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Heidelberger Zeitung (61) — 1919 (Januar bis Juni)

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Nr. 101 - 125 (2. Mai 1919 - 31. Mai 1919)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3202#0771

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mmer-Schauspiele.

ag, den 30. Mai ISl»

8. Borstellung Miete^.

imSchattenleben'.

Anfang 7i/z Uhr.

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errn Oberregisseur Gustad !
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Andoi

Heidelbergcr Zeilung »schkml an s.dcm Wochentag mUtag» 12 Uhr. Amtliche, Aerkündl.

t'nd dle Hetdelberger FamIIienblätter. a.cherdem amilicher Wochnung«.
^ Hrtdelberger Zetiung kaun durch alle Posianslalt-n. durch dle Agenturen aus dem
Lande. ble Trügermnen unü bel der <velchäft«stclle lelbst - Hauptslrabe 21 - monatllch und
vlerieljShrllch bcstellt werden. ,

Hauptschrisrlelter. Kur > FtIch«rin Heldelberg.

Dru» unb Derlag Heldelberger Aerlagsanstalt und Druck-rei, G. m. b. H.

Bezugs- und Anzeigenpreis. Di« „Heldelberger Ieiluiy" kostet bei jeder Postanstalt
monatlich 126 M., vlerteljährltch 4.08 M. ausschlieblich Iustellgebühr. durch dl« Agenturen oder
di« Trägerinncn srei Haus monatllch 1.45 M. - Die sechsgespaltene Petitzeile oder deren Raum
koslet 35 Psg.: Im Reklamelell die vlerg-spalt-ne Petilzeil« 1.20. mit Plahvorschrtst 1.4V M.
Vet Wi-derholungen Nachlab uach Tarlf. ErMungrort tst H-id-lbcr^. Einzelverkaus 10 Psg.

DruckundDerlag: Heldelberger Derlagsanstalt und Druckcrei G. m. b. H.

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(Anabhanglge Tageszeitung)

Verlrünbigungsblatl für Nordbaden nnd die angrenzenden Teile von Dayern. Hessen und Württemberg.

Nr. 125

Nach der Ueberreichung

Drahtung unseres nach Versailles eutsandten
Sonderberichterstatters

Versailles. 29. ALwi.

Der deutfche Eegenvorschlag ist gestern abend in
seiner gröberrn Hälfte überreicht worvrn. Dcr
Schlubteil wird heute übergeben, nachdein noch die
-aiize Nacht hindurch an der lehten Forinulierung
auch von Graf Broüdorff-Nanhau gearbeitet war-,
den ist. Die französischen Blätter bringen heute
morgen längere Auszüge; die zicmlich korrekten Aiu-
gaben stüheg sich auf einzclnc Stücke, die von rme-
rikanischen Presievertretcrn schon am 27. abends
nach Washington gegchen wurden. Der deutsche
Standvunkt i» der Emleitung dcs Gegciwor--
schlagcs, dah es stch nach den Bedingungcn dcs Waf-
fenstilistandes um einen Rechtsfriedcn handrln
müsie, ist ziemlich richtig wierErgegeben. Drr
Kommentare der Vlätter sind kurz. „Homme
Libre" koimnt zu dem mcrkwürdigen l-chluh, ein
imperialistisches Deutschland, das fich der AAslirse--
rung dcs Kaistrs widersehe und Glcichberechtigung
verlangc» könne nicht in die Eesellschaft der Natio-
nen aufgenommen wrrdcn. Wnrn Dentschland. wie
es scin Gegenvorschlag wolle, Herr aller seincr Mit-
t«l bliebe, ivürde es durch seinen Eintritt in den
Bölkerbund den ganzcn Vui.d in Fraae Stellen.
„Echo de Paris" zieht dcn Schluh. -on man nach
diesem Bovschlag nicht mehr annehmen könne, dah
Deutschland ohne militärische Drohung unterzeich-
neii werde. Man würde es aber in Deutschlamd
nur auf dre kriegrrische Geste der Alliierten an-
komrnen lasien und dann erklären, man wäre ge-
zwungen, zu zeichnen. Immerhin scheint diesc Be-
merkung ein Fortschritt zu der Einsicht. dah wir
den ursprünglichen Entwurf der Entente nicht un-
terschreiben können.

Die Meldung dcs „Newpork Herald". dah d'c Al--
lüerten oierznhn Tage zur Deantwortung der dcut-
schc„ Gegenvorschläse gebrauchen würden, wird
hicr, falls sich die'e Mcldung bestätigcn sollte, als
3 eichen angesehen, dab ein ernsthaftes Ein-
gehen auf die Vorschläge dcs Entwurfes beab -
sichtigt sei. Rols Brandt

Erleichterungen?

Drahtung unseres nach Versailles entsnndten!

Sonderberichterstatters

Bersailles. 29. Mai.

Die frianzössichcn ALendblätter büstätigen eino
Reche von Nachrichten, dic in Änderer Forin schon
oorher ausgetaucht sind. Es ist aber bezotchirend,
vah alle nsuen tatsächlichc-n Meldungon auf eng-
^ischs und llmsrikant>che Qucllc-ni zuvückschen. So
verzeichnet „L'Heure" Uie Mekdung des „NewyorÄ
Hsrald", datz die Erleichterung im Saar -
^ bkommen, wonach die Gruben uach 15 Iachrcn
"icht mit Eold gozahlt zu werbon Lrauchcn, eine
E-le'ichterung auf Kosten Frankreichs wäre. Na-ch
^er gleichsn Qusll: würde die deutsche Armee eino
8 röhexe Stärke als 100 000 Mann Sugebrl-
^st evhalten. was auch Fvan-kreich zwingcm
wüvde, soine Armee auf grohex Höhe zu halton.
Da es sich bci der ganzon Erhöhung nicht um grobe
Jahlen handoln soll, vielmehr nur um soviel, wie
^ötig ist, um die Mjöglichkoit, die knnere Ordnung
w Deiitschland aufvecht zu erbalten, nicht gans ab-
öuschue.den, ist dioser lehte Satz natüulich n i ch
E*ust zu nehmen, aber ex dst bozcichivend für
d.^sranzöstsche Auffassung.

v>>N! der frangösr/chen Pr-esie wird dev deutsche Ge-
sei'^ovschlag ganz :in E iste des blshecigon Vorgc.

der Alliierten — erst gleichsetlig nrit dev
Antwort der Miierton verösfentlicht werdcn. Man
also weitz'r vollcndete Tatsachen schaf-
^n und wte Lisher die Oeffentlichkeit von iedor
>twivkung an don Entscheidungen der Gehsim-
vivlomatie aussch"rden. Rolf Brandt

Die KriegsgefangenennoLe

/ Bc'-saillcs, 30. Mlai. Dis deutsche Fviodensdäls-
Satio.n hat an Clemenccau eine Note Mor dio
k isg s g e f a n g o nsn gerichtct. Die Note ent-
.n nimt mit Befrlodigung aus der Antmort der 'All-

Samstag, den 31. Mai 1919

61. Iahrgang

vie versailler Zriedeuskonserenz

Kommt es zu Verhandlungen?

Drahtung unseres nach Bersailles entsandten
Sonderberichterstatters

Versailles. 29. Asiast.

Die fransösisthe Prcsse h<rt jetzt wsniger Raum
für die Betrachtuir« dec Fr'veldensfriage. wotl dto
neuen Steuern von einer Milliarde 280 Mil-
lic-ncn. di-e der Finanzmintster Klotz in der Kam-
mer vorgeschlagen hat, den Platz stark in Anspruch
nehmen. Trotzdem sind einige Andeutungen üher
die Frage, ob es n-ach der Ueberre ichun« der deut-
schen Vorschläge zu Verhandlungen kommen
wird, auTschlustgebend, ahne sie iedoch endgültig -u
beantwmten. Jm „Homino Libre" wird, doch
wohl offiziös, ausgeführt, dah das Wesentlicho der
Bod'ingungew zwar unverständlich sei. datz es aber
möglich wäre, gewisse Einzelheiten un-d
gewisse Ausführungsformon absu-
ändern, bchonders Modifikationen voitzunshmen,
die den gute'n Willen der Ententc boweisen und
die, wenn man in di^sen Punktcn nicht nachräbe,
unnötig» Protöste der Deutschen rur Folge hätten.
Es set wahrscheinlich, datz die alliierteni Unterhänd-
lcr deriartige Modrnkntionen nicht zuriükweiseu
müvden. Die Betrachtung des „Honvms Libre"
schlietzt, datz man in Berlin auch von denr Simrd
punkt des Unannsbmbar zurückgekonrmen sei, und
wenn Schoid-mcvnn nicht zeichnen würde. so wüvde
man eben anderc Mitglieder in das Ka-
binett bineinnebmen.

Wie eine Antwort auf die'se Ansführungen dcs
„Homme Libre" ist der Leitartik-'l des .Aeuoro",
in dem gesagt w'rrd: Es handelt sich nicht darum,
datz der Friede aufgehalten wiÄ»; denn
wir sind sicher, datz dis Deutschen sväter oder früher
unterzeichnen werden, weil sie gezwuivgsn
sind zu u n t e r ze i ch n e n: doch was uns bsun-
vuhigt, tst das nicht Gleichgültige, ob wir diese
Zeichnung von einsm Scheidcnrann. oinem Brock-
dorff-Nantzau, oder von einein ob'kurcn UnaDhän-
gigen, unabhängig auch von iedex Posttion umd von
jcdem Skruvel, -erhalten werden. Gans beisomders
beunruhrgt uns äber der Awetfol an dem Mort
eincx Unterzeichnung. die durch Drohwmsen ervretzt
ist. Der Artikel des „Oeuvre" kommt dcmn zu giner
vernichtenden Verurteilung der Nnwendung vor:
Wilsons vierzehn Punkte,;. weil, wie im Elnselnen
davgelegt wird, keiner di ser Punkie Lsi dem Ver.
trag gebalten morden ist. Rolf Brandt

Weitere Pressestimmen

Dio Aivfnahme, die die doutschon EegenvorfchlÄge
bei der Paviscr Presse finden, istnichtsoschroff
und ablehivend, wie nran es nach den Presie-
äutzerungen der letztcn Woche hätte amrebmen kön->
nen. Sehr schavf äutzevt stch natürlich der Msatin,
der die Denkschrift a>ls einen Versuch DeuFschlanjvs
betrachtct, sowohl movalisch wie materiell don FoL-
gen dcs von chm gewollten Krieges zu entgehen.
Petit Journal eüblickt in den GegeiiVorlschlägen njUr

liierten vom 20. Mai, datz fiir die Bshandlung Äer
Kriegs- und ZivUsefangenen in der Zeit zwischon
der UnterzeiHimng des Fricdensvertrags umd rhver
He'imbeförderung deren Gefühlen und Büdüvfnisien
Rcchnung getragen werden solle, bedcruert äbcr
auss tiefste die Weigerung. durch die Aenderung
dor -cickchlägigen Bestimmungen das Los dgr Ge-
fangonen -u verlbesiern. Die Nvte svrrcht dann von
den unsäglichen Loiden und Mitzhandlungoni, dgnen
unjove Cefangcncn ausgesetzt sinL und bringt ein
Schreibön französischer Arbeiterinnen aus demDe-
partement Seine-Fnferieur sur Kennlnis. in dem
dieso als Frauen und Mütter eingosogener Fram-
zosen ihre Stimme gegon den Anlblick grausamer
Behaiidluna deutscher Gefangener erhebon.

Generalstreik in Mannheim

h. Mannheim, 31. Mai. Seit gestern abend
9 Uhr rjt Mannhejm ohne Gas und Elcktrizität, da

einen neuen Versuch, die Allirerton ru entsweien.
Das Jcmrnal meint, dah die deutschen Gegenvor-
schläge vor all«m bezweckten, Deutschland aus dem
Zusiand rnternationaler Unterlegenheit -u brin-
gen. in die es durch den Vertrasse-ntwurf durch die
Alliierten käme. Auf die Frage, ob die Alliiiorten
sich aus Berbandlungen einlasien merden und Mb-
ände-mngen vornehinen wollen, venneidet dle
Presio nach Möglichkeit einrugehen.

Englische Kritik

Der libsrale „Manchester Guardian" schreibt in
oinem „Ein sthlechter Friede" übevschriebenon Lort-
artikol: Die Vorschläge Rantzaus werden vevmur-
lick «ründlich untersucht. da die bisüor lbefolgte
Politik, monach dre Deutschen dre Frickdensbeding-
ungen in Bausch und Boaen anzunehmen öder ub
-ulohnen hättsns, glücklicherweise aufgegcben su seiii
scheint. Es hietze die Lage völlig Verkennen„ wenn
man Deutschland wie ein bankerottes Gut 'behan-
doln wollte, das umter der Au'fsicht der Gläubrger
liguidiovt werden soll. Wir haben diesen Krie
ausgMmpft. um den deutschen Mlitccrismus su
Vernichten. n>icht das deutsche Volk. Das Blati
kllrgt auch darüber, batz autzer dem -crmtlichen Au<
zug nichts iiber den FriedenSvsrtrag v<röffcntlicht
wuvde. das wäre ein uncntschuldbarer und arro-
ganter Bvschlutz, der der Zmt Mettcrnichs und d
Wiener Kongresies würdig wäre. Das Blatt
schliekt, das Gcmse s-ei ein trauriges Geschäft.

Die Meinung der Amerikaner

Vorsailles, 30. Mai. Die Ehtkago Tribune bs-
richtet: Die amerikanische Friedenskommisiion sei
der Anstcht, datz die deutschen Gogenvovschlägo
drei Grundfragen aufwerfen: 1. Die sofor-
tigs Zulassung Deutschlands -mn Dölkerbund,
2. Präsisierung der Le'istungen Deutschlands sür
d've Miedergutmachung. 3. Bolksabstimniung im
Osten. Dre ainerikanische Koinmisiion sei für die
Gewährung der beiden letzten Forderun-ssn,
dagogon glaube sie, datz Frankreich ke'incsfalls da-
rein willigen weido, datz Deutschland sofort Ailii-
gliod des Vöbkerbundes werde. England, Javan,
Jtalion und viele klei'ive Nationen. s-ogar Belgien
widersotzten sich dem sofortigen Eintritt Deutsch-
lands nicht. Tatsächlich glaubten gewisie alliiene
Natione-n, datz viel für eine sofortige Zu-
lasiung Deutschlands svreche. Die Dercini«ton>
Staatsn widersetzton sich den deutlchon Dochchlägen
betv. 'Fiiiwnzierung der Entschädiguna ^'^t. va D v
amerrkanischen Sachverständigen der Austcht ssion,
datz die von Deuischland vorg0schlags,ie Sumnie
das Höchstmatz desion ist, was Deutschlanld bezahlen
kann. . ^

Wenn nicht Versailles, dann BerUn!

London, 30. Mai. (Reuter.) Llovd Gearge
evklärte in einer in Annens gehaltönjeir Röde, die
Deutschon miützton den Friodensvortrag unterseich-
nen. wenir nicht tnl Der/ailles, dann in Berlin.
Wenn sich der Blererrat nach Berlin bogebe, müsis
«r redoch o i ne A r nre e hinter sich baben.

die Avbeiter des Gas- und Elektrizitätsrverrcs ive-
gen Lohnfragen in Stre k getreten sind. Auch die
Arbeiter des Masicrwerks schlosien stch dem Streik
an. Die Wasserzufuhr ist seit 9 Uhr vormittags
eingestellt. Die Stratzenbahn mutzte ihren Betrieb
einstellen, viele Geschäftc sind stillgelcgt. die Zoi-
tungen erscheinen nicht. Das Nationaltheater
muhte die gestrige Vorstellung im 2. Akt abbrcch iv.
Flugblattverbreiter fordern zum General-
streik mif. Das Flugblatt hat etwa folgenden
Znhalt:

Zur Aufklärung! Gezwung"n durch dic Verteue-
rung der Lebensmittcl und Vedarfsnrtikol, stellten
wir den zuständige» Stadtbehördcn clnie Forde-
rung in Form einor Teuerungszulage in
Höhe von 3 M. pro Tag. Alle Bemiihungen, zur
Einigung zu gelangen, wurden abgelchnt. Es 's
die Pfltcht der klassenbewnhten Bevölkerung, brn
gerechten Streik zu unterstützen.

Das Strcikkomltee

Von E. tho Rahde-Heidelberg

Die deutschen Friedensunterhändler haben es
für richtig gefunden, der Entente Gegenvor-
schläge zu unterbreiten, die rveithin Be -
fremden erregt haben. Gehen ste doch hin-
sichtlich unserer Wehr zu Wasier und zu Lande
über die Forderungen unserer Eegner und hin-
sichtlich des Angebots von 100 Milliarden
Eoldmark über die Wilsonschen Punkte, die nur
Wiedergutmachung privater Angriffsschäden
vorsahen, weit hinaus. Von derselben
Schwächlichkeit war die deutsche Note
über die Schuldfrage erfüllt. Nicht daß
wir, aller äußeren Machtmittel durch die un-
selige Revolution beraubt, noch mit Kürassier-
stiefeln auftreten könnten, aber wir sollten,
vom Todesurteil bedroht, doch mannhafte
Worte der Verteidigung finden, und nicht zur
Selbstbefleckung unserer innersten Werte, zu
nutzlosem Winseln uns erniedrigen, das uns
doch nicht hilft.

Wenn wir noch eine moralische Waffe hät-
ten, so war das die Eeschlossenheit der ganzen
Nation dem Haßdokument von Versailles ge«
genüber, der eiserne Entschluß zum Nein,
komme, was da wolle; denn dies Nein hätte
die zusamengewürfelte Schar unserer Feinde
vor eine Belastungsprobe gestellt, deren -Dauer
und deren Ausgang mindestens ungewiß ge-
wesen wäre. Und hätte auch unser Volk Mo-
nate bitterster Not vor sich gehabt: es hätte sie
überstehen können und müssen, weil hinter die-
ser trüben Zeit der Hoffnungsstern einer besse-
ren Zukunft schimmerte, der so erloschen ist.
Der Funke der nationalen Begeisterung an je-
nem 12. Mai in der Aula der Berliner Univer-
sität ist bald verglommen; er hat kekne heilige
Flamme entzündet, sondern sich als kümmer-
liches Strohfeuer erwiesen.

Warum? Weil in den von der zu erwar-
tenden Besetzung bedrohten Landesteilen eine
feige Angst oor dem kommenden Ungemach
hochstieg und der egoistische Notschrei nur zu
leicht in Berlin Gehör fand, weil die in der
unabhängigen Sozialdemokratie zusammenge-
schlossenen Elemente abseits von der überwie-
genden Volksmehrheit standen und — aus
durchsichtigen Eründen — die Friedensunter-
zeichnung verlangten, um ihrem Phantom der
Weltrevolution nachjagen zu können. Hätten
wir nur einen ganzen Mann an der
Spitze der Regierung, er hätte sicher die not-
wendige Einheitsfront zusammengeschweißt
und sich solchen Einflüsterungen hart ver«
schlossen. Aber das ist unser Kummer und Un-
glllck, daß die Stellung zum Friedensdik-
t a t von Versailles eine Frage der inne-
ren Politik geworden ist. Scheidemann,
den Kundige schon längst den Schaukel-Philipp
benamsen, kann das Schielen nach der Gasici
auch in dieser höchsten vaterländischen Not
nicht unterlassen, fürchtet er doch ebenso wis
die Mehrheit seines Kabinetts, daß ihm dis
Wählermasien entschwinden und er eines Ta«
ges von rohen Fäusten aus seinem Amtsselle?
geworfen wird. Es trifft sich gerade recht gut.
daß jetzt im Ledebour-Prozeß wieder
nachgewiesen wird, wie er, der damaligs
Staatssekretär, mit Ebert schon am 4. Novem«
ber 1918 den Unabhängigen die Hand zu dem
Vunde gereicht hat, der den Umsturz des 9. Noq
vember und damit das Eeschick des Deutschen
Reiches besiegelte. Daß ein solcher Mann nicht
Träger einer allgemeinen nationalen Ent>
schlossenheit sein kann, liegt auf der Hand;
ebenso wie sich die überwiegendee Volksmehr-
heit von ihm versehen muß, zu Eunsten einer
verbündeten Sozialistenherrschaft eines Tagea,
an die Wand gedrückt zu werden.

Jn den deutschen Eegenvorschlägen werden.
trotz aller Wilson-Enttäuschungen, wieder die
abgetrtebenen Pferde des Pazlfismus und der
Völkerbundes getummelt und damit unse?



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