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Heidelberger Zeitung (61) — 1919 (Januar bis Juni)

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Nr. 101 - 125 (2. Mai 1919 - 31. Mai 1919)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3202#0697

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^'^°"' Woch-nt.z „ntl.gs is U-ir. AmMchrs «-rr>»»»i-
an»«ta-r DI« ?,«<d«l»krckkV^.n ^ 6e»«!d-rg-.r F»mM«„b:8tt«r, »ui«rd«lii amlltchrr A«>»n,ui,s.
Lanb« b.« «»- P."«nftnl'«m »urch »I. «,«„n.r.„ »«„>

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»l.nut«hrllch beft«r, »«r»«„.


Dru» tz«upls»rlftle<ttr. F.Ichertz«,d.lb«r».

ruck und «.riag tz.tdelb.rg« v«rla,»ansi«lr und Vnicherel, «. m. b. tz.

Bezugs- und Anreigsu»reis. Dl« ^H«>d-lbtr»«r grtsn,,- K.M »ci jed« P»»austalr
monatllch i.z« M., vi.rtUjShrltch 4D8 M. au«schlietzlich gust.S^biihr, durch dt« «,«nchr« «der
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kostet 35 Pfg.; im Neklanieteil die vier»-spalten« Prlllzeli« l.W, mlt Platz»»rlchrlft l.4N M.
Bei Wicderhokungen Nachlah nach Tarlf. ErMungr«rt lst tzeldelberg. kDvlverlurvf »0 Pfg.

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Postsch«chb,nl« starlsruh« Nr. 1S»ü». Fernsprecher: Nedasttton t«, «eschLftsftekle M

^r-kef/e,


Tüchtig^

benmädchen

krmW,

a bei kleinere» Kindera
1. Juni gesucht. Uchk,

r. Nähcres bei Frau
Luisenstr.8.T«l.377L ^

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Sache gesucht. - M
n Spie-, ««rl-nthk.

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'eschäftr 20'/. Verztnsm-l,
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r-äoitblt-^

.Vnterrev^

Nerl.,i..„r^ .. .. tNnabhängige Tageszeltung)

„ ^ ^rrm'Ssblalt für Nordbaden und die angrenzenden Teile vsn Bayern. Sessen nnd Würllemberg.

Nr. 115

Montag, den 19. Mai 1919

81. Jahrgang


prinz Max über den Frieden

Zn einer grökeren Veröffentltchung nimmt
Prinz Ntar von Eaden Steltung zum Frie-
densvertrag. den er einer schonungstoien Krrtik
«nterzlrht. Naärdem er an verfchieoEen Veispie-
jen das moraliich verwerftlche diefes Vertrags ge-
zeigt hat. declt er die sittliche Schuld der Entente
Mt folgenven Ausfuüruaaen auf:

„Als die Völrer rn dem Etend des Krieges zu
versinken glaubten, ist vor ihnon die hohe Hosf-
MNg einer kunstigen Völkerversöhnung. eines
Aufhorens der Krieae und ciner Gemeinschaft der
Äationen aufg^rrchtet worden. Unsere Feinde ha-
hen sich das Alandat angeeignet. sur diese^ Jdeal
den Sicg zu erfechten. Das Friedensdoklrment von
Versailles hat dieses Jdeal vernichtet.
Der Elauben der Menschh>.it an dte Macht des
Euten ist zerbrochen. Ich warne davor. zu glauben,
t>ak der Nölkerbund. wie ihn unsere Feinde sich er-
bacht haben. eine Neorsion dieses Gewaltfrreoens
1>orzunehm>.n. bereit oder imstande sein wird. Ich
Varne auch vor der trügerischen Hoffnung, datz die
Znternationalr Sozialüenw^ratie einen solchen
Umschwung herbeizufiihren vermag. Dsr allge-
jnietne Wunsch nach Ordnung und Ruhe würoe
thnen entgegenstehen. der heute bn emec Abley-
dung für uns wirkt.

,> Wir müsjen aber diesen Frieden vor .illen Din-
Nen abl>.hnen. weil wir uns an der Lüge nicht
Leteiligen dürfen. datz er ein Rechtsfriede sei.
Wir wollen nickt drohen. drnn wir können heute
nichts tun. um unsere Drohungsn wahr zu machen.
Wtr lehnen es ab. den Bolschewismus als Bun-
desgenossen aufzurufen. denn wir erblicken in ihm
den Würger. der den Tod nickt über das Heil zu
Lringen vermag. Eines aber könnrn wir tun,
eine unabweisbare Pflicht die uns klar vorgezeich-
tret ist. zu erfüllcn: Etntg zusammenstehen und
dem Versailler Frieoensvertrag, wte er uns ver-
tündet worden ist. ein festes Nein entgegen-
balten.

Es ist nicht allein Deutschlands Schicksals-
Amde: die gesamte Menschheit macht die schwerste
Kriso durch. Fünf Iahre schrankenloser Gewalt
^krben einen Trümmerhaufen hinterlassen. Kein
Karteigänger kann die Welt erretten. Die Stunde
»st gekommen. wo die Menschheit nur durch eine
drotze Opfertat von der Herrschaft de-r Ee-
«alt und der Ungerechtigkeit erlöst werden kann.
Deutschland allein kann ste vollbringen. Wrnn
wir den Eewaltfrieden ablehnen und die Gefahren
tmd Leiden eines solchcn Sckrittes freiwillig auf
Pns nehmen. öffnen wir noch nicht einmol den
Weg zur Rettuna des Menschheitsgedankens,
ven die Staatsniänner der Entente verschüttet ha-
ben. Es tst der letzte Versuch uns selbst vielleicht
vor der Vernichtung zu bewahren: der letzte, um
^wch einmal alle diejenigen. die an Stelle von Hatz
und Eewalt Necht und Menschlickkeit g-setzt sii'en
tvollen zu einem einmütigen Bekenntnis zu die-
»en Erundsästl'n der Erneuerung der Menschheit
Wammenzufassen. Hterin liegt die bedeutungsvolle
^emernsamkeit von Deutschlands Schicksal und
Kem Cchicksal der Wclt. Heute. ist. — unscren
^i Trotz "" den Entrechteten das Recht

M bemahren gegeben. damit es nickt ganz zum
der Nölker verlösche. Wir wollen
uns-nle Feinde es wagen wrrd-n es uns
NiaLen" ^^schheit mit Gewalt streittg zu

Zum Schutz unserer Missionen

»» ^kssilles, 18. Ma'r. Dmn Präsidenten der
^skonferenz Clemence'Lu wurde hemte
Note des Neichsministerr Griafen Brock-
-'wrn-Namtzau übergcben:

Präsident ! Selt mehr >als 300 Iaihron
vaben deutsch«. Missionare beider chrlstli-
Ronfessionsn in allen Erdte.rlen stch der reli-
L?stUlichen U'Nd wirtschaft.ichvn Hebuna der
«evolkevuna gewid-met Diese vi-elversprechenide
r, "w^^ung will der Bertvag jäb abbrechvn. In
-bat. würden. wonn der Artürtel 438 zur Aus-
Myvung gelanger würde, dre deutschen Misswinen
ko ullen ihren Arbeitsseldern mrt Ausncchme
./'^brländischon Kouonialreiches sewaltsam
tnV^ungt. Sie mürdsn ihrer woblerworbenen
beraubt und ams ihrer W rksamckeit se-
werden. für die sie sich besonders vorberei.
m uno a-isgebildet haben, aber «s stciht mehr auf
^.U/.^plelc Mehr als einvinchalb Millionen
'a'fbswerber untz Schülor aller Rassen würdcn
^°L^>tigen Führer verlnersn »md in die Gefahr
Nuckfalls oeraten.

e.cht ui-on den Artikel 438 des Friedens-
bsn Bestininuinsen der Konsoakie,
und dic Freiheit der M ffwr.'sn se-
u>..i'.r,tet, so erkennt nran mit BsMr»aing,. in
tz^Mem Erade die Nechtslage der chrfftl chen
I.Muar« ve r i ch l e cht c r t und das VertrLwrn
Tätiakcit vermindert wird. wenn man
g-,.^ politischen Gründen den fuPrcmrrtimralen
u-daralters anbrstct.

Dre Missionen der Völker. die von don allüer-
und assoziierten Negierungen vertreton wor-
- yaben, wie die deutsche DsEilion gevn an-

Die verfaiLLer ZrieöLusksnfrreKZ

Die deutschen Gegenvorschläge

l.) «erli«. 19. Mai. (Privattel.) Nach dem
Berl. L.-A. will der Matin wiffen, datz die
deutschen Eegenvorschläge folgende Grund-
linien haben werden:

Deutschland beharrt auf den 14 Wil->
fonschen Punkten «nb verlanzt VolSs-
abstimmung in den ftrittizen Ostgebieken.
Hinfichtlich der Sa«rkohlenfr«gr werde das
rlngebvt eines «nderen Airtschaftsgebietes er«
folzen. Fall» ökvnsmifchr Erleichternngen zum
Wiederavfbau fsines Wirtschaftslebens in
Ausficht gesteSL «iirdrn, rserde Deutfchland sich
zum Wiedera>fb«u ber zerstsrten Gebiete ver-
pflichten. Die Kontinzenteziffer bleibt höher,
sola«ze im Znnern nicht Nuhe herrscht, die
devtsche Negierung verpflichtet stch aber, diese
Ziffer zu rebuzieren, sobald es die inneren Ver-
hältniffe gestatten. Zum Beweise seiner fried-
Uchen Abfichten ist Deutfchland bereit, den Nest
seiner Kriegsschiffe ausz«liefern, falls ein Tei!
der Handelsflotte zurllckgegeben wird. Werden
diefe Vorschläge abgelehnt, so wiirde die
deutsche Rezierung die Bertrags-UnterschrifL
verweigern.

Nach demselben Blatt wird entgegen anderv
lautenden Pariser Meldungen festgestellt, datz
die deutsche Delegation nach wie vor auf dem
Standpunkt verharrt, datz der Verlrag ntcht un-
terzeichnet werden könne, wenn ntcht wesent-
liche Aenderungen in den Friedensbedtngun-
gcn vorgenommen werden.

Eine weitere Note betr. die Deutschen
i m A u s l a n d ist am 18. Mai vormittags
Clemenceau übergeben worden. „Daily Tele-
graph" meldet aus Paris, datz die deutsche De-
legation eine zweite Note über das Saarge-
biet vorbereite. Die französische Regierung
sei angeblich der Ansicht, dte Note sei nur dazu
bestimmt, die öffentliche Meinung tn den alli-
icrten und neutralen Lündern zu beeinfluffen.

Die Deutsche Tageszeitung erfährt aus ame.
rikanischer Oeulle, die sich offiziös betitelt: Es
wird der Pariser Preffe mitgeteilt, datz, falls
die Deutschen über die gewährten 14 Tage hin-
aus eine Verlängerung der Bedenkzeit er-
bitten, ihnen diese nicht gewährt wiro.
Ueber die vermutliche Dauer der Konferenz
und ihren Ausgang sind vorläufig nur Kom-
binationen möglich. Es kann sein, datz nach
Abgabe der deutschen Antwort am 22. Mai
eine Frist für die endgültige Entscheidung bis
T^nfang Iuni gestellt und dann noch einmal
verlängert wird. Es kann aber ebenso
sein, datz die Verhandlungen nach dem 22. Ma!
cin sehr raschesEnde nehmen.

Graf Rantza« in Spa

Graf Rantzau reiste am Samstag von Ver-
sailles nach Spa, um dort mit Reichsftnan'"
minister Dernburg über Finanzfragen zu
beraten. Jn seiner Abwesenheit, die bis Mon-
tag dauert, wird Präsident Leinert die Frie-
densdelegation führen. — Wie das WTB. er-
fährt, haben die Besprechungen den Zweck, eine
persönliche Fühlungnahme zwischen der deur-
schen Delegation und der Berliner Regieruiig
herzustellen. Eine Reise nach Verlin ist un-
möglich, weil die Hin- und Rückfabrt mehrere
Tage in Anspruch nehmen würde und die An-
wcsenheit des Grafen Brockdorff in Versaillcs
wegen des baldigen Ablaufs der Frist fllr die
Ueberreichung der deutschen Eegenvorschläge
unbedingt notwendig ist.

Eine unveröfsentlichte Klausel

Reuter meldet: Es verlautet, datz der Frie-
densvertrag mit Deutschland eine Klausel
enthält, die noch nicht veröffentlicht wurde, und
in der bestimmt wird, datz die Natifikation der
Vertrages durch Deutschland und drei der
hauptsächlichsten alliierten und assoziiertei
Mächte den Vertrag zwischen den betreffenden
Parteien in Kraft setzen und auf diese Weis
sosort die Wiederaufnahme des Han-
dels zwischen ihnen möglich machen wird.

Ein Wink mit drm Zaunpfahl

So wenig Frankreich bishrr von dem Jnhali
des Friedensvertrags erfahren hat, eins hat es
doch herausgefunden, datz sich nämlich der Vor-
friedensvertrag über das Eeschick der
deutschen Kriegsschiffe vollständig
ausschweigt. Seit längerer Zeit hört und
sicht man tatsächlich nichts mehr von unseren
an England ausgelieferten Schiffen. Ab und
zn hört man, datz einige U-Boote nach Amerika
oder nach dem Mittelmeer abgefahren stnd,
aber von der grotzen Flotte hört man nichts.
Cie schlummert in den Häfen von Scapa Flow
und Grimsby. Die Erörterungen über das
Schicksal der Flotte entbehren manchmal nichi
der Komik. L'Heure schrieb z. B.: „Die Eng-
länder verachteten ja so wie so die deutschen
Kreuzer, weil ihre neuen Schiffe den deutschen
weit überlegen sein sollen, um so eher kaun
man sie uns geben, weil wir sie, da wir nichts
Vesseres haben, sehr wohl gebrauchen können."
Diese schüchterne Anspielung werven die Eng-
länder aber wenig berücksichtigen.

Die Fimne-Frage

Aus Paris wird gemeldet: Von bestimmter
Seite wird mitgeteilt, datz die Fiume-Frage
schnell gelöst sein wird, und zwar in dem
Sinne, datz Fiume -Stadt an die Italie-
ner gegeben wird, während der Hafen den
Iugoslawen überlasien werden soll: letz-
teres soll in Miete geschehen in derselben Weise,
wie die Jtaliener einen Teil des Hasens von
Genua der Schweiz vermietet haben.

Die Aufteilung der TLrkei

Aus Paris wird gemeldet: Das Schicksal von
Konstantinopel scheint jetzt definitiv ent-
schicden zu sein. Die Hauptstadt des türkischcn
Reiches wird Eigentum des Völker-
bundes; Amerika hat das Mandat Lber die
Stadt verlangt, aber infolge der Intervention
von Lloyd Eeorge soll beschloffen worden sein,
das Mandat Amerika, Frankreich und England
gemeinsam zu übergeben.

Die Pariser Vlätter legcn die Vesetzu?- g
von Smyrna, die am Freitag erfolgre, als
ein Zeichen für das in einigen Wochsn oder
Tagen bevorstehende Endedestürkischen
Reiches aus. Das „Echo de Paris" glaubt,
datz man aus der europäischen Türkei zwei
Teile machen werde: einen, den man zu Erie-
chenland schlagen werde, und einen internatio-
nalen Staat Konstantinopel unter amerika-
nischem Protcktorat. England würde die
Mandate über Mesopotamien und Palästina
erhalten; Frankreich erhalte Syrien, vi l-
leicht mit Diarbekr und Adana und einige
Mandate um Anatolien berum: Italien bc-
komme Adalia und das Protektorat über oie
Türken, deren Hauptstadt Bruffa ^«,-r Konra
würde. Dem „Matin" zufolge soll Frankreich
zu Syrien Eilicien erhalten; England erhalte
mit Mesopotamien Arakien und die anderen
an Palästina grenzenden Eebiete.

Das Erwachen

erkennt. hervorragendes und vorbildltches gelei-
stet Die LeuLcbe De epati-on verman daher mcht
zu alamchen. datz diefe Nesievungen sich der dcprn-
vierenden Folaen bM-ntz! sind. dle der Artisi'l 433
nach sich sichen mutzte. Iedenfalls fn det die
dontsche Rogierung die Zummtung. den Artibol
lhreveits anzunehnien. niit chver Mirde nicht
vereinbar.

Zu den Dodingungen die da.ni bestinmnt E,ei°
nen, >die Miederausföhnung der Vö ker. vielmehr
zu verhindern. als an.uchabnon. gehört der ^lrH

kel 438. deffen unhetlvolle Folaen noch
viole Iahren ?kn spüren sein rverden. Unr sie zu
osrbüten. empfiehlt die deutsche Di egaü.on o'm-en
gemischten Ausschntz von Sachverständigen eiiiM-
setzen, dsr dcn Auftvag hätte. mündlich zu erör-
tern. tn melcher We'ü e die Wirkmrgen des Welt-
krieges auf die christl chen Miffionen zmeck-
mätzigsten geregelt werden.

Genohniigen Sie. Herr Präsidenf. den Ausdrnck
meiner «usgeieichneten Hochachtuna

Graf Brockdorff-Rantzau.

^on Abg. Lothar Mager-Heidelberg

Wie ein Sturm der Entrüstung braust durch
ganz Deutschland das von der dlattonalver-
sammlung ausgegebene Wort: Unannehmbar!
Eine Neihe von Volksvertretungen der Bun«
desstaaten, tausende von Protestversammlun-
gen, Millionen Herzen und Lippen hallen von
diesem Wort wider.

Wie ein Riesenschatten, wie ein Eespenst aber
huscht neben diesem Worte her ein anders:
Enttäuschung! Eine grenzenlose, unfatzbare
Enttäuschung hat grotze Masfen unseres Volkes
erfatzt. Erotze Massen, aber nicht alle! Dieje-
nigen, die sich den klaren Blick in die Trieb-
federn des gewaltigen 4^jährigen Ringens
nicht trüben ließen, die sich nie irre machen
lietzen in dem Elauben, daß die llrzelle des
Kriegswillens unserer Feinde in dem überaus
raschen Emporwachsen unserer nationalen und
wirtschaftlichn Macht lag, und datz dieser
Kriegswille deshaib letzten Endes nur ein Ziel
haben konnte: die Vernichtung eben dieser un.
serer nationalen Vlüte .... alle die sind heute
nicht enttäuscht. Sie sehen nur zu klar, datz allc
ihre Befürchtungen nur zu wahr waren, denn
das vorliegende Friedensinstrument erstrebt
unsere vollkommene nationale und wirtschaft-
liche Vernichtung.

Jene Onttäuschung aber befällt heute alle die
Volksgenoffen, die der jahrelangen Suggestion
der feindlichen Propaganda unterlegen sind. —
Was haben ste, unsere lieben Feinde, uns nicht
alles vorgepredigt von unserer Schlechtigkeit
und ihrem Edelmut, oon ihrem Kampf gegen
den Kaiserismus und preutzischen Militaris-
mus und von ihrem Wohlwollen gegen das
deutsche Volk, gegen das man ja überhaupt kei-
nen Krieg fiihre; das den besten Frieden uud
Freiheit haben könne, wenn es nur seine Ty-
rannen fortjage und sein militaristisches Skla-
venjoch abwerfe. Und mit welcher biederman-
nischen Treuherzigkeit hat unser deutscher Blät-
terwald das Rauschen des feindlichen Blätter-
waldes aufgenommen. Biedermännisch-treu«
herzig alle bis auf jene „führenden" Blätter,
die sich schon vor dem Kriege nicht genug tuu
konnten, unsere „öffentliche" Meinung zu Gun-
sten des Auslandes zu vergiften, und die heute
noch, offen und versteckt, ein padistisches Vergnü.
gen daran finden, unser eigenes Nest zu be-
schmutzen. —Darum jetzt die Enttäuschung der
Maffen, die jenem Eaukelspiel zum Opfer fie-
len, jenem Gaukclspiel, dessen Elanznummer
Wilson hietz und heitzt. — Hat je eine grötzere
Maffenverführung stattgefunden als jener
Wilsonsche „Frieden der Eerechtigkeit" ste dar-
stellt? — Ist diese Verführung und Jrreleitung
der Geister nicht so tief gegangen, datz auch
heute noch, nach dem Bekanntwerden dicscs
„Friedens", die Menge nicht den Glauben auf-
geben will an jenen Frieden des Rechts?

Aber nicht nur dieser Irrwahn ist es, der die
Massen noch im Bann hält, und der diese gren-
zeulose Enttäuschung hervorruft: auch noch cin
zweiter Jrrglaube gerät ins Wanken, trägr
mit bei zu dieser Enttäuschung, das ist der un-
seren Arbeitern seir Iahren eingeimpfte
Elaube an die „Internationale", jener Elaube,
den man in der Revolution zum Elauben an
die Weltrevolution gesteigert hat! —Wo bleibr
sie, die Internationale, wo zeigt sich auf der
Eegenseite auch nur ein ehrliches Fünkchen, an
dem dieser Elaube aufflammen könnte. Ein
wenig Strohfeuer brennt man ab, nicht um
seinen guten Willen zu zeigen, sondern als
flammenden Hohn auf unseren Elauben!

Wie eine Dalila den Simson, so hat diese
Doppelsphinx: Wilson—Intcrnationale unsere
Sinne betört, uns unserer Kraft beraubt.

Mie Simson beim Erivachcii zur Erkeiintins
des ganzen Trugs und seiner Schwache kom so
kommt jetzt bei uns ein schreckliches Erwachcn.
dä.nmert die Erkenntnis. datz wir ietzt cr,t ein
in Wahrheit belogcnes und betroaenes Volk
si'H. —
 
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