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Heidelberger Zeitung — 1865 (Juli bis Dezember)

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Nr. 231-256 Oktober
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https://doi.org/10.11588/diglit.2786#0420

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nach allgemeinen strafrechtlichen Grnndsatzen '
richten, wonach jcdoch die Hauptverankwortlich-
keit vor Allem auf denVerleger des Blattes
fallen wird, so da§ dann der Eigenthümer allen
Grund zur Vorsicht haben dürste. Jn zweiter
Reihe wird, wie bisher, der Verfasser deS
Artikels mitverantwortlich sein, dagegcn wird
ein sog. verantwortlicher Redacteur nur eine
Nebenperson und vielleicht ganz überflüssig wer-
dcn. WenigstenS werden die Gerichte kei-
nenfalls mehr auf einen unwahrscheinlichen
Strohmann reflectiren.

):( Moöbach, 17. Oct. Jn dem benach«
barten würtembergischen Städtchen Gundels-
heim brach heute früh ein Brand auS, der 7
Gebäude, darunter einige Scheunen, einäscherte.
Die hiesige Feuerwehr wurde per Telegramm
auf dic Brandstätte gerusen, wo sie sich auch
dieses Mal wieder fehr thätig zeigte. Durch
die vielen in letzter Zeit in unsercr Gegend
vorgekommenen Brandfälle werden die Landge-
meinden, besonders dic größeren, daran erin-
nert, Feucrwehrcorps zu errichten, deren Zwcck-
mäßigkeit man namentlich bei dem bedcutendcn
Brande in Adelsheim wieder einzusehen Gelegen«
hcit hatte. Die Kosten, welche die Bildung
solcher Corps verursachen, sind verhältnißmäßig
so unbedeutend, daff sie im Hinblick auf die
Zweckmäßigkeit der Sache gar nicht in Betracht
gezogen wcrden sollten.

Stuttgart, 17. Okt. Ein durch verschiedene
Blätter verbreitcter angeblicher Corpsbefehl des
KönigS von Württembcrg soll gar nicht existi-
ren. Alles, was sich auf den Garnisondienst
bezieht, ift lediglich Sache des GouvernementS
und alle hierauf bezüglichen Befehle gehen von
dieser Behörde auS und heißen „Gouvernenients-
befehle". ES ift aber in neuerer Zeit kein
derartiger Befehl bekannt gemacht worden, und
was in dem Corpsbefehl, welchen wir auch in
unscrm Blatte gebracht haben, stehen soll, sind
Befehle, welche schon längst in der Kriegsdienst-
vrdnung stehen und welche, waS die Ehrenbe-
zeugungen vor den Mitgliedern des königlichen
Hauses anbelangt. gleich nach der Thronbestei-
gung des jetzigen KönigS bekannt gemacht wor-
den sind.. Daß der Soldat vor einer leeren
Hofequipage cine Ehrenbezeugung abgeben solle,
darüber bcsteht nirgcnds eine Jnstruction.

Wiesbaden, 15. Octbr. Aus der höchst
interessanten vorgestrigcn Debatte der zweiten
Kammer über die nassauischen Preßzustände
geben wir folgcnde Stelle aus der Rede des
Ausschußberichterstatters Dr. Braun unte? Be«
nutzung des stenographischen ProtocollS wie«
der: „Es ist allen Mitgliedern der verchrten
Versammlung bekannt, daß in Nassau 1863
ein Blatt existirte, das sich, unter Zustimmung
dieser Partei, als das officielle Organ des
„großdeutschen Rcformvereins für Nassau"
gerirte, und daß dieses Blatt Jedermann, der
nicht mit dieser Partei ging, schimpfte und
verleumdete. Auf Klage der Verleumdeten —
worunter auch ich — wurde das Blatt zu
einer langcn Reihe von Freihcitsstrasen durch
übereinstimmende Urtheile allrr Jnstanzen ver-
urtheilt. Die Verwaltung aber hat den Gang
der Gerichte uud die Vollstreckung ihrer Ur-

Umfange. Die Staatshilfe sei auch Selbsthilfe, denn !

Andern Jedem helfen, so hilft auch Jkber allen ^
Andern. Mit den immer größeren Dimenfionen, ,
die die Grnossinschaften voraussichtlich annehmen ^
werden, komme man dem Laffalle'schen Jdeal na- ^
turnothwendig immer näher. Und es sei ein nicht
genug zu schatzendeS Verdienst Lassalle's, daß er
den wunden Fleck unsirer socicklen Zustände na- !
mentlich im Hinblick auf die immer größere Ent- -
wicklung des Fabrikwesens und die damit zusam- ^
menhängcndc, stets wachsende Verarmung des Ar-
beiterstandes der Claffe der weniger Reichen gegen-
über jedem Auge erkennbar bloßgelegt habe. Die
feige Furcht deS ängstlichen Pdilistcrthums, das
immer von einem gewaltsamen Angriff der Arbriter I
gegen dte Capitalisten phantafire, sei gerade durch
Laffalle sehr gcmäßigt worden.

Er, der brgüterte Mann, wolltc keinen Lommu-
nismus, übrrhaupt kein revolutionäres Vorgehen.
Verbreitung höherer Bildung unter den arbeiten-
drn Klaffen, das war sein höchstes Streben, und
damtt verdiene er gewiß -ebenso den Beifall deS ^

! theile gehemmt. Damit nicht genug. Das
Blatt beschimpfte und verleumdete nun tagläg-
lich die Obergerichte, die cs verurtheilt hatten.
Das hiesige Obergericht erhob deshalb Anzcige
bei dem Ministerium. Dicsem HLttc die Pflicht
obgelegen, vorzuschreiten. ES gab aber nicht
einmal Antwort. Der Obergerichtshof brachte
dieselbe in Erinnerung. Da erfolgte ein höchst
ungnadiges Ministerialrescript, welches faft so
lautete, als sei der Delinquent der Gerichtshof
und der Gerichtshof der Delinquent. Es klagte
nun das Gericht selbft wegen Herabwürdigung
seincr Ehre durch gewerbsmäßige Berleumdung.
Der Angeklagte entzog sich der Verhaftung
durch — einen Spaziergang nach Mainz.
Dort berieth ihn ein nassauischer Beamter
(der Auditeur Werren), wie er sich am besten
der hiesigen Justiz entziehen könne. Bald
darnach wurdc dieser Beamte Director der Re-
gierung. Jedenfalls p « st kov, — wohl auch
1»i«pt6r k«v! Nun zog das Ministerium
die Acten ein und unterbrach den Gang der
Justiz; und schließlich schlug es alle diese An-
klagen dnrch eine einfache Ministerial-Ordrc
nieder. ES hemEe den Lauf der Justiz. Es
erklärte Alle — Private, Volksvertreter. Ober-
gerichte — für schutzloS und vogelfrei. Ja noch
mehr. Der Vorsitzende deS Obergerichts (Her-
genhahn), der Chef des Untergerichts, der Un-
tersuchungSrichter wurden alle ohne Urtheil
und Recht von ihren Stellen entsernt, auf
welchen sie die Pflichten ihres Amts nach Recht.
Gesetz und Gewisscn erfüllt hatten. — So
sckützte man das sogen. „conservative" Blatt
im Unrecht. Und wie ging man mit den
liberalen Blättern um? Sie wurden zu
Dutzenden, ohne Urtheil und Recht, uach po-
lizeilich administrativem Belieben, unterdrückt,
vcrwarnt, gemaßregelt, ja daS blose Halten
und Lesen wurde bei 4 Wochen Gcfängniß
verboten. Für die Beschaffenheit der Verwar-
nungen aus dcr großen Rcihe der Fälle hier
nur zwei kleine Beispiele: Vor etwa einem
Jahre gebrauchte dic hiesigc „Mittclrheinische
Ztg." in einem Jnserat die Worte „sn trsvvis'.
Da erhielt sic eine Vcrwarnung, und zwar
von dem Regierungsdirector, dessen Schwieger-
sohn Travers heißt. Als dieser Tage die
„Mittelrh. Ztg." von einer hiesigen Schau-
spielerin schrieb, sie spiele Soubretten beffer
als erste Liebhaberinnen, wurde sie der Art
von der Polizeidirection heimgesucht, daß sie
öffentlich erklärte, sie könne cs nun nicht mehr
wagen, Theaterkritiken in ihre Spalten aufzu-
nehmen. Also wie? Das Wort „en trsVei^"
zu gebrauchen, — das ist strafbar! DaS
Spiel einer Schauspielerin tadeln, — das ist
höchst strafbar!! Aber die Ehre der Bür-
ger und der Behörden verletzen, die Abgeord-
neten deS LandeS verleumden, die Ehre der
Obergerichte in den Staub ziehen, den makel-
losen Schild der Justiz mit Koth bcsudeln, —
das ist erlaubt, ja das ist löblichü!

-Und nun gehen Sie hin und suchen

Sie mit der Laterne des DiogeneS, ob Sie
ein Land'finden, wo SolcheS vorgeht! Sie
werden es in Europa nicht finden. Ja Sie
würden es nicht finden, und wenn Sie zu den

Schmalfeld noch um manchen interessanten Einzel-
! punkt bis zu ziemlich vorgerückter Stunde fortbe-
! wegte.

Berlin. Die „Tribüne" erzählt rine merkwür-
digc Scene, die fich am vorigen Sonntag in einer
hiefigen Kirche ereignete. Am Altare stand ein
Mann an der Seite eines jungen Mädckens, ihren

und den übrigen Zeugen; anßerdem hatten fich
ziemlich zahlreiche Zuschauer eingefunden. In den
Blicken deS Paares glaubte «an Frcude, Glück
und Zustiiedenheit zu lesen. Der Prediger schritt

ein in Schwarz gekleidetes Frauenzimmer und stellte
fich in einiger Gntfernung dem Bräutigam gerade
gegenüber auf. Als dteser die Augen aufhob, be-

Kaffern und Hottentotten, nach Honolulu und
nach Dahomey gingen." Die liberalen Abgc-
ordneten bestätigten die Angaben des Redners.
Keiner einzigen wurde widersprochen, weder
von den Regierungscommiffäre^l, noch von den
conservativen Abgeordneten, obgleich sie, um
den Eindruck der von lebhaftem Beifall beglei-
teten Rede zu schwächen. wieverholt das Wort
ergriffen. Nur der RegierungSpräsidcnt Win-
ter gab in Betreff der Verwarnung der Thea-
lerkritlk die Versicherung, „daß er davon
nichts wisse" ; und man kann um so wcniger
an deren Richtigkeit zweifeln, da wenigstens
er keinen Grund hatte, sich dieser Schauspie-
lerin anzunehmen. (N. Fr. Z.)

Berlin, 15. Octbr.. Nachm. Die heutige
„Provincialcorrespondenz" meldet: Die zwi-
schen Oesterreich und Preußen unter dcm 21.
v. M abgeschlossene Uebereinkunst zur Rege-
lung der Bes atzungSverhältniffe von Kiel be-
stimmt dle Stellung und die Befugniffe des
preußischen Kommandanten des Kieler Hafens
als VertreterS deS mit dem Oberkommando
über sämmtliche preußische Pruppen in den
Herzogthümern beauftragten Gouverneurs von
Manteuffel. Nach der Uebereinkunft übt Preu-
ßen innerhalb des Kieler Hafens die Polizei
auS über allc Kriegs- und Handels-Fahrzeuge
seiner eigcnen wie fremder Mannen vermittelst
eines im Kieler Hafen beständig statio'nirteu
Wachtschiffes. Die Uebereinkunft ist bereitS in
Kraft getrelen.

Dic „Provinzialcorrespondenz" erklärt die
Nachrichl, die preußische Regierung habe zehn
Panzerschifie bestellt. für unrichtig. Die Re-
gierung habe vielmehr zehn Schiffsrheder zur
Einreichung von Anschlägen aufgefordert. um
sodann den vortheilhaftestcn auszuwählen.

Graf Bismarck wird in zehn biS zwölf
Tagen zurückerwartet. — Dcr Justizminister,
Graf zur Lippe, wird in der uächsten Woche
seine amtliche Thätigkeit wieder aufnehmen.

Wien, 15. Octbr. Graf Mensdorff ist
heure von seinem Urlaub wicdcr hier eingetrof-
fen und hat die Geschäfte dcs auswärtigen
Amts sofokt wieder übernommen.

Z t a l i e n.

Florenz, 11. Ocl. Die italienische Frei-
maurerei bereitet eine großartige Demonstra-
tion gcgen die letztc Allocution des Papstes
vor, und mehrere Logen haben beschloffen, die
K'undgebung öffentlich zu begehen. Der Groß-
Orient Jtaliens ist in außerordentlicher Sitzung
zusammenberufen, um über die Wahl der De-
monstrationsmittel zu berathen. Die Allocu-
tion hat dem Bunde bereits heute schon eine
große Zahl neuer Adepten zugeführt; dcnn
sofort hat eine erneuerte Propaganda hier und
in Turin begonnen.

A m e r i k a.

Reuyork, 7. Octbr. Per „Moravian".
Durch eine böswillige Brandstiftung wurden
in Mobile 6000 Ballen Baumwolle im Werthe
von 1 Million Dollar zerstört. Zeitungen aus
St. LouiS enthalten die Nachricht, der mexika-
nische General Juarez sei auß dem Wege nach
den Vereinigten Staaten in L>anta-Fe, in Neu-

kommen war. Der Bräutigam aber, dem jener
Blick gcgolten hatte, war° sofort leichrnblaß gewor-
den, seine Kniee schienen zu ztttern, und als der
Prebiger die Frage an ihn richtcte, ob er die an-
wesende Braut zu seiner LehenSgefährtin wählen
wolle, entrang fich seiner Brust ein dumpses Nein.
Man kann sich den Eindruck denken, welchen dieses
Nein auf die Versammelten machte; der Bräuti-
gam aber, weit entfernt, über seine Sinnesände-
rung Rede zu stehen, stürzte fort und zur Thüre
hinaus, die erschreckte Braut, die Schwiegerxltern,
welche nicht wußten, was sie zu dem Dorfall sagen
sollten, zurücklaffend. So weit die Erzählung von
Augenzeugen; wir daben nicht erfahren, wie dte
Sache sich weiter entwickelt hat.

Nach dcr Konst. Oestr. Ztg. ist der berühmte Vio-
linspieler Wilhelm Ernst am 9- d. zu Nizza ge«
storben. Er war 1814 zu Brnnn geboren, lernr
in Paris bei Beriot, seine Glanzzert war 18^4
biS 1850. Seit längerer Zeit war er sehr lerdenv.
 
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