Heidelberger Zeitung (1865 (Juli bis Dezember))

der Drohung von Religionsgefahren auf die
Wahl einzuwirken vcrsuchte. Jn ein und
dcr andern Gemcindc sind die Wahle« auch
nicht ungünstig fnr die Nückschritlspartei auS-
gcfallen, allein im Ganzen stellt sich das Ver-
hältniß der Gewählten anf zwei Drittel Libe-
ralc und ein Drittel Ultramontane. Jn der
Stadt Offcnburg wurden sämmtliche 21 Wahl-
männer der Vcrfaffungspartei gewählt, und
die Dunkelmänncr erlitten hier eine entschicdcne
Niederlage.

X Aus dem Oberland, 5. Sept. Bei
den gestrigen Wahlen sind der Sache des Fort-
schritts günstige Resultate erzielt worden in
Freiburg — von 76 Wahlmännern nur 5 oder
6 ultramoutane — in Waldkirch, Breisach, in
Emmendingen. Liberal gewählt wurde ferner
in Constanz, Radolfzell, Stockach, auch in einem
großen Theil der Landgemeinden der Amtsbe-
zirke Radolfzell und Stockach, Pfullcndorf,
Ueberlingen, Villingen, Waldshut, Wolfach,
Eltenheim und Gengenbach.

Stuttgart, 29. Aug. Die am 1. Jan.
d. Js. unter dem Namen „Schwäbische Zei-
tung" entstandene neue demokratische Zeitung
geht bereits am 1. Septembcr wieder ein, nach-
dem ihr kurzes Dasein dcn Untcrnehmern auf
12,000 fl. zu stchen kam.

Bonn, 1. Sept. Der wegen Todtschlags
des französischen Koches Ott hier im Unter-
suchungs-Stubcnarrcft befindliche Graf Eulen-
burg ist zum allgemeinen Erstaunen zu den
Manöverübuugen seines Regimentes entlaffen
worden, obwohl das gegen ihn eingeleitete Ver-
fahren noch nicht geschloffen ist.

Bonn. 4. Sept. Heute Nacht kam es in
einem hiesigeq Locale zu einer blutigen Schlä-
gerei von so großen Dimensionen, daß das
durch den Polizciinspector rcquirirte Militär
von dcr blanken Waffe Gebrauch machen mußte.
Zwei Jndividuen (darunter der Hauptanstifter,
welcher vermittels eincs langen Dolches zahl-
reiche Vcrwundungen vorgenommen) sind todt,
scchs andere (darunter zwei Nachtwächter) liegen
zum Theil hoffnungsloS in der Klinik. (K. Z.)

Coblenz, 3. septbr. Zu der erledigten
Stelle eipes Directors des hiesigen Musikinsti-
tuts halten sich 49 Bewerber, darunter nam-
haftc musikalische Capacitäten, gemeldet. Zn
der gestrigen Sitzung des Vorstandes wurde
Hr. Max Bruch gewählt. Die Wahl unter-
liegt der Bestätigung der königl. Regierung.

Altona, 2. Sept. Die „Schlesw.-Holst.
Ztg." schrcibt: „Unter dem Siegel der könig-
lich preußischen Commandantnr in Rendsburg
und mit dem Certificat des dortigcn Platzma-
jors „Jn metner Gegenwart geschrieben", ist
heute eincm Mitgliede des Verwaltungsraths
unserer Zeitung ein Schreiben des vcrhasteten
May vom 30. August zugcgangen, dem wir
folgende Stelle entnehmen: „Das Einzige, was
mir bisher in meiner Angelegenheit kund ge-
worden, ist ein Rescript des Frhrn. v. Zedlitz,
daö mir am 30. v. M. (d. h. Juli) vorge-
zeigt wurv'e, in welchem gesagt ist, daß, nach-
dem zuvor meine Eigenschaft als preußischer
Untcrthan constatirt worden, meine Verhaftung
auf Befehl der preußischen Staatsregierung
wegen aufreizender Artikcl gegen die preußische
Regierung und Armee unter Vorbehalt der
Ueberweisung dcr Sache an das zuständige
preußischc Gericht erfolgt sei. Seitbem (d. h.
seit 30. Juli) habe ich nicht das Geringste
weiter erfahrcn, kann auch von hier aus nichts
weiter thun, da mir jeder Rechtsbeistand fehlt."
S ch w e i z.

Bern, 31. Aug. Die heutige dritte Sitzung
des internationalen Congresses für sociale Wis-
senschaften behandeltc die' Controle der wissen-
schaftlichen Berufsarten durch den Staat und
hie Jntervention der Geisilichkeit in der Schule.
Der Geschichtsforscher Quinet war durch einen
Brief vertteten, in welchem die Freigebung der
Schule als das eigentliche Palladium einer
menschlichen Zukunft dargestellt wurde. Der
Einfluß der Geistlichkeit in der Schule hört
grundsätzlich auf, sobald der Unterricht der
Moral von demjenigen der positiven Religion
getrcnnt wird. Professor Gelpke wies den in-
nern Zusammenhanq beider nach. Es habe
nie cine Religion ohne Moral und keine Mo-
ral ohne Religion gegeben. Daguet von Frei-

burg ist dagegen für die Trennung: Es gebe
keine allgemeine menschliche Rcligion, wohl
aber eine allgemein menschliche Moral. Diese
soll den Kindern gelehrt werden. Der Pariser
Noussel eiferte gegen jeve Einmischung der
Kirche in die Schule. Die Religion soll man
der Familie überlassen. Pressance, Professor
der protestantischen Theologie in Paris. verei-
nigte sich mit Gelpke und fand eben so viel
Beifall, als er Unwillen hervorrief. Pascal
Duprat erklärte, daß alle Religionen auf dem
Wunderglauben beruhen, während die Vernunft
kcin Wunder anerkenne. Jules Simon von
Paris sprach in gleichem Sinne und drückte
seinen Haß gegen jegliche Unterdrückung der
Denkfreiheit aus. — Als Mitglied der fünften
Scktion„Nationalökonomie" figurirt die Schrift-
stcllerin Fräulein Royer.

Z t a l r e rr

Rom, 30. August. Der Papst wird am
10. September wieder von Castel-Gandvlfo zu-
rückkommen. Das Consistorium ist auf den
25. October festgesctzt. Der heilige Vater wird
in seiner Anrede über die letzten Unlerhand-
lungen mit dem Cabinet von Florenz sprechen.
Der spanische Gesandle hat dem Papste sein
Abberufungsschreiben überreicht; er wird in
Rom sehr vermißt. Sein Nachfolger, Herr
Isturitz, wird im Lause des Monats erwartet.
Ju Rom ist der Gesundheitszustand vortrefflich.

^lorenz, 3. Sept. Die „Offizielle Ztg."
veröffentlicht den mit der L-chweiz abgeschlosse-
ncn Vertrag. wegen Feststellung der Grenzen
zwischen der Lombardci und dem Kanton Grau-
bünden.

B e l g i e n.

Brüfsei, 2. Sept. Der König kehrt mor-
gen oder übermorgen aus Ostende nach Schloß
Laeken zurück, wo die Königin von England
am künftigen MLttwoch zum Besuche erwaatet
wird. Die Seeluft hat auf die Gesundheit
des Monarchen dcn günstigsten Einfluß aus-
geübt.

Neueste Rnehrichten.

Skanghai, 5. August. Man fürchtet die
Hungersnoth in China. Ein Projekt telegra-
phischer Verbindung mit Eugland über Ruß-
laud ist in Vorschlag gebracht worden. Ju
Japan herrscht Ruhe.

Newyork, 26. Auz., Abends. Ketchum
wurde verhaftet, Johnson hat 47 Generale
entlasscn. Baumwolle, im Werthe von einer
halben Million, wurde von Mobile nach Li-
verpool geschickt. Gerüchte von einer neuen
Anleihe bestätigen sich.

Kiel, 5. sept., Nachm. Dic „Kieler Ztg."
bringt die Feststelluug der Verlegung preußi-
scher Truppen. Nach Kiel kommt ein See-
Bataillon und See-Artillerie; nach Rcndsburg
zwei Bataillone Jnfanterie, eine Abtheilung
Fußartillerie; nach Lauenburg ein Bataillon
Znsanterie, ein Bataillon Füsiliere und eine
Schwadron Dragoner. — Die „Itzehoer Zgt."
berichtet: Der Ausschuß der Schleswig-Holstei-
ner Vercine hat zu einer Delegirtenversamm-
lung auf dcn Freitag in Neumünster aufgesor-
dert. Die „Flensb. Nordd. Ztg." berichtet:
Amtmann Kraus und Polizeimeister Nitzsch
haben auf den 14. Sept. ihre Entlassung aus
dem Dienst angezeigt.

BZien, 5. Sept., Vormittags. Die „De-
batte" beschwichtigt dic Besorgniffe polnischer
Blätter, daß die Landtage doch nicht einberufen
werden, in folgender Weise: Jn maßgebenden
Kreisen steht die Absicht fest, die Landtage dies-
seits- der Leitha in der Mitte November, spä-
testens Anfangs December zusammen treten zu
lassen. Auch die Landtage jenseits der Leitha
werden im November, spätestens December tagen.
Die „Debatte" hebt hervor. das Programm der
Regierung sage, die Thättgkeit der Landtage
von Ungarn und Kroatien solle mit der Vor-
lage des Octoberdiploms und Aufhebung der
Februarverfassung beginnen. Belcredi betrachte
die größere Selbstständigkeit der Gemeinden,
welche sich in Ungarn bewährte, als unerläß-
liches Mittel zu freiheitlicher Entwicklnng. Die
Regicrung werdc den Landtagen diesseits der
Leitha üeßhalb neue Vorlagen machen.


Aus Baden. Jn Waldkirch fand am 1.
und 2. dss. Mts. dic Wahlmännerwahl zur
Wahl eines Abgeordneten in die zweite Kam-
mer statt, dei welcher die klerikale Partei trotz
allcr Anstrengung vollständig unterlegen ist.
— Pfarrer Karl Martini in Bauschlott wurde
aus scin Ansuchen in den Ruhestand versetzt.
Dic dem Patronate S. K. H. des Großher-
zogs unterliegende kath. Pfarrei Ebringen, De-
kanats Breisach, -vurde dem Dompräbendar
Karl Sulzer, z. Z. Pfarrverweser in Oberzell
auf Reichenau verliehen. S. K. H. der Groß-
herzog haben den von der Gemeinde Mücken-
loch aus den drei ihr bezeichnelen Bewerbern
gewählten und präsentirten Pfarrverweser Otto
Böhringer zum Pfarrer daselbst, und ebenso den
von der Gemeinde Brombach aus den drei ihr
bezeichneten Bewerbern gewählten und präsen-
tirten Diakonus Hänert in Lörrach zum Pfarrer
in Brombach ernannt.

sind: 1) Apfel, Anlon, Landwirth; 2) Bötlingrr, Ge-
meinderath; 3) Linf, Hanptlehrer; 4) Michelhans, Tille-
mann, Laudwirih; 5) Schniich, Bürgermeistcr; 6) Schrö-


zirkssörster Laurop. 305 auf Rathschreiber Laur, 301 aur
Lonnenwirlh Betsch. 298 auf Dr. Moliior, 292 auf
Wirth Wild, lauter liverale Männer. — Auf der Liste
der Gegner standen Hr. Amtsrichter Mors mit 118

219 Theil nahmen. Bürgermeister Gebhard mit 158.

i49, 139, 138, 127 Stimmerr weitere dem Fortschritt
huldigende Männer hervor. Von der andern Seite fielen
die meisten Slimmen (60) auf den kath. Pfr. Wiese.

Jn Eich'.ersheim wareu 165 Wahlberechtigte; cs
wäblten 143; qewählt w.urden folgende 4: Apotheker
Kreidel mit 100 Stimmen, Dr. Krastel mit 97, Bürger-
meister Landes mit 90, Ph. Schüßler mit 81 (Liberale).

JnÜnrergimper n 106 Stimmberechtigte; es wähl-
ten^63; gewählt wurden: 1) Bürgermstr. Sebast. Rei-
chensperger mit 31 Stimmen; 2) Anton Mmer mit 22
Stimmen; 3) Karl Reichensperger mit 19 Stiinnien,
ebenfalls Liberale.

Gewinnziehung °der Kolner Dombau-Lotttrie.

Nr. 328,158, ein Gewinn von 5000 Thaler auf Nr-
272,308, ein Gewinn von 1000 Thlr. auf Nr. 485,995-