Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (61) — 1919 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 126 - 148 (2. Juni 1919 - 30. Juni 1919)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3202#0793

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
'22 656 7ltz

>65 497 329

'l9 386 269

^1883 899

60 587 060

13112847


^OSötzz

^sz

^8ZZo

384 8^z

^767.

63699^

426 ZÄ-
S528I78Ä
U8M
!5227LZi

37l
34202

4S69M8IS!-

Oevilin.

inäern öanken

ina._

^jlhulltionllle WMlli

Zusammenkunst

Mitgliedec und Sttund- ^

StadtratswahleN'

k"sE

„ccwcist^^

^ garc"'^

Äusku-'U

-rsa"°'7




vl-rieljahrllch b-stellt werdcn.

Dru» und 6 ur . F11ch. r «n Heldelberg.

-rlog Heldelb«rg«r Vrrlagsansiali u»d DruLerei. <S. M. b. 6.

M

Bezugs- und Anzeigenpreis. Di« „tzeidelberger geiluug" »ostet b-i leder Postanstalt
monatllch l.36 M., vlerteliährlich 4.08 M. ausschtt?hlich gustellgeblihr, durch dt« Agenturen oder
dl« TrSgerlnnen frei Haus monatllch l.4S M. — Dle scchr-espalten« Pttilzelle oder deren Rauin
liostet 35 Pfg.; Im Neklameteil dt« vlerg'spatten« Petltzeile l.20, mlt Plahvorschrlst l.40 M.
Vei Wiederholungen Nachlatz nach Tarlf. Lrfüllungsort ist Hcidelberg. Elnzelverkaus lg Psg.

Druck und Verlag: Hrtdelberger Verlagsanstalt und Druckerei G. m. b. H.

Postschcckkonto Karlsruhe Nr. lSSOS. Fernsprecher: Redaktton 182, töefchäftrstelle 82

ergerZeilung

Serkündia„,.a-K^„ k'. . (AnabhSngige Tageszeitung)

.' n,r Stordbaden und die augrenzenden Teile von Bavern. Kefsen und Württernberg.

Nr. 128

Mittwoch, den 4. Iuni 1919

61. Iahrgang

Die rheinischen Verrätereien

Deutsche Proteste

Dem BcMus; der R e i chs r e g i e r u n g. ge-
gen die von den Franzosen begüirstigten Sontzer-
bündeleien zn protcstieren. ist sogleich dle Aus-
Mrung gefo at. Reichsmiuister Erzber-ger ols
Vorsitzender der Waffenstillstan'dskom.mission. hat
§m Montag bem Eeneral Nud-ant .zur Weiter-
gabe an Al'arfchall Focb eiiren a u. sf ii h r l i chen
Protest gegen das Verhalten der fvan,zösischen
Besahungsbvhörde im Rbeinl-ande iiberreichen
laffen.

Jn dem Protest werden die Tatsachen ange-
fuhrt, die es bew,eisen. dasi die Loslösungsbostre-
bungen i»n Rheinlande von den französischeu
militarischen Stellen angeregt und ge-
fördert worden sind. Scharf protestieri
wird anch gegcn bas Vechalt.en dsr französischen
Konnnandanten gegenüber den deutschen Behörden
Lri chren Versuchen. gegen das hochverräterische
Trsiben einzuschreiten. Als Anklase .;um Protest
wuvde auch die von den Abgeordneten aus dem
Rheinkande befchloffene Kundgebung gegen c.ae
solche selbständige rhoinische Repnb.ik überreicht.

In Ergänzung diefes Protestes wurde gestern
eine zweite Note an Eenernl Nudant überreicht,
in der es u. A. heifft. dok die Duldung der Ma-
Hmschaften gegen die Be d i n gm n g e.n des
Wafsenstillstandes verstoffen. Die
Handlungsweise jcner Individuen stslle eine Form
5es Hachverrats dar. 9kack dcm deu.tsch;n
Verfaffuiigsgeset; lei das Neichsgrricht in Leipzig
zur MurteiLUNg der Verbrechen zuständig. Es
sej das gerichtliche Verfahren eingeleitet und es
merde erfucht. Anordnungen der Polhzeibshörden
bei der DurHführnmg dss Berfahrens keinerlei
Hinderniffe in den Weg zu legen und die Ver-
haftung dcr rn Fraae kommenden Psrsönlich-
keiten zuzulassen. Die Note erwähnt dann
in diefsm Zuisammenhang auddrück.ich den ,Dr.
Dorten i,i Wiesbaden. gegen den ein Verfah-
ren eingsleitet sei.

Die Gegenstreikbewegung

Die Eliizelheiten. die nach und nach über die
Vorgcinge im Rhemland bekannt werden. brwei-
sen. daff cs sich hier wohl in erster Neihe um
franzos, sch e M a ck i n at i o n en handslt,
die dann allerdinas allerhand deutsche Gessllrn
als Handlanger aeiunden haben. So ist es den
Franzosen n.it hrsr Hilfe auch gelungen, den
Proteststreit in WiesLaden zu unterdrücken. Es
wurden öffentliche Anschläge erlassen, worin von
den fraiizöiischeil Behörden die sofortige Einstel-
lung der Streiks aeforderi wurde, widr'genfalls
die Lebensinirtelversorgung eingestcllt,
die Verkehrseileichterungen aufgchoben und die
ösfeiitlichen Betriebe requiriert würden: Verw-i-
gerer der Arbe.t kommen vor das Kriegsgericht.
Auch mit den Arbeiterführern verhandelte
der fr-anzösische Kommandant wegen Einstellung
des Stre.ks. Die Arbciter stellten solgende Be-
diiigungcn: Sofortige Verhaftung des „Prä-
üdenten" Dorten wegen Hochverrals, Erklärung
der Besahungsbehorden. daff sie austerhalb der
Vcwegung stehen, Eenehmigung zur Abhaltung
offentlicher Volksversainmlungen. um
den Wille nder Beoölkerung einwandfrei zum Aus-
druck loinmen zu lassen. Diese Forderungen wur-
den abgelehnt. we.tere Verhandlungen sind
aus Mittwoch vertagt.

Der Sih.der neuen Regierung ist das Landes-
daus. Montag früh erschienen dort beim Landes-
hauptmann Krekel Dr. Dorten und der M ttel-
ichullehrer Klaus K r a e m e r. um die Negierung
anzutreten: als ffe kühl empfangen wurden. zeig-
scn sie auf zwei französische Offiziere. die sie als
oeugeil mitgebracht hätten. Die Regierung selber
"och nieinand. Das Zentrumsblatt
^nhcinische Volkszeitung". deren Lhefredacteur
-or. Eeuüe mit .zu den Kreisen dcr Dorten und
^cnogen gehört. teilt mit, die Wahlen zur rhei-
I^'chcn Landesversammlung würden in ganz kur-
"c ^rist stattsinden.

.Aus Köln wird der ..Frankf. Ztg." gemeldrt.
oag dort am Montag ein D c m o n st r a t i o ns -
Ilreik g^g„ ^ Ausrusung der rheinischen Re-
publtt sicittgefunden hat. Eestern habsn älle Werkr
, ?^/Bcschäftign.ng wieder ausgenommen. Dic Be-
uoikerung verqält sich ruhig. Anläfflich des Streiks
auch der Personenzugsverkchr auf drr

^taatsbahn.

- ^>n H ö ch st a. M. wurde gestern um 9 Uhr der
9/^ratilren vertündet und sofort durchgeführt.
ilia ^ Eisenbahnwertstätten ni Nied liegrn
r" ' . Die Eeschäste wurden um 1 Uhr von der
>cans-.„schen Behörde wieder gezwungen, wieder
°u vmien.

Uebcr den famosen Ex-Staatsanwalt Dr. Dor-
n-c" rv'rd noch bekannt. das; er obwohl er kein
?!,,"«lger Nüssauer ist. sich der weckgeheildsteii
sc'""itütmnn der fran.zosischen Behörden erfreut.

""t fjch einfach .zum ..Präsidenten" der neuen
lepubltt Nbeinland mit dem Sih in Wiesbaden

Dw Versmller Zrie-enskonserenA

Der Standpunkt

Drahtung unseres nach Verfailles entfandten
Sonderberichterstatters

Versa lles. 2. Juni.

Wilsons Haltung ist s-ehr schmer crkennbcrr, u»l>-
sicher. scheinbar geneigt, sich von!den Fransosen ins
Schlepptau neh,nc>n zu lassen un!d auf dem Enl-
wurf der Entgnte stehen zu bstrben. Ein Teil ider
americkanischen Delegation tst bcreit zu Koil-effiv-
1-'n und wünscht auf jeden Fall Unterhcrnldlungcn.
Die -amerikanische Hochfinanz ist beunruhigt über
Frairkreichs Eeldfo.derungen. Ein Ri-si i!st «rkenn-
Lar. TZe Stimmung in cinigen Teilen iAmerikas
hat cbwas an D:utschfreundlichkeit zugcmommen.

Englands Standpunkt: Llond Eco ge steht fast
su ücm Frievensentwurf vom 7. Mai. su deffen
Väiern er gehört, deffen wirtschaftlicher und völ
k-.rrechtlicher Teil von engli chcr Hand stammt.
Ein kleiner Tc.il der Delegation steht auf dsm
Standvunkt, Deutschland ontgegenzukommen, zu
verhllndLln, oh'ie bie Prinzipien des Brltrüges
umzuistoffen. Eine kleinc «influtzlos: Erüvpe von
Friedensfrtuirden in Cngland verurte'lt den Be.r-
trag und erfüllt die ibr zugewiesene Aufgäbe, d.rs
„moralijche Eesicht" Englands zu verschönen. Die
englische Arbeiterpartei misibilligt die Gvundsäke.
dic die Versklaoungsclkte ze'gt. Eine Neigung,
aus diiejer Mlcßbilll'gung Zolg n su zish^n. ift nicht
b.onders bcvoorgetreten.

Zrankrrichs Standvunkt: Die f.arlzösische Dele-
gation ist gefchlüssen für kurse Zurrickweisung dcs
deuischen Eegenvor-schlags in möglichst verlotzender
Form. Sie tritt für ein baldi-ges Ultimatum ein
und ist völlig st'vn von volitischen Erwägungen,
die über d.n Augenblickserfolg gehen. Die fran-
-ösischen Finanzkreise mürschcn Ve chäftigung mit
deiii deutschen Finanzproickt. Die Sozial'sten ver-
urteilcn den Entwurf der Cntente mlt groher Hef-
tigleit. Jbr Eewicht -anf d'c angenblcckl che vo-
litische Lage ist fast Nutz. Einige wenige biirger-
liche Sttminen schli-eßcn sich ibnen aus Vemunfks-
gninden und Besorgnts für dre Aukunft an.

Jtaliens Standpunkt: Jirdiffe.ent. Voll elger
ivcr Sorgrn. Jntcreffo für d'e Aushobrng des Vsr-
botes der Vcrbindung mit Oesterro ch. Eogner dc's
'Abbruchs dcr Vc'ohandlungesi, dc-ch durch irg nd
welche Konzeffionen in Kolonial- odcr Finanzfra-
gen sofort umzuisiimmen. Dic Stimmung im Lande
rn vielen Teilcn ausfallcnd deutschf.eundl'ch. Die
Sozlalrsten mit bemcrkenswerter Schärfe in War-
ten und (wenn auch untc.diiickteil) Handlungen
gegni dcn Impcrialismus. Selbstv'rständlich bat
dies keinen Einslutz auf dic italieni che Delegation.

Iepan: Zurückhaltend. aleichgültig in euro-
päi>chen Fragen. Die Dclegation schoint dle Wei»
sung -u baben, sich der Auslieferung des Kai'ers
zu widcrsetzen. Belgien ganz a> f dcm Staudpunki
Frairkrcichs.

Das ist lmgofäkr die Stellung der Eegirer. d:e
man aus ihrer Presso und aus anderen Qnell'n.
cntnohmen konntc. Dic Ent'chciidung l'egt bei di'r
evgkrschen und amerikanischon Dclogattoii'.

Nolf Brandt

Vor der Entscheidung

Wjir verzichtcm darauf, die sich ständig widerspre-
cbenden Moldungcn der Ententepresse. ob Zuge-
standiniffe oder nicht. wiodetzugsben. Nach den
l-'tzten Versarllor Mcldungen scheint es festzustehen
das; die Antwort doc Allöcrten auf di-e d"utschm
EoseiWorschlägc noch v 0 r Ablauf dloser Woche
üocrrc'icht weiden wiid. und datz miindliche Ver-
hanvlungen als ousge'chlosscn engeschen werden

könnei:. Demnach ist anzunchm-en, daß auch das
weitere Programm eingehalten werden dürfte, wie
es uvsprünslich angckündigt wurde, nämlich dis
Beioilliguirg einer kurzen Früst für die endgültige
Li'tscheiidun'g der deutschen Abovdnun-g. Nach frü-
bsren Ansabeir dürfte die Frist auf etwa vier Tage
beniesseir merden, sodasi die Entscheidmig anfangs,
spätcstens Mitte nächster Woche sallen soll.

Jn Bestätigung dieser Ansicht meldct die Liberts.
es ive'ck« bestbmmt keine mündlichen Ver-
handlungen gebcn, sondern nur n.och einen
Notenwech'el, und svätcstens am 15. Juni werde
olles vorbei sein müffen. Die nächste Note Ele<
i-ic.nceaus wSrde im Einoerständnis mit seinen
Kc-llegcm und Jreunden entsch eden ablehnend
scin.

Die Gründc. dic unsere DAegatioii k-azu ver-
onlcrtzt häben.'

sosort das Höchstmah

dcssen, was wir lcisten könncn, in unserer Denk-
schrist niedLrzulcgcil, können etwa folgcnde sein:

Die Delegation wutzts aus ihrenr dauernden
Koivtcvkt mit den feindlichcn Regierungcn, datz
drcse ieden deut chen E-ogenvoxschlag nicht einm-al
cinem eingehenden Studium unterwerfen würden,
wenn sie -aus ober slüchlicher Lektüre die Ansicht ss-
wonnen hätten, wir wollten un-s -an umeren soge-
nannten Vervfl.chtungen vo.beidrücken. Anderer-
sclts ist der Delcc.atioil- ganz klar «eworden, datz
'oer f r a n zös is ch e M i n i st e r v r ä s i d e n t seii
n'.ehreren Wochen dasHeft inHänden hat,
datz sein Ge-ist auf dem Fricdcnskongretz regieri.
Doul'chlaird tst sofort bis an die äutzerstc Erense
^es Men-schemirögl.chcn gclgangrn, um seine Ehr
l'chkeit su bewcisen. Die Behauvtung'n
s'.'incr Delegation können , dc:?Zeit nachgeprüft
werden. Die Amccikaner haben -auch bereits crn-
cikannt, datz Deitschland tatsächlich in sinan-zieller
H'.nsicht ivicht wertc-r gchen kann. nls es gegan-
gen ist.

Die Franzoscn rvollen illuminieren

Darmstadt, 4. Funi. Laut e'mer Melduug aus
i'Üorms treffen d'.e Franzosen zur Feier dcrllii-
b.rze'chnumg des Friedensvectrages grotz-e V 0 r-
bereitungen für einc Illumin at io n
der Nheinbrücke von Wo.'ins. Für den Foll
der Nichtunterzeichming haben die Franzoscn alle
Anordnungen -gctroffen, um sosort Truvvcii iu 'Br-
wcgung su fetzen.

Die Friedensbedingungen sür
Oesterreich

Wien, 3. Juni. Die heute bekannt üeioochienen
FrlodenSbedingungen fllr Deutsch-Oesterieich riescn
c-inen derart niederschmetternden Ein
drnck hervor, datz die Vörseukaimnec im Sinne
der gc-samten Mitgl'iöder der Vörse verfügto, dic
Börse"ein-stwsilen heuto und- morgen gsschlosstn zu
lmlt-en.

D r österreichischs Vertr-ag folgt im übrigcn ge-
nau den Umrissen des deutschen und ist an vielen
Stelleil b'cs auf d'.e Llenderung des Nameils mit
lhm identisch. Ocfterreich (der AuÄiruck Deutfch-
Oosterreich wird vermicdcn) wird durch den
Nertrav ein Staat von etwa 0 Milli 0 nen Ein-
mohncrn, di-e cin Eebiet von 59—69 000 englifchen
Ouiadratmiei'len bc-völkcrn. Es eokcnnt die vollstä»-
diso Umabhängigkcil Ung-acns, Tschocho Sloivcike!
und des stvha-kroat'csch-slowenischen Staatcs an
ffnd tritt andree Ecbiete, d'.-' frühär mit iihm: zu-
sammeir die österiojchische Monarchie ge'öildct ha
ben, ab.

ernannt und die Kühnheck beseffen. an die britt-
schen Behörden ein Telearamm zu senden. worii,
er die Gründuna der ..autonomen^' rheinischen Re-
publik ankiindiat und die Anerlennuilg von Dele-
gicrten dieser Republtk für dte- Friedenskonferenz
erbittet.

Dte ganze rbeinische Nepublik ist nichts wie
ein aufgelegter Schwindel. Si: best-'ht
so wcnig in Wirtllchkeit wie dte pfcilzische Re-
publik. nur mck dem Unterschted. datz Dr, Dorten
unv seine Helfershelfer bisher noch nicht die ver-
dienten Prügel bekommen haben.

Die Folqen der Volkswnt
üs Frankfurt a. M.. 4. Iuni (Privattel.) Die
aufgercgte St.mmunn tn Viebrtch führte zu
einem f 0 lgensch weren Zwtschenfall. Ein
französischer Offizier mttzhnndelte eineii Stra
tzonbahnschaffner mit der Neitpeitsche. Der Füh-
rer versetzte darauf dem Osfizier einen wuchti
gen Schlaa mit der Kurbel. das; er sofort
tot zusammenbrach Dem Manne, den di-
französischen Soldaten infolge der drohcnd.'n Hal-
tung des Publ'tums ntcht zu verhaftci' wagtc 1
Ist esgelungen das mibesctztc Gebiet zu vrrcichu.

Menschenrecht undGeldpolitik

Von unstrm nack VeAailles ent-
sandten Sonderberickter'lt'at-
ter wird uns aeschriebein:

..Wenn wir unsere Zeit nicht erkennen. kön-
nen wir unsere Aufgaben nicht erfüllen. und
dieses unser Zeitalter ist ein Zeitalter, dar
vorwärts blickt und nicht rückwärts; eine Zeit
die zurückweist die Fahnen nationaler Selbst-
sucht, die einst über den Beschlüssen der Völker
geweht haben, und die verlangt, datz einer
neuen Weltordnung Raum gegeben werde, in
dec die einzige Frage nur die sein wird: Jst
dies, was wir tun, gut? Jst es gerecht? Jst
es zum Vorteil der Aienschheit?"

Diese Worte stammen aus der Rede, dis
Wilson an den Gräbern der gefallenen
Amerikaner gehalten hat, am Erinnerungs»
tage des Eintritts Amerikas in den Welt--
krieg. Er hat dann seine Ueberzeugung aus-
gesprochen, daß man sich einmal schämen werde,
an die Wahrheit des Bundes der Völker nicht
geglaubt zu haben. „Diese Männer sind f ü r
die Idee gestorben." Worte, Worte, Worte!
Es muß sicherlich trostlos um einen Menfchen
stehen, der nicht an die Macht der Jdee glaubt.
es muß kein Herz in der Brust eines Menschen
schlagen, der nicht von dem Elend dieses Krie-
ges bewegt würde, nachzudenken, wie sich dis
Veziehungen der Völker anders und besser ord-
nen ließen, als es vor dem großen Unglück üb-
lich war. Aber lasse man die schönen Worte
beiseite, sehe man den Dingen in das Gesicht,
man kann finden, daß dann diese Menschheit
trostlos und ohne Herzensschlag für Vrüder-
lichkeit dasteht. Aber man wird nicht wie ein
Narr hinter den Wortgittern umherlaufen,
die für die anderen alle keine Eültigkeit ha-
ben. Die Völker leben nicht von Worten, und
das Jdeal hat nicht den kleinsten Platz in der
Politik, die sich da vor uns abspielt.

Nchmen wir die Hüllen und die grobe Ver-
kleidung der Zeitungsartikel von den Tat-
sachen, so bleibt ein nacktes Geschäft, ein
Geldgeschäft. Wie steht es denn?'
Frankreich ist durch den Krieg so sta r k
belastet. daß seine Schultern den Druck
nicht aushalten können. Es hat vorgeschlagen,
es hat gebeten, gefleht. daß die reichen Alliier-
ten England und Amerika seine Last mittra-
gen helfen sollten, cs ist in die Gesellschaft der
Nationen gegangen mit dem Wunsche, daß die
Kriegslasten gemeinsam getragen würden. Jir
den Kreisen Amerikas, die fllr die Bezahlun-
gen in Betracht kommen, erhob sich sofort star-
ker, einmütiger Widerstand. Ob sie die Mas-
ken der republikanischen Partei trugen, ob sie
vorgaben, für Afonroe-Doktrine zu .kämpfen,
das war und ist der Kernpunkt: Macht Vöi-
kerbund odcr nicht, schwenkt die Fahne des
Jdeals so lustig wie ihr wollt, aber ver -
langt keine Zahlungen! Dann be-
ainnt der Ernst, und Wilson erhielt seine
Wahlniederlagen.

An dem unbeugsamen Willen des Geldes
von Amerika lönnte Frankreich nicht zweifeln.
Es sucht andere Wege. Polen wnrde groß
gemacht. so groß, wie es selbst niemnls ge-
glaubt oder gehofft hatte. Es sprach mit die
Idee, anstclle des auf Jahrzehnte niederge-
brochenen Rußlands einen neuen kräftigen
Gegner an die Ostflanke Deutschlands zu setzen,
crber entscheidend war der Gedanke, daß Po-
len eineN' Teil der Milliarden aus der rus-
sischen und österreichischen Erbschaft mit i'ber-
nehmen müsse. Polen soll Frankreich einen
Ersatz für dcn Ausfall der russischen Schuld
sichernKman hat es so reichlich ausgesta^tet,
daß es sich kaum weigcrn wird, wcmiglei') die
Rechnung nuf die Tragfäbigkeit eines noch so
großcn Polenstaates immer falsch scin wird.
Aber man machte sie, und nur dicse finniiziel-
len Dinge erklärcn die !liigekelier!ichk:it n
des Fried.'nsentwurs..s im deutscl,."! Om'".
Selbsrbestlii.'in-ng d r Pölk r! Wilse-n. der
nicht die Macht hat. sein Land zum Z.-lne i 'u
bewcgen, kann nicht vcrhindorn, daß Fra .'-
 
Annotationen