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Heidelberger Zeitung (61) — 1919 (Januar bis Juni)

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Nr. 101 - 125 (2. Mai 1919 - 31. Mai 1919)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3202#0651

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Heidelberger Jeitung erscheint an jedem Wochentag mittags 12 Uhr. Nmllicher Aerkimdi-
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Hauptschriftleiler: Kurt Fischer in Heidelberg.

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(Unabhänglge Tageszeilung)

Verkündigungsblall sür Nordbaden und die angrenzenden Teile von Bayern, Hessen und Wurllemberg.
Nr. 109 Montag, den 12. Mai 1919_61. Iahrgang

Vie Mtwortnote -rr Entente

Versailles, 11. Mai. Die Note der deutschen
Friedensdelegatiou über die attgemeine Beur-
teilung des Friedensentwurfes wurde durch
Clemenceau am 10. Mai mit folgender Nore
beantwortet:

Die Vertreter der alliierten und assocciier-
ten Mächte haben von der Note Kenntnis
genommen, die die Bemerkunsen der deut-
schen Bevollmächiigten zum Text der Frie-
densvedinzungen enthält. Jn Bcantrvor«
Lung dieser Mitteilung mächten sie die
deutsche Delegation daran eri««ern, dah sie
sich bei der Festsetzung der Bertragsbestim-
mungen ständig yon Crundsätzen haben lei-
ten lrrssen, nach denen der Maffenstillstanb
und die Friedensverhandlunzen vorgeschla-
gen rvorden find. Die Vertreter der alliier-
ten und afiociierten Mächte können kei-
nerlei Erörterung ihres Nechtes
zulassen, da sie die gru»dsätzlichen Be-
stimmunzen des Friedens, so »ie fie fie fesi-
gesetzt haben, aufrecht erhaLtev. Sie können
nur Anregungen praktischer Art
in Errvägungziehen, diedie deutschen
Bevollmächtigten ihnen etwa zu unterbrei-
ten haben.

Diese Antwort enthält, obwohl sie formell
jede Erörterung des Friedensentwurfes grund-
sätzlich abzulehnen scheint, eine erneute Festle-
gung auf die Vereinbarungen vom 5. Oktober
bis November v. Z. Außerdem legt fie prak-

tische Vorschläge zu Verhandlungen über vre
einzelnen Kapitel des Friedensentwurfs nahe.
Daß solche Verhandlungen beabfichtigr
sind, ergibt sich auch aus der Tatsache, daß die
Gegner am 10. Mai eine größere Anzahl von
Druckschriften unserer Vorschläge zum Völker-
bund und. Arbeiterrecht erbeten haben.

Auf die Note über den Völkerbund har
Clemenceau geantwortet:

Zch habe dic Ehre, Zhnen den Empfang
des deutschen Entwurfes eines Völkerüundes
zu Lestätigen. Der Entwurf wird dcr zu-
fiändigen Kommission, die durch die alliier-
ten und associierten Mächte gebildet ist»
übermittelt werden. Die deutschen Delegier-
ten werden durch eine Neuprüfung der Völ-
kerbundssatzungen feststellen können» daß die
Frage der Zulafiung neuer Mitglieder in
diesen Vund nicht übersehen, sondcrn
ausdrücklich im zweiten Absatz des ersten Ar-
tikels vorgesehen ist.

Diese Antwort umgeht den KernpunkL unfe-
rer Frage, die sich darauf bezog, daß Deutsch-
land eine Bundessatzung als Teil des Eesamt-
vertrages oder als eingeladenes Mitglied dem
Lölkerbunde angehört.

Zn Ausführung der in der ersten Note eni-
haltenen Aufforderungen werden heute prak-
tische Fragen und Bemerkungen übergeben wer-
den, die auf die territorialen Abtretungen Be-
zug haben.

Die Lage

Der Empörungssturm durch ganz Deutschland
geht weiter. Die Zeitungen find voller Proteste
von Regierungen, Volksvertretungen, Volks-
versammlungen und sonstigen Körperschnften.
Der gestrige Sonntag hat im Neiche, im beson»
deren in den gesährdeten Grenzgebieten von
neuem Tausende von Protestversammlungen
gesehen.

Die Nationalversammlung

tritt heute mittag in Berlin zusammen. S ch e i-
demann wird in einer großen Rede die Stel-
lung der Reichsregierung vorlegen, worauf die
Vcrtreter der Parteien, Sprecher der abzutre-
tenden Gebietsteile und ein Vertreter der Pa-
zisisten (Prof. Quidde), zu Worte kommen wer-
den. Die Fraktionen haben im Laufe des
Samstags und Sonntags Veratungen abgehal-
ten, als deren Ergebnis die Erkenntnis der
Unannehmbarkeit der Friedensbeding-
ungen festzustellen ist. Auch die Unabhä.rgigen
bekennen sich mit einigen Einschränkungen zu
diesem Entschluß, sodaß zu hoffen ist, daß der
heutige große Tag der Nationalversammlung
einen würdigen Verlauf nehmen wird. —
Der Staatenausschuß ist jedenfalls auf
heute mittag nach Berlin einberufen worden.

Drucklegung und Uebersetzung des Urtextes

Da der Urtext des Friedensvertrages in-
zwischen in Berlin angelangt ist, ist sofort mit
der Drucklegung des Urtextes und der Ueber-
setzung begonnen worden. Beide werden aber
vor Dienstag nicht fertig werden.

Abreise der deutschen Delegierten
Paris, 11. Mal. (Havas.) Wie die Chi-
eago Tribune meldet, sollen die deutschen Frie-
densdelegierten beschlossen haben, am
Sonntag nach Berlin und Weimar abzu»
reisen. Graf Vrockdorff-Rantzau habe alle De-
legierten angewiesen, ihr Gepäck bereit zu hal-
ten, um innerhalb 18 Stunden abreisen zn kön-
nen. Graf Brockdorff-Nantzan wird, wie die
Blätter berichten, den Alliierten niitteilen, dag
alle weiteren Besprechungen in Zukunft
von Verlin oder Weimar aus stattfinden
würden.

Die Prüfung der deutschen Gegenvorschläge
Wie das „Zournal" berichtet, nehmen dis
Alliierten für die Prüfung der deutschen Ge-
genvorschläge folgendes Verfahren an: die
deutschen Vorschläge werden den zuständigen
Ausschüssen überwiesen, diese werden ihre
Schlußfolgerungen formulieren und an den
Viererrat senden, der darüber entscheidet, in-
wieweit den Schlußfolgerungen stattgegeben
werden soll. Keinesfalls kann die Erörterung
verlängert werden, die Deutschen werden die
letzten Veschlüsse der Sieger anzu-
nehmen haben.

Die Times meldet: Ueber wrrtschafr -
l i ch e Fragen werden die Alliierten in schi ist-
liche Verhandlungen mit Deutschlaild einwilli-
gen, nicht aber wegen F e st setzung der
Erenzen: die Verpflichtungen bezüglich der
letzteren liegen fest und sind nicht mehr
Su ändern.

Eine dritte deutiche Note
wird die internationale Arbeitergesetz-
gebung betreffen. Um den Arbeltern dre
Mitwirkung an der Gestaltung über die Be-
stimmungen des internativnalen Arbeiter-
rechts zu sichern, hält die deutsche Delegntion es
für notwendig, xur Beratung und Beschluß-
fassung der Landes-^rganisalionen und der
Eewerkschaften zu ein»r Konferenz nach
Versailles zu berufe.r. Legien ist be-
^erts nach Versailles abgererst.

Für den Sklavenhatter gcbundcn
Der „Daily News" .jusotqe spricht man in
Paris bcreits von einem Ausrvande-
vungsverbotder Alliierren gegen deutsche
Staatsangehörige, damit sich niemand in

Deutschland seinen Berpflichtungen gegen die
Entente entziehen könnte.

Die Friedensbedingungen an Oesterreich

werden genau so hart sein wie drejenigen
an Deutschland. Oesterreich werde anf seine
Eebiete mit ausschließlich deutsch sprechender
Vevölkerung beschränkt sein und an der Scha-
denersatzverpflichtung in gleichem Verhältnis
teilnehmen wie Deutschland.

Ehina unterzeichnet nicht

Peking, 10. Mai. Ehina hat seine Delegier-
ten in Parrs beauftragt. einen Friedensoer-
trag, der Japan dre deutschen Rechte in
S ch a n t^ n g zugesteht, nichtzu unter-
zeichnen. Ferner wurde beschlofien, im gan-
zen Lande Protestversammlungen zu
organisteren. und den fremden Gesandtschaften
mitzuteilen. daß das chinestsche Volk keine in>
ternationalen Einrichtungen anerkennen
werde, die die Souveränrtätsrechte Ehinas be-
einträchtigen.

Amerikanische Befriedigung

Der Korrespondent der „Daily News" drah.
tet aus Newyork: Der Friedensvertrag ist harr
genug für dre Deutschen, um felbst die schlimm-
sten Eisenfrefier zu befriedigen. So sagt ..New-
york Tribune": Die Macht der Hunnen ist ge.
brochen und „Newyork Sun" erklärt, Deutsch-
land sei hiermit zerschmettert. Es werde ein
für alle Mal die Legende zerstört, daß
Wilson den Zentralmächten gegen-
über allzu milde gestimmt gewesen sei. ..New»
york Tribune" glaubt übrigens aufrichtig an
einen englisch-amerikanischen Ausgleich und
tritt infolgedessen für den Schutzvertrag mit
Frankreich ein, schon um den Vereinigten Staa-
ten die Rolle eines Weltbeschützers zuzuweisen.
„Newyork World" schreibt: Die Deutschen
nrüssen eine bittere Dosis von Demütigung
schlucken, die auf dem Boden des Kelches ihrer
Nicderlage liegt. Aber-die Deutschen können
nicht behaupten. daß dieser Vertrag das Ergeb-
nis eines blinden und eitlen Hasses sei. „New-
uork Times" sagt: „Deutschland ist machtlos.
Die Strafe. die Deutschland Zahrhunderte lang
rragen muß, wird deu Kriegsgeist vernichten."
Zn ähnlichem Sinne äußern sich auch andere
nmerikanische Blätter

Protest Badens

Der Präsident des badischen Landtages, Abg.
Kopf. richtete an den Ministerpräsidenten Geiß
folgendes Telegramm:

Der Protesr des badischen Staatsministeriums
gegen dle unerträglichen u. unannehmbaren Frie-
densbedingungen der feindlichen Mächte. besonders
gegen die Weiterbesetzung von Kehl
durch die Franzosen begegnet einmütiger Zustim-
mung der badischen Volksvertretung. Das ganze
badische Volk erwartet von der Reichsregierung
entschiedenste Stellungnatzme grgen dte haßerfüll-
ten feindltchen Vernichtungspläne.

Wie die „Karlsr. Ztg." mitteilt. hat das bad.
Eesamtmtnisterium schon am Freitag in
langen und eingehenden Beratungen die Lage
selbst und dio Möglichkeit. mit denen wir zu rech-
ncn hab»rn, einer griindlichen Prüfung und Bespre-
chung unterzogen. Die Entscheidung selbst wird
naiürlich bei der Neichsregierung. dem Staaten-
ausschust und dem Neichsparlament zu liegen ha-
ben. Notwendig aber ist es. daß die Regierung
etnes jeden Gliedstaates sich einrichtet auf alle
Eveniualitäten. die uns die nächste Zukunft brin-
gen kann. Und das gilt wieder ganz besonders
auch für uns in Baden. Die bad. Regierung er-
wartet, dast die Bevölkerung ihr mit dem ernsten
Willen zur Mitarbeit zur Seite tritt.

Der neue Dreibund

Außer den durch den Friedensvertrag gebo-
tenen Earantien verpflichtet sich der Präsident
der Vereinigten Staaten dem Senate der Ver-
einigten Staaten, und verpflichtet stch
der Premierminister von Eroßbritan-
nien dem britischen Parlament, eine dem
Rate des Völkerbundss unterbreitete Abmach-
ung vorzulegen, wonach die Vereinigten Staa-
ten und Großbritannien sofort Frank -
reich ihre Hilfe angedeihen lafien, sofern
es von Deutschland nnprovoziert angegriffen
wird.

Das ist die Rückkehr zum System der Son-
derallianzen, defien Ausrottung eine der wich-
tigsten Kriegsfolgen sein sollte. Frankrelch un-
terwirft stch diesem Abkommen in Bezug aus
sern Verhältnis zu Deutschland völlig der Kon-
trolle der beiden angelsächsischen Neiche; denn
diese haben in jedem Falle zu prüfen, wer pro-
voziert habe. Dadurch wird jeder französischen
Regierung die Führung eines Angriffskrieges
praktisch unmöglich, da sie vor ihrem eigenen
Volk und vor der Wclt nicht bestehen kann,
wenn die beiden Alliierten ihr nicht Recht
geben.

Keine Auslieferung!

Die Friedensbedingungen enthalten unter
anderem auch die Bestätigung dafür, daß die
Entente auf eine Eerrchtsbarkei» über den
Kaiser und deutsche Sraatsange-
hörige Anspruch erhebt. Sie will den Kai-
ser vor einen besonderen Eerichtshof stellen und
daneben militärische Eerichtshöfe einsetzen, die
die Verletzungen der Kriegsbräuche bestrafen
sollen. Die deutsche Regierung soll verpflrchtet
sein, Personen, dre die Entente eines solchen
Vergehens beschuldigt, sofort auszuliefern.
Diese Zumutung könnte nur von einer Regie-
rung angenommen werden, die des letzten
Restes nationalerWürde barist.
Der kriegerische Konflikt Oesterreich-Ungarns
mit Serbien konnte nicht aus der Welt ge-
schafft werden, weil Serbien stch der Zumutung
widersetzte, Beamte des Nachbarstaates an der
Untersuchung gegen das Attentat von Sera-
jewo teilnehmen zu lafien. Es erklärte einen
solchen Eingriff mit seiner Zustizhoheit unver-
einbar. Heute soll Deutschland nicht nur aus
seine eigene Zustizhoheit verzichten, sondern es
soll dem Rachebedürfnis der Entente Staats-
angehörige ausliefe^n, denen nur Kriegshand-
lungen zur Last fallen, dre sie im Dienste der
nationalen Verteidigung pflichtgemäß ausge-
führt haben. Zn dem Kaiser wünscht die En-
tente die sinnbildliche Verkörperung des „preu-
ßischen Militarismus" zu treffen, defien völ-
lige Ausrottung sie sich bekanntlich zum Ziel
gesetzt hat.

Die Auslieferung des Kaisers ist eine Ange-
legenheit, die zunächst die holländische
Regierung angeht. Es ist bemerkenswert,
daß von dieser Seite aus der Entente bereits
eine vortrefsliche Lektion erteilr worden ist.
Die holländische Regierung hat offiziös erklS-
ren lafien. daß sie sich dem Verlangen der En-
tente widersetzen werde, weil der Gerichtshof
der Entente jede Unparteilichkeit oermifien
lafie, und weil man dem Kaiser nrchts vorwer-
fen könne, was nach den bestehenden Gesetzen
strafbar sei. So gut wie die holländische Re-
gierung müßte auch dre deutsche Regierung ihrs
Stimme erheben und erklären, daß sie der En-
tente keine Gerichtsbefugnis zugestehen kann.
Das deutsche Volk jedenfalls muß alles tun,
um die holländische Regierung in ihrem Ent-
schluß zu bestärken, damit das Schauspiel wi-
derlichster Heuchelei und tiefster deutscher De-
mütigung. das die Entente inszenieren wrll, der
Welt und uns erspart bleibt.

Selbstverständlich muß der Entente auch ver-
wehrt werden, rrgend welche deutsche „Kriegs-
verbrechen" vor ihren E5rrchtshof zu ziehen.
Hier fällt die Abwehr allein der deutschen Re-
gierung zu und wir erwarten, daß sie unsere
Ehre als Nation gerade in dieser Frage bis
zum äußersten verteidigen wird. Wir sind stolz
auf unsere Krregshelden, auf Hindenburg und
alle die Heerführer, die das deutsche Heer von
Sieg zu Sieg geführt haben. Wir sind ebenso
stolz auf unsere Seehelden, die im ungleichen
Kampf glänzende Taten vollbracht haben. Die
Entente möchte die Crinnerung an alle diese
großen Leistungen beflecken, indem sie sich zum
strafenden Nichter über diejenigen aufwirst.
die sie vollbracht-haben. Würde Deutschland
zum Helfershelfer bei diesem Manöver der En-
tente, so würde es sich bis zum tiefsten Eradv
nationaler Schmach herabwürdigen. Deshalb
muß diesem Racheplan der Entente rurüber-
windlicher Widerstand entgegengesetzt werden.
Die Regierung soll die Hüterin unserer natioi
nalen Ehre sein und versagt sie hier, so wir^
ihr Name mit Schande beladen durch diq
deutsche Eeschichte gehen.
 
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