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Heidelberger Zeitung — 1865 (Juli bis Dezember)

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Nr. 205-230 September
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https://doi.org/10.11588/diglit.2786#0231

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Utidelbtrger Zeilung.

Krelsvcrkündigungsblatt für üen Kreis Hcibelberg unb amtliches Äerkünüigungsblatt für üie Amts- unü Aints-
Gerichtsbezirke Heidelberg und Wicsloch und üen Amtsgerichtsbezirk Neckargemünü.

M 2««


Samstag, 2. Teptember 18«S>

Auf dic „Heidelberger
Zeitung" kann man sich
noch für den Monat
Seplember mit 21 Kreuzern abonniren bei allen
Postanstalten, den Boten und Zeitungsträgern,
fowie der Expedition (Schiffgafse Nr. 4).

* Politische Ilmschait.

* Verfchiedene Anzeichen sprechen mehr und
mehr dafür, daß das Abkommen von Gastein
ein feit langer Zeit vorbereitetes war. Weil
man jedoch vorausfehen konnte, daß England
und Frankreich ein auf Theilung abzielendes
Arrangement auch in feinem ersten Anfange
unfreundlich aufnehmen würden, wußte Preußen
die Angelegenheit so geschickt zu leiten, daß die
Uebereinkunft den Anschein gewann, als ein
Mittel zur Abwcndnng eines grausamen Bür-
gerkrieges zu dienen. Die fortdauernde Jnti-
mität beider Hvfe bildete stets die, uneinge-
weihten Augen verborgene Kehrseite der äußer-
lich effectvoll aufgeführten Bühnengefechte. Die
dem dcutschen Bunde gemachten Zugeständniffe
sind aber, bei Lichte betrachtet, vollends sehr
dehnbar und illusorisch. Die Herstellung der
deutschen Flotte ist auf den Passus: wollen,
die Erh'ebung Rendsburg zur Bundesfestung
auf den Passus: werden gestützt. Wic aber,
wenn die beiden Vormächte nicht werden und
nicht wolleu? Welche Macht kann Oester«
reich und Preußen au die Erfüllung ihres Ver-
sprechens erinnern? Auch flößen dieselben felbst-
verständlich in Bezug auf den Bau einer deut-
schen Flotte auch sonst kein Vertrauen ein.
So lange die Sachen in Deutschland stchen,
wie jetzt, würden wir aber stets nnr eine öster-
reichische und preußische, aber keine deutsche
Flotte haben, und wird diese letztere nach wie
vor eine patriotische Phantasie verbleiben!

Nach einem Londoner Telegramm soll die
Salzburger (Gasteiner) Convention in Geheim-
artikeln bestimmen: Oesterreich verpflichte sich
den Augustenburger zu überwachen und Hol-
stein gegen oine Geldentschädigung an Preußen
abzutreten. — Preußen semerseits aber ver-
pflichte sich, im Bnndestag zu beantragen, eine
Garantie der österreichischen Besitzungen zu
übernehmen. (Die Richtigkeit der Angabc steht
vorerst zn bezweifeln.)

Die durch französische Blätter aus Wieu ge-
meldeten Gcrüchte, der Graf Mensdorff werde
im Ministerinm durch den Grafen Bloome er-
setzt,. werden nun als vollkommen grundlos be-
zeichnet.

Jn Peru breitet sich bie Revolution aus.
Die Jnsurgenten follcn vor Lima stehen.

D e n t f ch l a n d

Karlsruhe, 31. Aug. Se. Kgl. Hoheit
der Großherzog haben Sich unter dem 12.
August d. Z. gnädigst bewogen gefunden, dem
kaiserl. russischen Stabsarzt Haartmann, Leib-
arzt Jhrer Kaiserl. Hoheit der Frau Prinzessin
Wilhelm von Baden, das Commandeurkreuz
mit Stern des Ordens vom Zähringer Löwen
zu verleihen.

Se. Königl. Hoheit der Groß her zo g haben
Sich unter dcm 9. Aug. d. I. gnädigst bewogen
gefunden, dem Hauptlehrer Joh. Gg. Reuther
zu Neckarbischofsheim, in Anerkennung seiner
iangjährigen treuen Dienste, die kleine goldene
Civilverdienstmedaille zu vcrleihen.

Karlsruhe, 31. August. Das heute er-

schienene Oiegbl. Nr. 43 enthält (außer Per-
sonalnachrichteu.):

I. Verfügungeu und Bekanntmachungen der
Ministerien. 1) Bekanntmachung des großh.
Ministeriums bes Znnern: Die Vornahme einer
Ersatzwahl für den aus der Zweiteu Kammer
dcr Ständeversammlung freiwillig ausgetretenen
Abgeordneten Walli betreffend (mit deren Lei-
tung als landesherrlicher Wahlcommissär wird
der großh. Kanzler Haas in Mannheim beauf-
tragt). 2) Bekanntmachungen des großh. Hau-
delsministeriums: a) Die Ertheilung eines Er-
findnngspatenles an Herrn Zngenieur Alfred
Nobel in Stockholm für die von ihm erfundcne
neue Sprengmethode mit Anwendung von Ni-
troglycerin betreffeud. d) Die Eröffnung von
Telegraphenstationen betreffend. Am 1. Sept.
d. I. wird die neuerrichtete Vereinstelegraphen-
stalion Ludwigshafen am See mit beschränktem
Tagesdienft dem allgemeinen Telegraphenverkehr
übergeben werden.

II. Todessälle. Gestorben sind: Am 16. d. M.
der großh. Bezirksarzt Dr. L>aur in Villingen.
Am 17. d. M. der großh. Bezirksarzt Dr.
Wenneis in Ladenburg.

Karlsruhe, 29. Aug. Bezüglich der Volks-
schullehreraufbesserung vernimmt man, daß eine
Trennung ver'Meßnereipfründe vou den übri-
gen Bestandtheilen des Lehrergehalts nicht iu
Aussicht genommeu sein soll. (S. M.)

Heidelberg, 1. Sept. Die Bad. Landes-
zeitung bringt yeute eineu Aufruf au alle ka-
tholischen (nicht ultramonlaneu) Männer Ba-
dens, welcher zuerft das Wesen und die
Folgen des Ultramontanismus darlegt und
danu schließt: Wem verdankt ber Ultramon-
tanismus fein furchtbares Emporkommen? L>ei-
ner einheitlichen Organisation, die wie eine
über alle Gemeinden verzweigte Maschiuerie
planmäßig, daher kraftvoll wirkt, und vermöge
nie versiegender Geldqucllen wirken kann. So-
dann beruht seine Hauptstärke iu uuserer Laß-
heit, weil wir, vom Treiben des Ullramonta-
nismus angeekelt, dem kirchlichen Leben über-
haupt den Rücken kehren. Raffcl euch daher
Alle zusammen, wenn noch die alte Religion
christlicher Nächstenliebe, christlich aufgeklärlcr
Menschheitsentwickelung heilig und theuer ist,
lasset uns nach dem Vorbild der ultramontanen
Vereine zusammentreten zu eincm großen Bund
aller liberalen Kathotiken; ein Bund, der sich
in alle Gcmeinden verzweigl, und Mittel und
Wege jchaffl, um von Zeil zu Zeit in geeig-
neten Flugschriften, die von Haus'zu Haus
verbreitet würden, dem Ultramomanismus den
Boden unter den Füßen nnd die fromme Maske
vom herrschsüchtigen Gesichte herabzuziehen. Nur
auf diejem Wege können wir den Priesterstand
von dem entweihenden Zoch des Ultramonta-
nismus befreien und ihn seiner biblischen Be-
stimmuug, der Seelsorge, zurückgeben, in Frie-
den mit oem Staat und andercn Confejsionen
leben und die kirchliche Entwickclung in die
rechte Bahu zurllckleiten.

Der Plan wäre uach unseren vorläufigen
Berathungen folgender: eine große Versamm-
lung aller liberalen Katholiken in der Stadt
Badcn abhalten, dort uns und den Verein or-
ganisiren und die weiteren Schritte berathen.
Jetzt schon wird sich dcr Beschlüß empfehlen,.
in einer Schrift alle zerstörenden Früchte oeS
Ultramontanismus in den einzelnen Gemeinden
darzustellen, wozu die Beiträge gern und reich-
lich fließen würden. Es wäre crwünscht, wenn
unser Plan allseitig öffentlich besprochen und

hervorragende Männcr ihre Betheiligung vor-
erst brieflich durch die Redaction kund geben
würden. Mehrere Katholiken.

c5 Vom Neckar, 29. Aug. Bekannter-
maßen gehört cs gegenwärtig zu den Kunstgriffen
der Ultramontanen, die Arbeiterfrage in ihrem
Sinne auszubeuteu. Ein erstes Zeichen dieser
Taktik waren die von Geistlichen geleiteten Ge-
sellen-Vereine. Neuerdings erklärt diesc Par-
tei, sie und die Kirche seien berufen, sich der
großen Masse von Arbeitern anzunehmen, die
durch die Gewerbefreiheit, durch das Capital,
die Jndustrie uno das Maschincnwesen zu
Sklaven gemacht würden. Man denke hiebei
nur an die vom Bischof Ketteler geschriebene
Arbeiterbroschüre. Vielleicht dürfte cs am
Platzc sein, diese Herren zu erinnern, daß ihre
Kirche vicle Jahrhunderte lang nichts gethan
hat, die Sklaverei zu mildern, oder zu besei-
tigen, daß sie vielmchr aus der Leibeigenschaft
sogar noch Nutzen gezogen hat. Dies geschah
in Europa und Asien. Jm letzteren Welttheile
hat sie nur hie und da gegen die Sklaverei
ein ganz sccundäres, untergeordnctes Mittel er-
griffen, die Sklaverei selbst ließ sie aber im
Großen und Ganzen unangetastet fortbestehn;
in Europa aber beutcte sie, während des Mit-
telalters, ebenso wie der Adel, die Hörigen auf
ihren Güteru zu ihren Gunsten aus, wo und
wie sie immer konnte. Sie hat daher kein
Recht, sich heute, wo es unter uns längst keine
Sklaverei mehr gibt, wo die letzten Rechte der
Hörigkeit abgelöst sind, zum Auwalt der an-
geblich der Sklaverei entgegengeführten Arbei-
ter aufzuwerfen. Wenn diese jetzt frci sind,
so ist die katholische Kirche hieran ganz un-
schuldig: ihre Befreiung verdankcn jene zumeist
solchen Männern, welche die Kirche als Jrr-
lehrer verurtheilt und verbranut hat, wenn sie
ihrer habhaft werden konnte.

— Aus der Pfalz, 30. Aug. Bei den
Verhandlungen der bayerischen Reichsrathskam-
mer vom 3. Juli hat Herr v. d. Pfordten die
Erklärung abgegeben: „Für uns fragt es sich,
ob, wenn das Bundesrecht des Herzogthums
Holstein nicht gewahrt wird, es sich dann
mit der Ehre, der Würdc und der Zukunst
Bayerns' vereinbart, sich an seine Bundespflich-
tcn gebunden zu erachten?" Die Kammer war
von gleichen Anschauungen beseelt und nahm
einstimmig den in diesem Slnne gestellten An-
trag bezüglich der schleswig-holsteinischen Ange-
legenheit an. Zetzt ist dic Sache in ein solches
Stadium getretcn, daß jene von dem bayeri-
schen Minister aufgeworfene Frage zu einer
ernstlichen Erwägung auffordert; und wir sind
begierig zu erfahren, ob Herr v. d. Pfordten
die schleswig-holsteinische Angelegenheit jetzt
noch aus dem damaligen Gesichtspunkte be-
trachtet, oder ob es dem Herrn von Bismarck,
welcher seitdem unter vier Augen mit Herrn
v. d. Pfordten Nücksprache nahm, gelungen ist,
seincn bayerischeu Collegen zu anderen Änsich-
ten zu bekehren. Wir unsererseits gchören
zwar zu denjenigen, welche die Auflösung des
deutschen Bundes für ein beklagenswerthes Er-
eigniß halten müßten; aber dcssenungeachtet ge-
stehen wir offen, daß wir cinen völligen Bcuch
als kein so großes Unglück bctrachten könnten,
wie die Fortdauer eines bloßen Scheinbundes,
der zu einem Spielzeug in der Hand zweier
selbstsüchtigen, abfolutistischen Machthaber ge-
worden ist. Zedenfalls sollten die deutschen
Mittel- und Kleinstaaten in enger und fester
Verbindung mit allen ihnen zu Gebote stehen-
 
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