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Heidelberger Zeitung (61) — 1919 (Januar bis Juni)

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Nr. 77 - 100 (1. April 1919 - 30. April 1919)
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Bezugs- nnd Anzeigenprels. Dir ,tzridelbrrgrr g«it„ug- bostrt bei teder Poltanstatt
monatiich »08 vterteljährltch 4.08 M. oueschlietzltch gustellgebllhr, durch di« Agenturen oder
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bostet 35 Pfg.: im Reklameteil d>« viergespaltene Petitzril« »L0. mtt Platzvorlchrtft M.
Bet Wtederholungen Nachlatz nach Tarif. Erfüllungrort ist Heidelberg. Ltnzelverkauf 18 Psg.
Druck u. Derlag: Theodor Berkenbulch-tzeidelberger Verlagoanstatt u. Druckerei Held«lberg.
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eitmg

HLlde!berger Jeiiung erscheiut an jcdem Wschentag inittark >2 Uhr. Amiltches VerMndt-
guugsblatt. Aratisbeilageu sind die Heidelberger F-amilienblätter, autzerdem amtlicher Wohnuna»-
a»zciger. Dte Heidelberger Jeitung kaun durch alle Postanstalten, durch die Agcnturen auf dem
Lande, die Trägertnnru und bei d-r weschäflistelle setbst - Hauptstrabe L3 - mouatiich und
vierteljahrlich bestellt werden.

Hauptschriftletter: Kurt Fischer in Heidelberg.

Vruck u. Berlag: Theodor Berkeubusch, Heidelberger Verlagsanstaltu. Druckerek, Heidelberg.

(ünäbhängigL TngLszeüung)

Verkündigungsblatl für Nordbaden und -ie angrenzenden Teile von Dayern, Heffen vnd Dürtlemberg.

Nr. 77

Dienstag, ben 1. April 1S1S

61. Iahrgang

Dre neue Spartakusbervegung
>m In0t.ftriegeb.et

tvächst immer starker a-n und fchon Ärvht von neirc.m
dae Gsspenist dss Generalstrerks. Die ,Arei-
l>eit" berichtet, cine in Efsen cvog.chalte.i.e
siatztenkonseLenz der revolutioiiiiren BcrML>eiter
des gchamtou rho?msch-weskiäl.ijchsn Jndulstri.-LebÄe-
tcs, bei.chlckt von 475 L.ele^ie.ten a-ls Vertr te.n der
Belegschaften von 195 Schachbanlasen. hätte am
SonnckLg don Boschlutz 6Sfai6t, allen alren Orsan'cha-
tionen sofart die Beitrags zu. lsVerren rmid u.,i er
denr Nanven „Allgemeine B e >r gar be i te r-
Union" sich zu einer neuen Orsanisat on zusam-
memidschlietzen. Die Konfcrenz f-ahte fe.ner e.'w-
stimmtg d-A» B-Mluß, am Dienstag ss'chloss n
in den Generalstreik einizutretLn unid dte Ar-
Ib-eit nicht eher wliader aMunshmen, bis umitvr an-
derem fslgende Fo^derun-sen bewilligi WÜöden:

Sos-ortigV Einfülhrunü dcr 6 - S t u n>d e n s ch i ch t
einschliehlüch E-n- und Ausfahrt, LSproz-enl^ge Lohn-
erböbung, Anterkennung des R. ät e s y st e m s,
sosorUge Freilassung aller po-littschen Gefangen.n,
sofortige Auflösung allex Freiwil-
ltaenkorps, sofortise An.kniüipsung aller Bez H-
hungen mit der russü.chen Sowj-tregierung, Ent-
wllffnuinlg der Poltzei im Jndulstriegubiet und tm
Neich und Bezahlung der St'.'eHch.cht.

Dtüse rein svartakistische Beranstaltung
wird seLbislVerständlich'aus den stärksten Widerstand
'oer R-g erung stotzen. Die Durchführung dor Stve-k-
sord-rungen wäre der völlige Ruin dcr dentschen
Wirtschaft. Wcrs allein. dis Durchsühvung der
Sechsstundenschicht b.deuten wücde, zeigt
folgande Uederlegung: Etne Sechsstunden(chicht ein-
schlEich E'?n- und Ausfcchrt, wie gesordert, Hätte
eine Verkllrzung der Arbeit vor d-'r Koble
unl cmirähernd etn Drittel zu bedeuton' und mllhte
daher auf das Förderergebnis einen geradesu
katastrovhalen Ecnfluh ausüben. Wie ssdr
auch der Bedarf des eigenen Mrtschastsl.dens rn
Kohlen zurü'ckgegangen ist, so würde alsdairn nicht
eimmal dte zur Deck ng erforderliche Monge s r
Verfügung stohen. gesch-weige denn, datz wtr Kohl-n
für de nVerscmd tns Ausland zur Verfhgung här-
ten. Die unihetloolle Rückwtrkung d r
Berhältnisse auf die Lebensmittelversor-
gung liegt aus der Hand. Eine weiteve VerLür-
Lung der Arbeitszeit hätte auch etne entsv cech n de
Erhöhung der Selöstkosten zu bedeuten. Der Ver-
braucher bekänie dio Wi.knng du ch eine Evhöhu-rg
der KohlenpreSsc am eissoen Leiibe zu vevsvü en
und ole Wettbewerbsfähigikeit auf dem W.ltma ckts
wllrde auf das schwerste daidurch beetntröchligt
wecden.

Die Lage

D'ce Belegschaften Ler Z-chon fcchren nur sechs
Stunden ctn. soweit ste überhwupt arbeiten. Eine
Reilhe von Zechen arbeit-et gar nicht. Dte lAube«-
ter der Ersen- und Stabbwerke sin>d in erhobl ch'r
Erregung. Bet dem E ifen- und 'Stoibl>werL Hösch
wird nccht gearb-it 't. Einer der gröbt n Hoch -
öfen der Höschwerke rst gestern vorm tt g vc>llst-> -
dig zu Bruch gegangen, we il er n cht besch ckt
wurde und durch dte vielen A deitsunte lbrochungen
gelitten hat. Die M ederherstellung svfordcrt li—10
Monate Zeit. Au b?fürchton- ist, dab tn nächster
Zeit bsi weiteren Hochösen ähnlich s geschch.n
»vtvd, wsnn n cht die A/be t regelr cht fortgesctzt
wird. Die Lage wird als auhero.rdentlich
kritisch crngesehen. Das Eiscn- und Stcvhlwerk
kommt übrigens ai ch dann zum Erlic.gen, wcmm d e
Zcchen Katserstuhl 1 und 2 die Avbllt n chi w edor
aufnekmen. da das Me-k seine Kohlen nur von die-
sen Zcchsn b^ieben k^irn. Wch m
von Eastrov ist die Laae schwierig. Weitere Nach-
rlchten liegen von do t ; r Ze.t ncht vo . in -
stroo se-'bst sind Nnruhen ausgebroch'n, wo^i i
es Tote gcrb, dagegen herrscht in Dortmund
d: u h e.

BLlAtzeri«ngsz'?>tnnd übcr das Rlihrrevier

Brelin. !)1. ^kärz. Die Reichsreqierung hat
zusammcr-. mlt der prcußischen Negierung be-
schlossen:

lleber dos Nuhrreoier wird dex Belage«
«»ng»»«stand vcrhönat. Die R e g i e r un g s«

Schwrerigkeiten in paris

Der ^ ^ ,?ch-sra. Z)sijche tz

tritt von Tag zu Tag mehr in Erscheinung und
j hat über der Frage derAnnektierung des
iSaargebiets zu einem Konflikt geführt,
! der vorerst einen Aufschub der Beratungen
j im Eefotge hatte. Schweizer Blätter berichten
^ darüber:

Basel, 31. März. Die Pariser Veratungen er,
suhren enren unvorhergeschenen Auf-
schub bis Dienstag. Die Mätter fo dc n d s
Publikum onf, keltes Blut ru b0Wc-ren, obnwhl die
um sich gccs.fs de Nervssität begreif ich wäre. Aus
Andeutungen ofsiziöser Blätter, d ren A tik l üb«
rigens grode Zensurlückerr crufweisen. »st zu entneh«
l »nen, dah die französiscken Ansprllcke au? dic Gren-
zen von 1814 e»glisch -- amerikanischex Op-
position begegnen. Die „Victoire" b hauvtet,
Lloyd George sei einentschiedenerGeg-
ner einer Einverleibung desSaarge«
^ bietes. Um so energ-scher erheben alle Pariser
Blättex diese Forderung. von der sie behaupten, sie
besitze nicht annektiomstischl'n Charckter, sonbern
sei als Schadenersatz auszufasien. Melchcn ungeheu-
ren Wert Frankreich dn: Erwerbuirg des Sanr.
bcckens beilegt, gebt auch drraus hervor, d«h Cle-
menceau gesagt hat, Frankreich verzichte
auf eine Kriegsentschädigung. wenn es
^»as Saarbecken erhalte.

Die Frage der Bekämpfung des Volschewismus
hat übsnfalls noch zu keiner Einigung gv-
fübrt. WMrcnd die fca.mzösischen Blättcr den Bol-
schowiomus »n llngarn mit Wcvffengewlrlt bekämv-
f-en molle-n sind nccch der Newyo.ck Tr b ne Eng-
land und Amerika dicsem Projekt abge -
neigt. Lloyd Ecorge und Mlson crklärten, die
Koiriierens halbe die Aufgabe, dem Krieg ein

Ende zu machen. nicht aber etwen neuen zu be-
ginnen. Die Möglichkeit, dcrh Deutschland
Äie Unterzeichnung des Friedms verwetgern
tönnite, bsjchäiftigt alle Blütter. Derzeichnet >sei
noch. dak die „Dally M-ail" die Berkllnd.sung des
nenen BöKerbundstatuts für den 6. April verheckr.

Gegen die Aenderung der 14 Punkte

Ein americkcmtscher Funkspruch untch -etbt den
Jirhalt ei-nies LsitartiLlls der grosien. im allgemei-
nen doutschfemdlichen Zeitung NewyorkWorld,
in ^«em ausgeführt mirid: di-e Arbeit dor Pavvser
Fricdenskonsevenö l'vtte darunter, dcvtz man versuche,
die von den Deutschen crngenommenen Friedens-
grundsätzeMilsons sit ändern. obgl? ch
auch dis Regi-avung Erohbritanniens, Fvankreichs
unld Jdal'iens die-sen Grunldsätzen beim Abchlutz des
Waffenstlllstands in aller Form zugestimmt häl-
ten. Das Boste, was die Parrser Konferenz bo-
schlrshon! könnte, wäre die Einlöst'ng der tm ilto-
veniber 1918 gogebenen Versvrechungen und die
Ausar'beitung emes in allm Punkten mit dcm Wil-
son-Programm übereinstimmendcn Friüdrnsver.
tiags.

Polen und die Entente

Der Antrag auL ebn Bündnts mit Frcrnkre'ch
wlmde von dor volnischen NationakVersamm-
lm.g unter Erhcben des gan--sn Hauscs und mit
Händoklatschsn emstimmig angenommen. nachdcm
dcr Mgeordnete Kccmieniew. ki o kläri hatte Polen
nmisie Frankroich geVenüber die Nolle Ruhlands
übernelhmen, nämlich die Docringcrung d r doui-
schM Gesahr. Die Kommisiion brachte einen An-
trag auf Aufnahme einer 5 MilliardcnMnleihe im
Auslande vor, da d e Ausstchten auf d.e deutsche
Kriogsentschcidigung ferngerückt sind.

ti'Uppen rücken in das Neviex ein, um die Ar-
bciter und die Vetriebsrmlaaen voi- d'm Tcrro-^s-
mus zu schützen. D«r Reichsernähru gsministcr
wird entsprechend dm Brüsieler Forde-unacn der
ANiicrtcn in dav Streikgebiet kein Pfund von
den eingeführten Lebe.»smitteln einlie-
fern lo.sien. Der Neichsarhci'sminister wird ke -
nerlei Bezahluug für Strerkschichten
gewähren. Dagegen soll den Arbeit rn dcr Zechen
aus dene? nach der 7^ Stundenschicht gefjjrdert
wird, eine besondere Schwerstarbeiterzu-
l a g e, steigend mit dem Fördexquantum. gewährt
we.den.

Die Reichsregierung mutz unserVol?
am Leben erhalten. Sie darf die Nepu-
blik nkcht dem Terror durch eine Provinz
und einen Stand ausliefern. Alles für den,
der jetzt a r b e i t e t. n i ch t s für den, der jetzt
streikt. Sonst gibt es für Deutschland keine
Rettunq mehr.

Die Reichsregierung hat ferner folgenden
Aufruf an die Bergarbeiter

erlassen:

„Die Forderungen' der Del^giei-tenkonferenz wür-
den in ihrer Ees^mtbeit die deutsckc Rcpubl k der
politischen Anarckie nnd dem wirtsch"ftlichen Zu-
s-mme brnch ansliefern. Die Regierung. die so'che
Forderunaen «nnehmen wü'de, wäre die Totengrä-
berin der Nepublik, des Bolkes nnd der Freiheit.
Die Reichvregieruns hält nach wie vox fest an den
Vereinbarungen, die sie seit Februar mit den Berg,
arbeitern getrosfe, h"t!

Avheitor- und Bczirks-äte, durch!dte alle-in dvo
B-crgcrrüeiter in den Produkttonsvrozch e'ngeiübrr
uud zur gle'chberechtcgtcn Mitarbeit und Mitbe-
st'rminung hinzug^ogen werdcn könnc.n, dozu d s
Sozialisierungsgeisetz im Zusammenhang mit der
Sozlalisi-er'nrg des KohlcnhTnid"ls und schl'ehs ch
d-r St'.'ndcnschscht. Es fft ke''ne Vol'tik, keiire
Verwaltung. kelne Ernährunq mehr mönl ch. wenn
solche grundsätzliche Einigungen nach wenigen Ta-
gcir um!d Wochen umgsworfen und durch unmögl che
und übertrtebene Fo derungen sesenstandslos ge-
nwcht werden."

Die Bergarbeiter werden deshalb zur Ord-
nung und Arbeit aufgefordert.

Ausschreitungen in Frantfurt

Frankfurt a. 31. März. Bei Verhaftung
einer tucucksspielerln tam es gejtern nacymutag
zu Zusammen >lotzen zwl,cye.c der Pouzei uno
einer Vollsmenge, dre fur oce j)rau Parte» nayiu.
Tce Lüenge Uttrmle bas ln oer Naye gelegene
Pollzecrevler 1, verbrannte au, der Slrcktje die
Äuen und entwaffnete die Poilzelbeamten teil
weise. Als Matro,en zur r)il,e eilten, wurden
auch dieje entwafsnet. Ter Volrshauseii zog hier-
auf nach dem llntersuchungsgefängnis
in der Äckerslratze, entwa,,nete dre hier zum
^cyulje des Eebuudes au,ge,lellten Soldaten. dran-
gen in das Gebäude ein und be,reite sämtuche
^e,angene, daruiuer zaytreiche schwere Verbrechsr.
A11 verschiedenen Steuen d-r Jnnenstadt tam es
im Laufe des nachm. zu schweren Schietzereien, die
bts in die späten Abendjtunden dauerten. Die Un-
ruhen tragen teinerlei polttischen Cha-
ratter und sind nur auf ungezügelte, unrnhige
Elemente zurückzutühren. Fur d»e Vtacht waren
autzerordentl. Sicherhettsmatznahmen angeordnet.

D,e „Frankf. Ztg." meldet noch folgende Ein-
zelheiten: Jm Hintergebäude von Schepeler wur-
den zwei Plunderer erschossen. Schon
am nachmittag war ein Mann aus dem Börneptah
von einer Kugel tötlich getroffen worden. Bei den
Änsammlungen auf dem Rotzmarll gegen 11VL Uhr
wurde ein Mann erschossen. Eerade war
ein Trupp Plüuderer vorbeigeführt worden. von
denen einer etnen Fluchtversuch unternahm; auch
dieser wurde totlich getro,fen. Ein Matrose
wurde in den Main geworfen. Er ist wahr-
scheinlich ertrunken. Nach den Aussagen dcr
Sunttatsniannschaften hat es auf beiden Seiten
etwa 25 Verletzte gegeben, von denen
ein halbes Dutzend schrver verletzt ist. Ver-
haftet sind etwa 400 P e r s 0 n e n. d'e nach
der Kaserne in der Eutleutstratze gesiihrt wurden.
Unter den befreiten Gefanoene 1 b-"i"d^n sich a"ch
schwere Verbrecher. Sie sind zum Teil schon wieder
in Haft, da sie bei den Plünderungrn nicht feyiten.
Vor dem Iusttzgebäude wurden die von dort aus
dem Erdgeschotz geholten Atten verbrannt, darun-
ter vtele des ^ormundschaftsgerlchts.

* Die Sozial'sterung der HechseefifHerei. Am

20. März überreichte d'i>e Sez r tsierunaskcmrmission
ider Rö-chsvegierung rhr vorlä -fises Guiuäüeii ü -cr
die Sozialisterung der Hochseefische-
r e i. Bei der starten Bswegnn« unter de F'-
fchcwn erichei.nt eino scheu''i"e Veröffeotl'ch „s
vieises Gutachtens geboten. daanit es als Grund-
lase ftir die öffentliche Disk sscon mrd für a^etz-
liche Blatznah>m«n dienen Sann.

gum 1. Aprll

Bter Zahre sind es erst her, datz der 1. April
von ganz Deutschland als Nationalfeiertag be-
gangen wurde. Der 100. Eeburtstag Bismarcks
war uns wie ein Symbol in jener siegeshoff-
nungsfrohen Zeit, als nach 8 Monaten Krieg
Hoffnungsschwalben des Steges unsere Heimar
umzwitscherten. Fahnen und Elockengeläut,
Kränze und Huldigungen vor seinen Denk-
mälern waren das Zeichen des Tages. Und
heute? Da stellen die bayrischen Unabhängi-
gen den „mit Begeisterung" angenommenen
Antrag. die Denkmüler Bismarcks zu stürzen
oder einzuschmelzen, da wogt in den Spalten
der Zeitungen und in Broschüren der Kampf
der Meinungen hin und her, die sich ereifern
und mit guten und schlechten Gründen zu erör-
tern snchen, ob die Politik Bismarcks falsch oder
ob unsere Politik verkehrt war, ob das Unheil,
das uns betroffen, nicht schon auf ihn zurück«
zuführen, oder aber darin zu suchen set, datz
wir uns von den Bahnen seiner Politik abge-
wandt haben. Nichts widert den Vaterlands-
freund und wahrhast deutsch empfindenden
Deutschen mehr an, als das Eezänke über
Dinge, über die das letzte inapellable Urteil
erst nach Jahrzehnten gefällt werden kann.
Aber das eine sei uns nicht versagt, gerade
weil oder besier noch trotzdem in diefen Tagen
jede Berufung auf Bismarck von gewisier Seite
als „reaktionäre Machenschaft" und „gegenre-
volutionäres Putschgelüst" ausgclegt wird,
hervorzuheben, was uns heute mehr denn je
zu Bismarck zieht und treibt.

Man mag über die Nevolution denken wie
man will, das eine werden auch ihre glühend-
sten Anhönger und Bewunderer nicht bestret-
ten können, datz nämlich die deutsche November-
revolution, Lislang wenigstens, wcder einen
Mann noch eine einzige Idee geboren hat.
Die Errungenschaften der Revolution haben
uns, wie unlängst ein etwas boshafter Ber-
liner Kritiker gemeint hat, bisher nur als
„Affen der Revolution von 1789" gezeigt. Lei-
der hat er nur zu recht, umsomehr, als wir von
dem idealen Affentum, von dem Nietzsche in
seiner „Morgenröte" spricht, (freilich in Bezug
auf den Schauspieler, aber sind denn unsere
heutigen Politiker nickt auch mehr oder minder
Schauspieler, zumeist sogar recht schlechte?),
himmelweit entfernt sind. Jn solchen Zeiten
geistiger Bedrängnis greifen wir in dcn
Schrank unserer nationalen Eeisteskostbarkei-
ten, um Trost und Erquickung zu finden. Und
ganz von selbst lenkt sich in solchcn Stundcn
der Blick zu jenem Manne zurück, der uns uor
48 Jahren das Reich zimmerte, gewitz nicht feh-
lerlos und in seinem Auf- und Ausbau nicht
so wohl- und festgefügt, wie der Baumeister es
sich dachte, aber aufgebaut auf den Jdealen der
Baterlandsliebe und des Stolzes auf das
Deutschtum. Nicht datz wir den Männern, die
jetzt am Ruder sind, diese Charaktererforder-
nisie absprechen, auch sie haben sie gewitz, wenn
auch in anderer Art, aber im Kampf gegen d'e
Partikularisten und Reichszerslörer war er ein
Vorbild und mutz es in diesen Tagen noch viel
mehr sein. Die Treue gegen sich selbst und
seine Aufgabe, der Vlick fürs Erotze unV Not-
mendige, die Liebe zum Vaterland, die ihren
höchsten Ausdruck fand in seinem Wahlspruch
„Jn serviendo patriae consumor!" „Im Dienste
des Vaterlandes verzehre ich meine Kräfte!",
Das stnd Leitsterne. die an dem dunkeln und
trüben Nachthimmel der Eegenwcnt aufleuch-
ten und nach denen wir unser politisch"s und
völkisches Vesteck richten müsten. Das ist die
Rtahnung, die der heutige 1. April in sich birgr.
Möge sie willige GeisLcr und offene Herzen im
ganzen Lande finden! ^

Mock-»- Im Bdri°E-" d

jterimcbts. a u f0 ^^?/Kric?siefangener
SNavensr-'u d-u s^r ,

Ln «, 1».

OOo Ä^c-soefansene von En"land nach
mrd Belgren tvansvortierl worden find.
 
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