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Heidelberger Zeitung — 1865 (Juli bis Dezember)

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Nr. 257-282 November
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https://doi.org/10.11588/diglit.2786#0526

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großen AnforderuliZen, welche an ihn gemacht
worden sein sollen. Sie stellt dem Volke neue
Steuern in AuSsicht, und sieht vergnüglich in
der Ferne schon das Deficit herannahen, ohne
Zweifet in der HoffnunH, daß mit der Ankunft
deS Drftcits die Uhr der neuen Aera abgclau-
fen sein werde. Denn wer könnte unter dcr
Herrschaft des Deficits daS Regiment sonst
führen, als die Leiter der clericalen Partei?

Zum Unglück für diese Aussicht der Cleri-
calen, und zum Glück für den Staat ist die
Zeit deS Deficits noch sehr fern. Denn die
Klagen über daö Wachsthum des Budgets um
eine Million, die Befürchtungen über den
Rückgang der Finanzen sind rein aus der Luft
gegriffen; leviglich das Gegeutheil davon ist
wahr. Der ordentliche Staatsaufwand in Ba-
den hat sich gegenüber dem Jahr 1859 in den
folgenden Budgetperioden nicht erhöht, nnd die
Logik der Zahlen ist so unerbittlich, daß vor
ihr die tendenziöse Unwahrheit verstummen
muß.

Das lctzte Budget vor dem Amtsantritt der
dermaligen Miuister war das vön 1859.
Nach den Rechnungsnachweisungen, welche den
StLnden längst übcrgebcn und von ihnen ge-
prüft stnd, bctrug der ordentliche Staatsauf-
wand des Jahres 1859 aber rund 16,825,000 fi.
DaS letzte Rcchnungsjahr 1864 ergab einen
ordentlichen Aufwand von »ur 16,474,000 fl.
Dazu kommt der seither auf das außerordcnt-
lichc Bndget übertragene Aufwand für Vizi-
nalstraßen mit 145,000 fl., welchcr früher im
ordentlichen Budget stand. Rechnet man noch
den im Jahr 1864 nur zum Theil erscheinkn-
den Aufwand für die neue Gerichtsorganisation
selbst mit dem ganzen Bruttobetrag von
200,000 fl. hinzu, so ergiebt stch immer noch,
daß, statt der crdichteten Erhöhung dcr AuS-
gaben deS ordentlichen Budgets von einer
Million trotz der eingeführten großen Verbes-
serungen im GerichtS- und VerwaltungSorga-
nismus sich ein Minderaufwand gegen 1859
von mchreren Tausend Gulden ergibt.

Die Gefahr für die Finanzen kann also zur
Zeit nicht in dem jetzigen Aufwand liegen, da
dieser nicht geftiegen ift. Sie könnte vielleicht
darin gefunden werden, daß scit 1860 durch
Steuerherabsetzungen jährlich ungefähr 264,000
fl. dem Beutel der Bevölkerung zu Gut kom-
men. Wir haben freilich noch nicht gelesen,
daß die Presse der clericalen Partei dieser Er-
mäßigungcn der Steuern unter der „neuen
Aera" je gedacht hat. Sollte die clericale
Partei aber wegen dieser Steucrherabsetzungen
die Finanzen für bedroht halten, so kann sie
auch.diese Furcht aufgeben. Ungeachtet dessen
sind die Einnahmcn des Staats seit 1859 biS
1864 so crheblich gcstiegen, daß die clcricalc
Partei, wenn sie dcr Wahrheit einmal die
Ehre geben will, nahezn statt der erdichteten
Mehrausgabe der letzten BudgctS von ciner
Million eine diese Summe nahezu crreichende
Mehreinnahme zu berzeichnen haben wird.

KarlSruhe, 14. Nov. Bei der vcrgange-
nen Samstag wiederholt stattgehabten Wahl
der Abgeordneten der Gruudherren oberhalb
der Murg wurden gauz dieselben Herren wie

aber, von der Polizei verfolgt, zwischen Blankenese
und Wedrl auf holsreinischem Gebict in einer Wirth-
schaft ergriffen, gebunden und zur Haft gebracht.
Der That geftändig, soll er sckon im ersten Berhör
ausgesagt haben, daß er die Mordwaffe sich in der
Abfickt gekauft habe, daS Mädchen, welcheS er schon
von früher lstr kannte, damit zu tödten, fallS fie
ihm nicht Gehör grbe. Auffallenderweise fand man
am Tage nach diesem hier verübten Mord in Teu-
felsbrück an der Elbe ein begüterteS Ehepaar grau-
sam in seiner Behausung ebenfallS rrmordet. Die
Thüren waren verschlossrn, ein Fenster eingrschla-
gen und beide Gatten mit Stichen einer Stoßwaffe
getödtet. Da bei Besichtigung der Mordstätte keine
Waffe aufgefunden ward, auch auS einrr erbroche-
nen Kiste alleS Geld entwendet, die rbenfallS barin
enthaltenen Werthpapiere aber perstreut waren, so
Uegt die Annahme eineS RaubmordS nahe. Bei
dem deS MordS seiner Geliebten geständigen.Spa-
nirr wurden außer einer bedeutenden Summe Gel-
deS auch zwri Uhren gesundrn. Bei den in TeufelS-
brück Ermordetrn fehlt die Uhr; eS wäre demnach
immerhin möglich, daß beide Blutthaten von einrr
und derselben Prrsönlichkett herrühren könnten, da

vorher zewählt (die Herren v. Stotzingen, v.
Kageneck, v. Andlaw, Roth v. Schreckenstein),
und zwei derselben sollen die bcftimmte Erklä-
rung dcr Annahme bereits abgegeben habcn.
Sämmtliche Gewählten gehören der klerikaien
Partei an,. am wenigsten ausgesprochen Graf
Kagencck, am stärksten Hr. v. Andlaw.

— Mannheim, 15. Nov. Es ift bercitS
in mehreren öffentlichen Blättern von einer
neuen Gesellschaft die Rede geweien , die sich
in hiesiger Stadt gcbildet hat. Dieselbe hat
keine politischen Zwecke vor Augen, wie etwa
der Nationalvercin, oder die enlschiedene Fort-
schrittSpartei oder die Volkspartei; auch will
sie nicht, wie zwanzig andere Vereine dahier,
die Förderung des geselligen Vergnügens sich
ZUm Ziele setzen, sondern sie ist, wie schon ihr
Name andeutel, eine „Gesellschaft zur Förde-
rung gemeiunütziger Zwecke-". So verdienstlich
und bedeutsam sür unsere Stadt nun aber auch
die Bestrebungen dieser Gesellschafl sein mögen,
namentlich wenn sie eine nachhaltigere Thätig-
keit entwickelt, äls unsere im verflossenen Jahre
aufgetauchte „VerschönerungS-Commission", de-
ren Wirksamkeit bisher in bescheidener Jnner-
lichkeit keine sichtbaren Spuren hinterlassen
hat: so würden wir doch dieser neuen Gesell-
schaft, die nur eine lokale Bedeutuug hat, in
Jhrem Blatte keine Erwähnung gethan haben,
wenn sie nicht anch, gerade wegen ihrer Be-
schränkung auf engerc örtliche Jnteressen, zugleich
ein politischeS Zeichen der Zeit wäre. Von
dieser Seite scheint auch ein hiesiger Correspon-
dent der „Bad. L.-Z." die Sache zu bctrachten,
da er die Anzeige über die Bildung dieser Ge-
sellschaft mit den Worten einleitet: „Nachdem
daS politische Leben in unserer Stadt, we-
nigstens waS seine öffentliche Bethätigung
betrifft, ;u vollständigcm Stillstand gckommen
ist." Wir wollen, «ie gesagt, die guten Zwecke
dieser Gesellschast nicht in Zweifel ziehen; aber
im Allgemeinen ist eS immer ein Zeichen einer
im politischen Leben eingetretenen L-tagnation,
wenn Leute, die sonst in diescr Beziehung sehr
rührig waren, den höheren vaterländischen Fra-
gen den Rücken zukchrcn und auf die mate-
riellen Jnteressen der engeren HeimaihSgemeinde
ihre Aufmcrksamkeit richten. Auch ist eS ein
eigenthümliches Zusammentrcffen der Verhält-
nisse — und wir wissen nicht, sollen wir eS
„Wahl" oder „Führung" nennen —, daß die
Gesellschaft, von der wir sprechen, in dkmselben
Wirthschaftslokale ihre Zusammenkünfte hält,
wo auch die „RLubcrhöhle" ftch versammelt,
die bekanntlich für dcn politischen Fortschritt
noch wenig gethan hat. Hoffentlich wird der
bevorstehende Landtag in das mit Erstarrung
bedrohte Leben wieder eine heilsame Bewegung
bringen!

Frankfurt, 10. Nov. Hier hat sich ein
Localverein des deutschen Protestantenvereins
gebildet, welcher Mitglieder aus allcn drei
protestantischen Gemeinden unserer Stadt
Mt.

Berlin, 8. Nov. Eine Bestechungsgeschichte
macht hier großes Aufsehen. Der Stadtver-
ordnete.Dr. Löwynson hat sich 500Thaler für
die Bcmühungen, aber zur Verwendung für

menfällt.^ ^ ' (AU^g?Z.) !

Wiener „Presse" in ihrem Inseratentheil. Dasselbe
lautrt: „Ein Soldat, 40 Jahre all, gesund und
kräftig, hat daS Alleinsein fatt unb möchte heira-
ratben. Er wünscht eine Frau unter 25 Iahren,
gemüthlich, geistreich und fein gebtldet. Da er nichts

diesem Wege. Brtefe übernirmnt bis zum 20. No-
vember d. I. das AnkündigungS-Büreau" der
„Preffe' unter der Adreffe: Solbat Nr. 7901."

In Berlin hat die Baucommission schon eine
ziemliche Anzahl von Wohnungen bezeichnet, die
wegen Baufälligkett von den Einwohnern geraumt
werden müffen. Sv ein Gebäude, das bis zum

gemeinnützige Zwecke ausbedungen, ein Haus
den städtischcn Behörden zum Ankauf zu em-
pfehlen. Dabei hat er densetbcn nicht mitge-
theilt, daß der Verkäufer geneigt sei, 500 Thlr.
unter dem anfänglich gefordcrten Preis zurück-
zugehcn; und die Stadt hat den höheren Kauf-
preis gezahlt. Der Verkäufer hat später einem
andern Stadtverordneten den Sachverhalt gcle-
gentlich mitgetheilt. AlS die Sache zur Unter-
suchung kam, stellte sich herauS, daß Hr. Lö-
wynson auf der MagistratSpolizei eincn Bricf
mit der Bestimmung hinterlegt hatte, daß der-
selbe nur auf scine Forderung geöffnet werden
solle. Jn diesem Briefe wurde eine Darstcllung
dcs ganzen VorgangeS gefunden, und als Grund
seiner Handlungsweise führte Hr. Löwynson
an, daß er habe den BeweiS liefern wollen,
wie leichtfertig mit den städtischen Geldern ver-
fahren werde. Trotzdem hat die Staatsanwalt-
schäft eincn Kriminalprozeß gegen Hru. Lökvyn-
son eingeleitet; und die Stadtverordnetenver-
sammlung will »essen Ausgang abwarten, um
über Hrn. Löwynsons Verhalten Beschluß zu
faffen. Derselbe ist ein wohlhabender Mann,
sehr gewandt, mit den städtischen Angelegen-
heiteu wohl vertraut und als Demokrat in dem
kleineren Bürgerstande sehr anerkannt.

Berlin, 14. Novbr. Der Leitartikel der
heutigen „Kreuzzeitung" knüpft an die Anga-
ben verschiedener Blätter über die Verhand-
lungen und Resultate des Grafen BiSmarck
in Paris an und bemcrkt: Ein unbefangener
Blick auf die Landkarte vergewifferte uns, daß
die Verbindung der Elbherzogthümer mit Prcu-
ßen eine nicht gcringere Veränderung der
Karte von Europa sein würde, als es die Er-
werbung Schlesiens war. Wir knüpfen daran
die Frage, ob diese zweite Erwerbung billiger
sein werde , als die crste? So lange das-
Provisorium in den Herzogthümern dauere,
mag die Situation den Anschein bxwahren, die
Entwickelung der Frage intercssire nicht wesent-
lich die anderen Mächte. Aber mit dem ersten
Schritte auS dem Provisorium hinaus dürfte
dnS bisherige Nebelbild der europäischen Poli-
tik einen andercn Character annehmen, wel-
cher die sorgloscn Annexionssanguiniker ent-
täuschen müßte.

Hamburg, 14. Nov. Die „Hamburger
Nachrichten melden: F.-M.-L. v. Gablenz be-
sucht den hannoverschcn Hof vom 19. bis 21.
d. M. Derselbe genehmigte zur Zufrieden-
heit der Einwohnerschaft den Hafen-Ausbau
von Glückftadt im Sinne früherer LandtagS-
beschlüssc. Der Bürgermeister von Jtzehoe,
Bong-Schmidt, ist zum Bürgcrmcister von
FlenSburg designirt.

. Gckernförde, 14. November. Wie die
„Eckernförder Zeitung" berichtet, ist daS Flag-
gen am 16. d. M. (dem Tage, an welchem
vor zwei Jahren der Erbprinz Friedrich daS
Patent, betreffend seinen RegiernngSantritt in
den Herzogthümern, erließ) bci Strafe polizei-
lich verboten worden.

Wien, 13. Nov. Gestern hat die Eröff-
nung des croatisch-slavonischen LandtagS dnrch
BanuS stattgefunden. AlS königliche Propositio-
nen wurden vorgelegt: 1) das Octoberdiplom

1. October zu einem Schullocale diente, und neue-
stens mußte ein stattlicheS Haus am Planufer vor
dem Halle'schen Thore, in welchem fich daS Bureau
der dortigen Revierpolizei befindet," alsbald ver-
laffen und gestützt werden. Die allgemeine Frage
ist jetzt beim Begegnen nicht mehr: „Wie beßnden
i Sie fich?" syndern: „Hat Ihr HauS Riffr?"

* Eheater.

Morgen, den 17. November, gastirt auf unsrrer
Bühne Fraul. Netter vom Hoftheater tn Stutt-
gart in der „Waise von Lowood". Dte junge Dame
ift eine geborne Mannheimrrin und hat bekanntlich
dort vor einigen Iahren alS „Gretchen" im „Faust"
mit ungewöhnlichem Glück debütirt. Ein bedeuten-

deS Talent, unterstützt von einer reizenden Persön-
lichkeit, versprechen der jungen Künstlerin auch hier
einen Erfolg. Herr Direc or Widmann wtrd in
dieser Saison zum Srstenmal auftreten und den
Rochester spielen.
 
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