Einberufung der holsteinischen Stände
wird nach der „Fr. Postztg." bestimmt in der
Bundestagssitzung am uächsten Freitag einge-
bracht werden.

Wie die „Spenerffchc Ztg." telegraphisch aus
Wien meldet, will Oesterreich gegen den in dcr
Bundestagssitzung am nächften Freitag bevor-
stehenden mittelstaatlichen Antrag auf Einbe-
rufung der holsteinischen Stände Ablehnung
gemeinschaftlich mit.Preußen beantragen.

Die holsteinischcn Blätter veröffcntlichen ein
Rescript dcr Landesregierung, wonach eS bei
Strafandrohung verboten ist, Andere als die
Monarchen von Oesterreich und Preußen Lan-
deSherrn oder regierenden Herzog zu nennen.

Wie die „Volksztg." schreibt, ist gegen die
Professoren Dr. Hupfeld und Dr. Riehm in
Halle ein glaubensgerichtliches Verfahren ein-
geleitet worden. Von Seitcn des Cultusmini-
steriums sind der Oberconsistorialrath Köpel
und der Geh.-Rath Olshausen zu einem Gut-
achten über dcn Offenbarungsbegriff der ge-
nannten Herren aufgesordert worden. So ge-
schehen im Zahre 1865 im Staate der Jn-
telligenz!

Der „Köln. Ztg." wird geschrieben: Hr. v.
Beke war auf dem besten Wege zum Herzen
des Hrn. v^ Rothschild; die Anleihefrage rückte
langsam vor, abcr sie näherte sich doch wirklich
einer für Wien erfreulichen Lösung. Kaum
aber war die Kunde von der österreichischen
Depesche hier eingelaufen, als der gewandte
Unterhändler mit einem Male in der Rue La-
fittc die Scene vollständig verändert fand. Der
große Börsenherrscher hat Hrn. v. Beke erklärt,
er könne sich jetzt nicht mehr auf weitere Un-
IcrhandlungeN einlassen und müsse wenigstens
die Wirkung abwarten. welche das Auftreten
des Wiener Cabinets zur Folge haben würde.

Der „Nordd. Allg. Ztg." geht aus gut un-
terrichteten Kreisen die Versicherung zu, daß
die österreichische Ncgierung mit der Disconto-
Gesellschaft in Berlin wegen eines Anlehens-

der großen Flüchttgkeit, womit hierortS Bau-Abnah- ^
men geschkhen sollen, anderersetts zu suchcn. Muth-
maßlich war die betreffende Unglückswand in ihrer
schlechten Eonstruction dadurch bem praktischen Blick
der Commtsfion entzogen, daß fie bei dcr Rohbau-
Abnahme bereits mit Mörtel verputzt war, wie es
so häufig gefchieht; ein Abschlagen des Putzes an
einzelnen Stellen Behufs genauer Besichtigung
schetnt nicht angeordnet worden zu sein. Die
Frage: „wodurch ist dem Uebel des Häuser-Etn-
sturzes tn Berlin zu steuern", beantwortet fich fol-
gendermaßen: 1) Jeder ausführende Bauhand-
wkrksmesster, durch dkffen Nachlasfigkeit bei der
Ausführung ein Unglück geschehen ist, verliert so-
fort dte Concesfion alS folcher. 2) Man stelle
Baubeamte än, die als ihren alleinigen Beruf die
Controle über dte Baulichkeiten zu jeber Zeit ohne
vorherige Anmeldung ausuben — entgegengesetzt
der biSherigen Praxis, wonach dte Rathsmeister
neben ihrrr vielseitigen Privat-Thätigkeit noch die
Rohbau-Abnahmen besorgen.

(Gutzkow'S Befinden.) Das „Bayreuther
Tagbl." vom23. Oct.schreibt: Gegenüber einzelnen

geschäfteS, welches gegcn Verpfändung der öster-
reichischen Staatsdomänen realisirt werden soll,
in Verbindung getreten ist.

Die französischen Fregatten, welche einen
Theil der OccupationSlruppen nach Frankreich
zurückbringen sollen, stnd in Civitavecchia ein-
getroffen.

Nach dem „Moniteur" ist Rußland dem
französischen Vorschlag einer internationalen
Säuitätsconferenz zu Konstantinopel beige-
treten.

Von den italicnischen Wahlen sind nun 347
bekannt. 204 Deputirte sind wieder gewählt,
143 sind neu gewählt. Unter den Wiederge-
wählten befindell sich Cordovä, Lanza, Buon-
campagni, Lamaza, Ricciardi, Livcrio, Romano.

Nach Briefen aus Rom ^ ist in dem Kirchen-
staat die Cholera ausgebrochen.

Die spanische Negierung hat eine Note an
England gerichtet, um ihm die Versicherung zu
ertheilen, daß sie dem Sclavenhandel energisch
entgegentreten werde.

Deutschland.

Karlsruhe, 1. Novbr. Seine Königliche
Hoheit der Großherzog habeil mit höchster Ent-
schließung vom 28. v. M. gnädigst geruht, den
Redacteur des Bremer Handelsblattes, Dr.
juris Arwed Emminghaus in Bremen,
zum Professor der Volkswirthschaft an der
Polytechnischen Schule dahier zu ernennen.

Karlsruhe, 31. Oct. Verläßlichen Nach-
richten zufolge wird der Großherzogliche Hof
gegen Enve dieser Woche von Baden hieher
wieder übersiedeln.

Seine Königliche Hoheit der Großherzvg
werden demnächst nur wenige Tage in der Re-
sidenz verweilen, indem Sie beabsichtigen, trotz
der schon vorgerückten Jahreszeit, auf An-
rathen Jhrer Äerzte, die nächstfolgenden Wo-
chen zu einem Aufenthalt am Genfer-See zu
benützen, um durch Luftveränverung die Re-
convaleszenz von den in letzter Zeit durch
rheumatische und neuralgische Affectionen er-
littenen Störungen Jhres Wohlbefindens zu
fördern und zn befestigen Dadurch gewinnen
SeiNe Königleche Hoheit zugleich die Möglich-
keit des von den Aerzten für nothwendig er-
achteten GenusseS einer vollstanvigeren äuße-
ren Nuhe,' welche — in dem erf.orderlichen
Maße — nur während eines Aufenthaltes an

dieseS nicht umhin, setne bei Gelegenheit der gestrt-
gen Theater-Aufführung in der Anstalt St. Gil-
genberg persönlich gemachten Wahrnehmungen auch
dem größercn Publikum mitzutheilen, wiewohl dte
Gilgenderger Abend-Unterhaltungen selbstverständ-
lich nur den Charakter von Privat-Soirven tragen.
Man gab zwifchen Mufikvortragen zwei Stücke, von
welchen das zweite, „Die kleine Sängrrin", ein rei-
zender Scherz in einem Act mit eingelegten Lou-
plets von Gutzkow für biesen Abend und für dte
Mitwirkung seinrs TöchterchenS Selma berechnet
und verfaßt worden war. Gutzkow nabm nicht nur
während ber Aufführung den regsten Antheik, son-
dern verkehrte auch im Saal biS spät in die Nacht
hinein mtt den geladenen Gästen in liebenSwür-
digster Weise. Auch sämmtliche Proben und die
Arrangements der Bühne hatte der Dickter mit
dem lebhaftesten Jnteresse bisher geleitet. Mit dem
freudigen Gefüble, daß es der hingebendsten ärzt-
lichen Pflege gelungen, drn schwer erkxankten Dichter
so weit der Genesung entgegcnzuführen, daß der
 
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