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Heidelberger Zeitung — 1865 (Juli bis Dezember)

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Nr. 152-177 Juli
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https://doi.org/10.11588/diglit.2786#0056

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wurde, dessen kräftiges AuSsehen das frcudige
Staunen der Anwesenden hervorrief.

— Aus der Pfalz, 6. Juli. Der schwarz-
weiße preußischx Libcra.lismus ist der Mcinung,
daß der slchdeutsHeConstitutionaliSiyus nurvom
Gnadenbjode des Preußischen lebe, und da§,
wenn ärAreüst^ dcr CoustituiionalismuS un-
tcrlieg^ or Hthi^nmg auch in ganz Süddeutsch-
land untefnegen müsse. Wenn es sich wirklich
so verhielte, daß das süddeutsche Verfasiungs-
wesen sich zu dem preußischen wie die Wirkung
zur Ursache, wie die, Folge zu ihrem (Zrunde,
oder auch wic daS obere Stockwerk eines Hauses
zu dem Erdgeschoß und Fundamente verhielte,
dann stäude es schlimm mit unseren Verfassun-
gen; denn. die ppeußijche, obgleich. noch iu sehr
jugendlichem Alter stehend, scheint ihr nie kraftig
aufgeblühtes, kümmerlich dahin siechendes Leben
bald beschließen zu wollen, um wieder dem Ab-
solutismus zur Bente zu werden. Glücklicher
Weise ist aber die preußische Anschauungswcise
eine grundfalsche, und die Sache verhält sich
in der WirklichkeiL gerade umgekehrt. Die süd-
deutschen Constitutionen sind entstanden, als
Preußen noch einc absolute Monarchie war,
und haben trotz dcr verpestcnden Lüft, die von
hier aus sie anwehete, sich erhalten und ihre
Lebenskraftigkeit unter allen Stürmen bewährt.
Mit größerem Recht kann man behaupten, daß
Preußen, angehaucht von der auS Süddeutsch-
land ihm zuströmenden Lebensluft, endlich auch
ans seincr Erstarrnng erwachte, und daß es,
erzriffen und fortgerissen von dem von Süden
nach Norden im Siegeslauf fortschreitcnden
Zeitgeiste, nicht länger mehr widerstreben konnte,
sondern den Forderungen der Zeit sich fügen
mußte. Wir sehen zwar sehr gut ein, daß ein
kräftiger und siegreicher Aufschwung des con-
stitutionellen Lebens in einem größeren deut-
schen Staate, namentlich in Preußen, eine
müchtige Stütze für das Vcrfassungsleben in
den kleineren deutschen Staaten und eine Bürg-
schaft für die ungestörte Fortentwicklung des-
selben sein würde. Aber daraus folgt noch
lange nicht, daß der preußische Wind die Lebens-
luft für die süddentschen Verfassungen ist; wir
sind vielmehr der festen Zuversicht, daß unsere
Verfassungen, die vor der prenßischcn und
ohne diesclbe entstanden sind, noch fortdauern
werden, wenn letztere auch wieder unter dcm
Gifthauche Bismarckischer Willkürherrschaft in
das Grab sinken söllte. Hätte Preußen seine
von der Vorsehung und von dem Genius des
Vaterlandes ihm übertragene Mission erfüllt,
so würden die klcineren, von gesundem Lebcn
durchströmten deutschen Staaten sich ihm mit
Freuden atigeschlossen und seiner Führung ver-
traut haben; nun und nimmermehr werden sie
sich aber dazu hergeben, dem , Bismarckischen
Absolutismus sich in die Arme zu werfcn, und
von seinem Gnadenbrode zu leben. Unsere Ver-
fassüngen sind auf unserem eigenen Grund und
Boden gewachsen und wurzeln in dem gesun-
den Geist unseres Volkes, welches weder nach
Pumpernickel, noch nach Teltower Rüben lüstcrn
ist.

Frankfurt, 13. Juli. Die Wochenschrift
. des Nationalvereins veröffentlicht folgende Er-
klärung von M. Wiggers in Rostock: „An
den Ausschuß des deutschen Nationalvereins!
Uüter den ungünstigsten Verhältyissen hat eine
Aüzahl von Patrioteü hiesiger Stadt bisher
lreu zy der Fahne des deutschen National-
vereins gehalten. Nachdem aber bekanntlich in
der, wegen Theilnahme an diesem Verein ein-
gelLiteten Untersuchung, durch großherzogliches
Neskript ein rechtökräfligcs freisprechendes Er-
kenntuiß kassirt und an dessen Stelle ein ver-
urtheitendes Erkenntniß gesetzt und der Rath
der L-tadt Rostock durch militärische Exekution
gezwungen worden ist, das letztere zur Aus-.
führung zu bringen, ist es den hiesigcn M'it-
gliedern des Nationalvereins unmöglich gemacht,
demselben noch fernerhin anzugehören. Sie
sind daher aus dem. Verein ausgetreten, und
haben mich beaustragt von diesem Schritte dem
Ausschußc Anzeige zu machen und dabei dem-
selhen das lebhafte Be!)auern auszud.rücken, mit
welchem sie sich in die ihnkn auferlegte Noth-
wendigkeit gefügt haben. Jch kann dieses Schrei-
bcü mcht schließen, ohne Jhnen zu sagen, wie
schmerzlich eS mich berührt, daß ich mit dem
Austritt aus dem Verein auch aus dem engeren

Krcis mir liebgewordner Frcunde und Gesin- !
nungsgenossen, welchem der Verein die Leitung
sciner Angelegenheiten übertragen hat, und wel-
chem ich faft dxei Zahre anzugehören di-e Ehre
gehabt habe, zu scheshen gezwungen birn Jch
hoffe aber, daß dieLZeit nicht mehr fern tst,
wo mir der iÄiedercintritt in den Vetein ge-
stattet sein wird. Denn mcine Freunde und ich
sind sest entschlossen, unser Recht mit allen ge-
setzsichsn Mitteln zu verfolgen. Auf jeden Fyll
wird durch eincn Austritt das innere Band,
welches uns miteinander verbindet, nicht gelöst.
Auch ohne Mitglied des deutschen National-
vereins zu sein, werde ich por lvie nach für
die Zwecke desselben Mit allen Kräften thätig
scin. Genehmigen Sie dic Versichcrung der
größten Hochachtung Jhres Ergcbenstcn Moritz
Wiggers. Rostock den 4. Iuli 1865."

Frankfurt, 14. Juni. Wie aus einer iy
der gestrigen Bundestagssitzung erfolgten An-
zeige hervorgeht, hat nun auch Portugal einen
Gesandten am Bund beglanbigen lassen und
der Konig hiezu den Don Louis Vittorio de
Noronla ernannt. Derselbe wird aber seinen
Sitz wahrscheinlich nicht in Frgnkfurt nehmen.
Weitere Anzeigen ip^urden in der gestrigen
Sitzung erstattet: von Oesterrcich, daß es dasf
Nachdrucksgcsetz, wenn in demselben noch einige
Modisicationen vorgenommen würden^ dem
Reichstag vorlegen werde; von England, daß
auf Dauer der Abwesenheit deS (auf einer Reise
beßriffenen) Sir Alex. Male der erste Legations-
secretär Corbett Esq^ die Gesandtschaftsgeschäfte
besorgen werde. Ernennungen m die am 20,,
d. M. dahier zusammentretende Commission
für Einführung gleichen Maßes und Gewichtes
in Deutschland wurdcn angezeigt von Bayern
(Prof. Dr. Jolly), von Kgr. Sachsen (Geh.-
Reg.-Rath Dr. Hülße)^ Großh. Hessen (Geh.
Rath Eckardt), den Hansestädten (Münzdirector
Repsold), Oldenburg (Oberbaudirector Lasius).
Einem Antrag des Ausschusses für das. Bundes-
kaffenwesen entsprechend, wurde gcnehmigt, sür
die Verwaltung der bei dem Hauie Rothschild
deponirten Bundesgelder fortan nür 2^/z pCt.
Zinsen (statt der bisherigen 3^ pCt,) zu bean-
spruchen. Ein Vortrag des Militärausschuffes
beschäftigte sich mit den Bestimmungen der Tex-
mine, innerhalb deren das Bundesverpflegungs-
reglement auf die letzte Bundeserecution in
Holstein in Anwendung zu kommen hat. Jn
der Sjtzung fehlten die Gesandten sür die 13.,
15. nnd 17. Curie und wären vertreten durch
Größh. Hessen, Mecklenburg und die sächsischen
Häuser.

Berlin, den 12. Juli. Die Willkür der
Regierung, die Zulassung der einjahrigcn
Freiwiltige n von dem politischen Verhalten
nicht nur der jnngen Leute stlbst, sondern auch
deren Väter und sonstigen Verwandten ab-
hangig zu machen — eine Willkür, die wie
dic Debatten über die Mettyffche Jnterpella-.
tion bewiestn hahen, thatsachlich von der Pe-
gierung auögeübt ist und an bem Minister des
Jnnern ihren Vcrtheidiger fand — ift jetzt durch
ein Ausschreiben des Kriegsministeriums zum
Gesetze erhoben, da hiernach dic Zulassnng zu
jener Begünstigung in erster Linie von der
Beibringung eines polizeilichen Zeugnisses über
„gute Führüng ünd 'Moralität" abhängig ge-
macht werdcn soll. Man hat es ans diese
Weise in der Hand, mißliebige Abgeordnete
und sonstige Oppositiousmachcr in der Per-
son ihrer Söhne auf das Empfindlichste zu
maßregcln.

Berlin, 13. Juli. Die „Kreuzzeitung" hält
sich für gut unterrichtet, wenn sie mittheilt,
daß die Rathgeber des Erbprinzen von Augu-
stenburg noch jetzt bereit seien, Nordschleswig
an DLnemark abzutreten. Vor nicht langer
Zeit habe ein vertrauter Bekannter und Agent
der Augustenburgischen Polilik eincr außer-
deutjchen Großmacht vcrsichert, das Augusten-
burger Haus sei bereit, auf Nordschleswig zu
verzichtcn, wenn es unter dieser Bedingung die
Unterstützung gedachter Großmacht gewinnen
könne. (Wird in Anbetracht der tendenciösen'
Quelle mit .Vorstcht aufzunehmen sein.)

Köln, 13. Juni. Das Comitc für daS Abge-
ordnetenhaus (Bankett und Rheinfahrt nach
^ dem Siebengebirge am 22. und 23. Juli),
i hat nunmehr seinc Einladung „an die liberalen
> Bürger von Rheinland - Westphalen" erlassen.

Es hcißt darin: Das Fest soll Gelegenheit
bietcn, den Volksvertretcrn, welchc mil uuer-
müdlicher Ausdauer und Energie für unsere
verfafftmgsmäßigcnMechte gekämpft haben, die
verdiente Anerkennung uild Ehre zu "zollen;
es soll ihuen nach den äußerst anstrengenden
Arbeitew dcr langen Session zugleich eine Er-
holung gewähren. Das Fest hat aber äuch den
Zweck, in der jetzigen politischen Lage den münd-
lichen Austausch der Jdeen zu vermitkeln, sich
qn. bewährte verfassungstreue Männer fester
änzufchließen und gegenseitig die Ausdauer und
Einmüthigkeit zu beleben, welche der zum Schutz
der verfassungsmäßigen Rechte und Freiheiten
zu führende Kampf von einem Jeden erfordert.
Zu ben officlellen Jubelfesten in Aachen und
Köln waren die Abgeordncten nicht grladen
und keiner der officiellen Festredner - hatte ^ der
Repräsentanten deLVolkes gedacht! So schaare
denn das unabhängige liberale Bürgerthum sich
zusammen, um des Volkes Dank deü Vertre^
tern des Volkes darzubringen und in würdiger
und großartiger Weise vor der Nation, ja vor
der ganzen gebildeten Welt, Zeugniß abzulegen,
„daß das Volk sich eins weiß^mit seinen.Ver-
tretern, wekche ftw die wahren Jntereffen des
Landes überzeugungs- und- pflichtgetreu cinge-
treten sind."

G n g l ir n d

London, 13. Juli. Die cdnstrvative Partei
ist hei.den Wahlen in Jrland unterlegen. Jn
Belfast kam es aus Anlaß der Wahleu zu ern-
sten Unruhen. Die Orangistcn nahmen von dem
Abstimmungssaale Besitz und verhinderten ocn
liberalen Canüidaten, Hrn. Hay, zu sprechen.
Auch auf der,Straße hatten Conflicte statt.
Bewaffnete Protestanten drangen in das katho-
lische-Quartier ein. Man besorgt neue Unruhen
sürcheute.

S p a n i e n

Madrid. 13. Juli. Die „Epoca" vcrsichert,
der Erzhijchof von Burgos habe von der Kö-
nigin seiue Enlassung als Gouverneur des
Prinzen v. Asturien verlangt. Pörse flau.

Ä m e r i k a.

Newyork^ 1. Iuti. Die Bürger von Rich-
mond haben in eincr Pctition an dcn Prasi-
denten Jyhnson um Zurücknahme jenes Para-
graphen iy seiner Proclamation gebeten, welcher
alle Conföderirten, die mehr als 20,000 Doll.
im Vermögen besitzen, von der Amnestie aus-
nimmt. — Oberst Mosby, der berühmte con-
födexirte Raubzügler, ift vom Präsidenten be-
gnadigt worden und hat in Colpepper in Vir-
giuien als Advocat zu practiciren angefangen.

Neueste Nachrichten.

Berliu, 14. Iuli. Die „Nordd. Allg. Ztg."
sagt/Me Ausrüstung fchlesischer Festuügen sei
nicht durch politische Verhältnisse bedingt, svn-
dern einstweilen nur durch technische Gründe
veranlaßt. Allcrdings sei cs bedäuerlich, daß
wir in einer Zeit lebten, in welcher derartige
Maßregeln:zu der erwähnten Deutung Anläß
geben konnten. Oesterreichs Presse wolle Deutfch-
land an den Gedankcn eines Bürgerkrieges ge-
wöhnen.

^ters", Karl Fpiedrich Sch öchlin / Beide bier,
wegen Gefährdung der öffentlichcn Rube und Ord-
nung durch die Preffe. Den Gegenstand der An-
klage bildeten .'i Artikcl, welche während des ver-
gangenen Winters im „Bad. Beob." ^rschienen

„Aus Baden, 2l. Dec.", in Nr- 302 vom2Z. Dec.
v. I., ein Leitartikel in Nr. 38 vom 14. Febr.
d. I., überschrieben: „Die Parteiherrschaft und die
Conservativen, ll.", und endlich der Anfruf in
Nr. 44 vom 21. Febr. mit der Ucberschrtft: „An
die Katholiken!" welch letzterer Artikel die polizei-
liche Beschlagnahme der genannten Nummer zur
Folge gehabt hatte. Anwalt Brummel war gcstan-
dig, diesc Artikel verfaßt zu haben, und K- Fr.
Schöchlin haftet für dieselben als Redacteur. Dle
Anklagebegründung des großh. Oberstaatsanwalts
Bachelin hatte vorzüglich zwer Uragen zu be-
sprcchen, nämlich erstens, ob fich die beiden erst-
genannten Artikel, welche nur in allgemetneren
AuSorücken vom „LiberaliSmus rm Amt", vem
„Liberalismus am Ruder" und der „neuen Aera
 
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