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Heidelberger Zeitung — 1865 (Juli bis Dezember)

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Nr. 257-282 November
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https://doi.org/10.11588/diglit.2786#0548

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erwiesen, und deren Gewährung in dem freien
Ermessen der Regierung stand. Ein hart.
-näckigeS Verweigern der Negierung, d«rüber
in eine Berathung unv Verständigung mit der
Kirchenbehörde in Freiburg einzutreten, und
wenu sich eine Einigung erzielen ließe. dersel'
ben entsprechende Anordnungen zu treffen,
hätte sich mit der Aufgabe der Regicrung
nicht vereinigen lassen. Jn diesem versöhn-
lichcn, mit diesent Gesetz in Einklang stehen»
den Sinn hat die großh. Regierung seiner
Zeit die Erklärung in der Zweiten Kammer
abgegeben, und die Besprechungen mit dem
erzbischöflichen Commissär pflegen lassen. Das
erzbischöfl. Ordinariat hat darauf hin sich be-
kanntlich an das großh. Staatsministerium ge-
wendet, und nicht minder hat das Ministrrium
des Jnnepn übcr deren Ergebniß ümfänglichen
Bericht zur weitern höchsten Entschließung er-
stattet. Streng festhaltend an dem Jnhalt der
oben erwähnten Erklärung des Gesammtmi-
nisteriums hat dieseS, wie wir hörcn, den Jn-
halt der Vorträge geprüft, und die Ueberzeu-
gung gewonnen, daß es nicht nur nothwendig
sei, die Kurie wiederholt auf jenen Ausspruch
zu verweisen, sondern auch die Grenzlinien
schärfer zu bestimmen, die den möglichen An-
ordnungen der Staatsregierung durch densel-
ben und somit durch daS Fcsthalten an Wort
und Geist deS GesetzeS gezogen sind. Jn die-
sem Sinne ist ein Erlaß deS StaatSministe-
riums an das Ministerium des Juuern er-
gangen, um die Kurie hiernach zu verständigen.
Er hält fest, daß die großh. Regierung die
Rechte und Pflichten, welche ihr in Bezug auf
dic obere Leitung der Schule zukommen, nicht
verletzen könne, daß sie insbesonderc in der
Lage sein müsse, frei und unabhängig von
fremder Zustimmung ihre Beschlüsse zu fassen
und ihre Organe zu wählen. Das Jnteresse
der Kirche an der confessioncllen Volksschule,
wclchcs das Gesetz anerkcnnt, will die Staats-
regierung in keiner Weise bcejnträchtigen, und
sie ist bereit, die Einrichtungen, welche ein Ge-
hör der Kirchen mit ihren Ansichten und Ge-
suchen bei der StaatSregierung vcrmitteln,
nöthigenfalls zu vervollständigen, ohne sich je-
doch daS Gcwicht dcr eutscheidcnden Stimme
zu vergeben. Der erzbischöfl. Kurie wurde,
wie dies den beiden Kirchcn gegenüber stets
die Absicht deS Ministeriums war, freigestellt,
auf eincr concreteren Grundlage, als dies seit-
her der Fall war," in Besprechungen über die
für die Kirchen bedeutungsvollen Punkte der
Schulgesetzgebung einzutreten, und Anlaß und
Gelegenheit dazu angeLeutet.

Die großh. StaatSregierung wird hiernach,
davon sind wir überzeugt, in der Festhaltung
der Rechte des SlaatS fest und stark sein, in
der AuSführung mild und versöhnlich bleiben.
Niemals wird sie sich einer Richtung anschlie-
ßen, welche die *Angelcgenheiten der Volksschule
uicht als Mittel zu wirklicher Verbesserung
dieser Anstalten, sondern als Mittel zu andern
Zwecken benützt.

x Heidelberg, 22. Nov. Der Voran-
schlag über den Gemeindeaufwand der hiesigen
Stadt, welcher zu Zedermanns Einsicht auf dem
Nathhause auflicgl, gibt im Wesentlichen ein
befriedigendes Bild von den Finanzverhältnissen
unserer Stadt, wclcheS um so erfreulicher ift,
als bei den stetS wachsenden Ansprüchen an die
Gemeinde, den Forderungen der Zeit uud der
zunehmenden Entwicklung der freiern Verhält-
nisse alle Rechnung getragen ist, ohne daß die
Steuerkraft der Bürger in erhöhtem Maße be-
ansprucht werden muß. Solche Reiultate machen
auf uns den Eindruck einer wohlgeordneten,
weisen und sorgsamen Verwaltung. Das städt.
Budge.t schließl mit einem Ueberschuß, welcher
zumTheil herbeigeführt wurdedurch günstige Ge-
staltung der Einnahmen des vorhergegangenen
JahreS, zum Thcil aber auch durch Herstellung
eines Gleichgewichtes der Einnahmen und AuS->
gaben, unbeschadet der wirklichen Bedürfnisse.
.Die Umlage bleibt Luf dem gleichen Fuß von
15 kr. pr. 100 fl. Steuerkapital, wie solche
seit etwa 8 Jahren erhoben wird; wenn neben-
bei uoch eine Schulhausbau-und KreisverbandS-
kosten - Umlage von 1^/^ kr. erhoben wird, so
findet^dieS seiüe volle Begründung und Berech-
tigung in dem Gesetz vom Jahr 1835 uud 5.

October 1863, da die Kosten, welche für Schul-
locale aufgewendet werden, sowie diejenigen oer
Vorarbeiten zum Bau eineS neuen ev. Schul-
hauseS von dem sHnstigen Gemeindeavfw-nd
auszuscheiden -rnd durch besondere Umtage zu
decken sind. Wir beschränken uns fur heute
aus diesen allgemeinen Theil und wekben in
Nächstem auf diejenigen Pnnkte kommen, welche
alS neue Herstellungen im künftigen Jahre zu
begrüßen sind, wie z. B. die Anschaffung einer
neuen Uhr mit beleuchtbaren Zifferblättern auf
dem Heiliggeistthurme rc. Zum Schluß sei nur
noch erwähnt, daß nach dem RechnungSabschluß
vom Jahr 1864 daS Vermögen der Äladt in
dem genannten Jahx um nahezu 7000 fi. zu-
genommen hat.

8 Vom Oberrhein, 16. Novbr. Die
Badische LandeSzeitung sagte: „Die katholische
Anarchie nähere sich unter allen Umstanden
einer weltbedeutenden Entscheidung" und führt
hiefür dic wichtigsten Belege an. Ein Blick
in die Ereignisse, sie sprechen auch hiefür. Das
Volk sieht, daß daS Herz unserer jungen Theo-
logen für das cigne Land erkaltet ist, sich, nach
dem römischen Breviere, dic Leitung über das
Volk aneignen wollen; daß überhaupt die ganze
Klerisei mit ihren EpiSkopaten sich, im Gcfühle
einer großen Ohnmacht, ganz von Rom abhän-
gig gemacht hat. Als willenlose Werkzeuge
RomS nach Oben will die Klerisei souverain
um sich her nach Unten sein. Wie kann es
auch anders sein! Die Ohnmacht hat sie sich selbst
zugezogen. weil sie überall vereinzelt steht und
sich in gesonderte Territorien und Konkordate
eingegrenzt sicht, wodurch das Gesühl nationa-
ler Zusammengehörigkeit und damit das Be-
wußtsein ciner tüchtigen Kraft verloreu gcgan-
gen ist. DieseS wollte Nom, um dem kirchlich-
nationalen Bewußtsein den LebenSnerv durch-
schneiden und cine völljge Ohnmacht des deut-
schen Episkopates erreichen zu können. Rom
will Leute mit gebrochenem Charakter, wer die-
sen ungebrochen behauptet, wird inS schwarze
Buch vcrzeichnet, mit Mißtrauen angesehen,
nach Möglichkeir hintangestellt unv in ehrlichcr
Thätigkeit gelähmt. Dies AlleS sieht das Volk
und außer Anderm lcider auch wie die Hie-
rarchie ihre erhaltene Befreiung von der Vor-
mundschaft deS Staates ganz mit dem gespreizten
Uebermuthe eineS voin Glücke Emporgeworfenen
mißbraucht und wie sie ein traurigcs Denun-
ziantenwesen auf ihr Regiment übertragen hat.
Dabei hat die jetzige Ungebundenheit deS hie-
racchischen Regimentes zur völligen Unfreiheit
des niedern KleruS geführt. Dieser ist — in-
sofern er Charakter behaupten will, der von
einer Ueberzeügung geleitet, dem For'tschritte
huldigt — recht- und schutzlos, zum geistlichen
Helotenthum, zum bloßen Dienen und Schwei-
gen verurtheilt. Der jüngere KleruS, deffen
Kopf sein ganzeS theylogisches Wissen im rö-
mischen Brevier besitzt, fügt sich gerne, unbe-
irrt des gerechten Tadels vom Volke, und fühlt
sich glücklich, in devotcr uud hehaglicher Unter-
thänigkest daS gesicherte Bryt am reichen Tische
der Kirche verzehren zu können. Kurz, das
Volk. hat crkannt, datz die Wclt mit mystischen
Quacksalbereien, unsinnigen Mirakeln, Fabeln,
Legenden, Märchen und andern frommen Trö-
deln versehen, und ein neueS dreizehntes Zahr-
huudert mitten im neunzehnten hergestelll wer-
den soll. DieS duldct das Volk nicht, wird's
und kann's nicht dulden, eS nennt deShalb die
mit deu breitgekrämpten Hüten: „die Gefähr-
lichen für die Religion".

Frankfurt, 20. Nov. I. Venedey spricht
sich in einer Erklärung im „Frkf. I." gegen
den AuStritt aus dem Nationalverein aus, da-
mit nicht die Minderheit der Mehrheit daS Feld
allein überlasse.

Leipzig, 16. Nov. Bei dem am 13. Nov.
in Dresden gehaltcnen Festmahl der dortigen
privilegirten Scheibenschützengesellschaft Lußerte
Staatsminister v. Beust in Erwiderung auf
ein ihm ausgebrachtes Hoch: „Es sei eigentlich
beschämend sür ihn, alS Gönner und Beschützer
des Schützenwcsenö betrachtet zu werden, da
er sich nicht rühmen könne, je ins Schwarze
geschossen zu haben, woher es vielleicht komme,
daß er manchmal inS Schwarz-Weiße treffe;
er bitte aber, hierin kcine politische Anspielung
zu sehen, denn wir hätten schon oft die Rich-

tung nach dem Schwarz-Weiß im freundlichsten
und friedlichsten Sinne genommeu, und die
Zeit werde kommeu, wo wir es wieder thun
würden. Uehrigens ob Schütze oder NLchtschütze,
beioe seien darin einig, daß da, wo Deulsche
Deutschen mit der Büchse gegenüberstehen, nur
in dle Schcibe geschossen werden dürfe. Beide
hätten nur Ein Ziel, DeutschlandS Eintracht,
DeutschlandS Macht."

Leipzig, 17. Nov. Der hiesige Volksver-
ein hat in seinen vorläufigen Berathungen nach-
stehende Sätze alS Grundlage festgehalten:
Einheit und Freiheit; Einigung Gesammtdeutsch-
lands auf dem Wege der Freiheit; Gleichbe-
rechtigung aüer Gliever mit Ausschluß jeder
Hegemonie und Bergewaltigung; Centralisation
gegen außen, Föderalismus und Selbstregic-
rung im Znnern; Einberufung einer Volksver-
tretung Gesammtdeutschlands auf breitester
Grundlagc; Ober- und Unterhaus entsprechend
dem ReichSwahlgesetz von 1849; BundeS-oder
ReichSgericht. Diesem Programm ist schou eine
beträchtliche Anzahl von Personen auS den ver-
schiedenften Berufskreisen beigetreten.

Graudenz, 10. Novbr. Die „Pr. Litth.
Ztg." meldet: Am Palmsonntag (9. April d. I.)
wurde der Fleischergeselle Hermann Dorsch vor
den Augen mehrcrer Zeugen von Soldaten er-
schlagen. Drei Säbelhiebe, die die harten
Schädeldecken spalteten und tief in die Gehirn-
masse eingedrungcn waren, haben dem Leben
des Dorsch nach mehrtägigem Lciden eiu Ende
gemacht. Jcder dieser Hiebe sür sich allein war
geeignet, dcn Tod deS davon Betroffenen her-
beizuführen. Die Thäter (Soldaten des hier
garnisonirenden Regimcnts) sind ermittclt und
durch ein kürzlich bestätigtes kriegsrechtliches
Erkenntniß bestraft, und zwar einer mit einem
Jahre, ein anderer mit sechs Monaten, zwei
weiter Bethciligte wcgen Bethcjligung an dem
Angriff auf einen Menschen, bei welchem der-
selbe getödtet worden,'mit drei Monaten Straf-
haft!

Aus SchleSwig Holsiein, 17. Novbr.
Der 16. November (Jahrestag der Dolziger
Proklamation deS Herzogs Friedrich) isr an
verschiedenen Orten festlich bcgangen wvrden.
Jn Altona hatte man geflaggt; sonst fanden
öffentliche Festlichkeiten nicht 'statt. Der schlcs-
wig-holsteinische Verein. der schlcswig - holstei-
nische Volksverein und der Kampfgeuossenvcrein
versammelten sich Abenvs im englischen Garten
zu einer Feier, bei welcher zahlreiche politische
Reden gehalten wurden. — Jn Kiel wehten
zahlreiche Fahnen während des ganzen TageS
überall in der Stadt. Jm schleswig-holsteini-
schen Verein ward vor zahlreicher Versammlung
durch einen den Gang der Ereignisse während
der letzten zwei Jahre vorführcnden Vortrag
der Tag gefeiert. — Jn Jtzehoe wurde die
Feicr cbcnfallS von dem schleswjg-holsteinischen
Verein in die Hand genommen; auch hier wur-
den patriotische Reden gehalten rc. — Rends-
burg prangte mit Ausnahme dcr öffentlichen
Gebäude im Flaggenschmuck; deßgleichen Hcide.
An beiden Orten wurden Versammlungen ah-
gehalten, Toaste auf den Hcrzog Friedrich auS-
gebracht rc. — Jn Schleswig waren viele
Häuser mit Flaggen geschmückt. Am Nachmit-
tage befahl die Polizei die Wegnahme der Fah-
nen, welche auch ohne Widerrede erfolgte. —
Jn Tönning geschah das Gleiche.

O esterreichtsche Moirurchie.

Lemberg, 16. Novbr. Bei der heutigen
Landtagswahl gab es wiederholt Reibungen,
welche gegen Abend in L>chlägereien ausartcten,
so daß Militär zur Herstellung der Ruhe re-
quirirt werden mußte. Es stehen sich nämlich
zwei Parteien gegenüber: die Polen agitirten
für die Wahl des ehemaligen StaatsministerS
Goluchowski, des UrheberS der Oktoberdiplome,
die Jsraeliten und Ruthcnen für den Advoka-
ten Podakowski. DaS Resultat war, daß Go-
luchowski gewählt wurde.

F r a n k r e i ch

Paris, 16. Nov. Der spanische Admiral
Pareja ist vor Valparaiso angekommen und
verlangte in sehr verletzenden AuSdrücken Be-
grüßung der spanischcn Flagge mit 21 Schüfsen,
dann werde er sagen, welche Genugthunng er
verlange. Die Chilenen waren sehr aufgcregt.
 
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