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Heidelberger Zeitung (61) — 1919 (Januar bis Juni)

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Nr. 77 - 100 (1. April 1919 - 30. April 1919)
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Aezugs- mrd Anzeigenpreik. Dle .Heidelberaer geitung" kostet be', jeder Postanstalt
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liastet 8ü Pfg.i inr ReitlameteU die viergespalteu« Petitzei!« l^O, niit Platrvorschrlft l.4U M.
Bei Wiederholungen Nachlast nach Tarif. Trfüllimgaort ist Heidelbcrg. Einjelverliauf 10 Pfg.

Postscheckkoiilo Karlsruhe Nr. bll17. ^rnsprecher-. Nedaktivn 182. Eef6)aft,stelle 82

(Unabhättgige Tageszeiümg)

Verkündiguttgsblalt für Nordbadett und die angrenzenden Teile von Bayern» Hesssn und Würtlemberg.

Heidelberger Zeilnng erscheint an jedem Wocheniag mitla^» >2 Uhr. Nmtliches AerMuds.
gungsblatt. Gratiübeilageu sind dir Heidelbergcr Familienblätker, aicherdcm am'licher Wcchnuugs-
anreiger. Die Hetdelberger geitung staun durch alle Postanstallen, durch di« Agentiirrn auf dem
Lande, die Trügerinnen und bei der Vkschaftbstklle selbst - -Hauplstrabe 28 — monalllch uiid
vierieljährlich beslellt iverde».

Hauptschrifileiler: Kurt Fischer i» Heidelberg.

Bruch ». Berlag: Thcodor Bcrlleilbusch, Hcidelbergrr Verlagsaustaltu. Druckerci, Heidelberg.

Nr. 84

Mittwoch» den 9. April 1919

61. Iahrgang

Die politische Lage in Baden

Ji» einsm bemeukeilswerteil Artvkel ws'isst Vie
NMsruher Zettung darauf liin, Äcvtz init etnoin
Wetterlunsichgrorfe« dcr spartakustischen. auf Errich--
tung der NätSherrlschaft abzieleirven Beweguna gu
rechilen fft. Die badische Negierung, heis;i
es in dem Airttkel. tst von dem, was wtr »u erwar-
ten haben, aut unterrtchtet and steht dcn
lomiirendsn Ereisnissen mit Ruhe und Umisicht. mtt
Festrgesit und Zuversicht entgsgen. Dte
uötigen Borberei tun gen sinjd getrosfen.
Sollte» was wtr e'mstweilen uoch nicht ann'ehmen
wollen, von svartaklstischer Scüto Eewalt angow-n-
det wechen, sg wird ihr mit Gsuralt Leigogiret
weriden. - > > > : !s ! ! -!

Leddler rnuk m-an in verschichenen Kreffen uufferer
Bevölkeruns die Wa.hrnehmimg machen, das; ste vvn
dee Gefährlichkeit Les Rätesystems stN'
keinsbestimmte Vorstellung macht. Und
doch mütztcn neue Umwälzungen in unsswm Reg^o-
rrmgssystem die schliinmsten Folgen haven. Jn dto-
sem Augenbltck hättcn wir näinlich, daß nrühte sich
oigentlich jcd-rmann sagen, von Ler Entente
gar ntchts mehr zu erwarten. was unsere
Lol'öWmtttcttage vcrbessern könnte. Uns-eve Bori-
räts sind aliifge-braucht. Die Lübensmittcillieserun-
geir -der Entente sind sür uns eine unbedingte Not-
rvendtÄkett. Wir msrden ste aiber nur echalten,
wenn Ruhe und Ordnung im Lande hervscht.

Mir slauden. datz ein gewaltsainer, terror'dsti-
schen Ziolen vi-enendor Unlsturrversuch ke'm-s Auv-
sicht auf Erfalg haben würde. Zu den Männern
der Regierung dürsen wl r das Vertvauen ha-
sten, daß sie thce ganze Totkrast einsetzen werden,
um die Möglichksit eincr Räteherrsihaft von vorn-
hevein su veeeiteln. Die badische Reglerun.g ist siö-
desfsn bewutzt, datz es sich bei allen diossn Uinsiurs-
versucheir um Akti-on-n handelt, die mit den Jdsalen
der Dsnrcckratie und dss Sorialismus nichts zu ruu
haben, sondsrn umrein volitischs Manö-
v e r„ durch dle e'me verschwindenld klsine Minder-
heit in den Besttz und damit in den Gsnutz der
iAtacht versetzt werden soll.

Keine Anerkennung der
Räierspublik durch die süddeutschen
Staaten

Stutt 8 art, 8. April. (WTB.) Die sregkerun.
gen von MUrLtemberg, Baden und Hessen
sehc« das Ministerium Hoffmann nach wie vor
als die allein rechtmätzigs Regierung tzes
Volksstaates Bayer,, «n.

Stuttgart, 8. A-pril 1919.

Blos, kvürttembergischer Staalsprästdentc

Geitz. badischex Ministcrpräsident.

Ullrich» hessifcher Ministerpräsident.

Deutschland vor der Aungersnot

Von zuständtser Seite wird uns mitgstetlt:

Die uns zum AnkaufvonLebensmittern
rur Bcrfiieung stehcnden Zahlungsmittel haben zu-
nächst ausgereicht, um die von den Alliierten
garantierten Mengcn zu kaufcn. Das erste von
Drutschland freihändig anzukLnfe,lde monat-
iliche Kontingellt konnte aber nur zum Tejl ge-
Eauft wsrden, weil die Zahlungsmittel fehlten. Die
«reitere Versorgung Deutschlands hängt von der Be-
fchassung weiterer Zahlungsmittel ab. Wenn die
Kohlenförderung weiterhin versngt, mutz
Deutschlands Ernährung z u s a m m e n V r e ch e n,
hevor die eigene Ernte zur BcrfUsung steht.

Die ersten in Deutschland eingerroffensn Le-
bensmtttelschiffe der Eiltente haben m-t
Ballast wieder ausfahrei- nrüssen. wssl in
Dsutschland nicht ei'imas s o vicl Ware gur
M-usfuhr zusammenzubringen war. datz die
Lcibensmittelschfffe damit hätten be-fr.ichtet wer-
den konnen. Wtr konnten für die Lvbensmittel-
fchiffe dex Entente nicht eii'.»'al gcnug Koblcn
zu.ni Wuedermlffütten der Bunker .rur Steüc .chaf-
sen. Wie lange unter einer solchcn Wirtschaft die
Entente Lebensinittel zu liefcrn beroit sein wird.
mutz n at-ü rl tch üa n z d a h i n gestc ll-t fe in
hleiben.

UnÄ angesichts dieser Lagc ftrciken iw.mcic mcbr
Bsvgapbeiter!

Die bayrischen wirren

Lebensmittelsperre über Augsburg
und München

Niirnberg, 2. April. Die Bauernschrfft des
Rieses crlätzt einen A ufru f, in de,n es heitzt: Die
Bauern Frankens, der Oberpfalr und drs
Nieses haben sich zu gemeinsamein Vorgehen zu-
sammengeschlossen. Die Bauernschaft Ober-
bayer „ s, SchwaSens und bcs Allg 8 us
schlichcn sich an. Die gesamte Bauernschaft der ge-
nannten Kreise steht hinter dem Ministermm Hoff-
maim und erklärt dieses Ministerinm und den bay-
rischen Lanvtag als gesetzliche und Volksregierung
und tut alles zu deren Untcrstützung. Sie steht zu-
sammen mit den Vürgern und Arbeltern. die auf
dcm Biffien dex ersten Revolutio» und des Staats-
grundgesehes ftehen. Am 8. April nachmittaso 8
Mr wird die Lebensmittelsperre über Augsburg
und M ünchen verhängt, bis die Räteregierung in
München zurückgezogen wird.

Ein Aufruf der Negierung Hoffmgfm

Die Regierung des FreistLat-es Bayern wsn-
del sich in cinem Ausruf an Äas LaverWs Volk,
in denr zuniächst der Leiden und EiMehrunsM wäh--
rend,dss Krreges gedacht wird. Das Prognvmm der
durch die bayerffche Bolksvertcetlmg gowäHltön R-r-
gieoimg Hoffmann sei Arbeit unld Brot.

Jn dem Ausmso wird sodailn das Volk vor dem
Treiben unvevantwortlicher sreinder Elements' ge-
warnt, die narh rusiffchem Beisviel eine Rätevspu»
blik im bayerffchen Latzde einsühren wolltsn, welchc
in Rutzland nur Elend und llamenlos -es 11 n«
glück für die Arbeiterklasie heralffbeschlvoren hoibe.
Der Mlttaeismus von gestern soll dmch den Milff
tarisinus der Sioten Garde ersctzt werdcn. Um dt-e
wahnwttzigen Jdeen einer Minderheit durchrusetzew,
scheue man n-icht vor neuem Blutvergvetzen, vor
nouen Krtesen zurAck. Das Ende dcr Rätere-
publik werde der We g de r Reakt to n s ei n.
Durch Äie Eiifführung einer RäteoowubliL würdv
das lbaiirffcho Voll gcgen das Reich und die übrige
Wslt a-bgeschlosien zu eincr Zeit, wo dsr Friede nrit
der Entcnte vor der Tür stehe uird d'ie Vertcilung
der Lobensmtttel in den nächsten Wochen begimwn
könnte. Dre Vauernschast weöde den Vcffch -
wismus nicht m i t in a ch e n und die BsvMkerung
der Städte mützte verhungern. wewn sie sich zu Vcr-
suchen initzbrauchen lietze, die den Unt-smang
Bayerns bedcuteten. Schlictzlich sordert der Airfrus
di-c Volksgenosien und Atbeiter auf, htnter ibre
selbstaewählte Negierung zu tveten, um tm Gerste
dcs Sosi,alismus un>d der Demokratte an dsm A^e-
derarffbau dcr Avbcff gegen Derror und Dlltatur
sllr die Befreiung des Layerisch.'n Volkes und nir
dte sorialistische Volksregierung zu wirken.

Gegeit die Näteeepublik

Jn der am-Moirtag abgehalt-Mn Sitzmpg dcs
Vollzugsausfchusics der Va ue r n rä t e M t tte l-
slankens wurde selg-'nde Entschlietzuiw anse-
110'nmen-. Die Bauernräte Mtttelfrankens nnter-
stützcn das Mimsterium Hosfmann mit allcn zu Ge-
bote stehenden Mtteln uird lehnen die Näterepublll
nach wie vor -entschtcden ab.

Jn WIürzburg ist der Anschlutz wÄerrlffen
worden. Nachdem ain Montag abend eiue Voli -
versammlung des Arbeitev- und Sol-
datenrates sich für das Ministerium
und gegen d!ie Näterevttblik erklärt hat, wurde noch
am Mjontaa svät äbends die Besttzung dex ,Murv-
burger Zeitung" von dc», kommunisttHchen, Teil des
Ailbeit-errates aufgegehen. Die Zeitunge« er-
schcinen luute, Dienstag. wiedao w':e imnwr ohne
Zciffur. Auch von den Bankeit ^nd Staaksgebäu-
dcn siird die l o m m u n i st ts ch e n Ma ch e n en r-
f e r n t. DosMilitär ft ht sum grobcn Tctl hin-
tcr der Negicrung dsr Mehrhc^tchaffalfftem Ge-
steru lvurde dcc Bela geru „ « vzu stand üb 'r
Willsburg ocrbäirgt. E nc vom Bürgermeffter i»l
Magfft'at abgegebenc schaffc Erölärung gegei, das
Vo.gbcn des rcoolutionnrcn Komitees stcllt skh
nicksichtslos auf den V -d n der Demokrati- und der
R gierung Hoffmaim.

Zn Ingol st a d t sand eine Veffaurnvlung dllc
Adohrhoitssozialist-en statt, in der e'm-e Enffchlietzung
gesatzt wurde. in der das Büvgertum und dte Mehr-
heitssozialisten schavs gegen dieRät-erepu-
bltk protcstieren und datz dev Bürgerstreik
unvermeidlich sei, wenn in Jngolstadt die
Nätevovublik proklamiert werden sollte. -Bayerffche
Vol-kspartei und Deuffche demctkratffche Partei ha-
ben bsschlosscn, in d'cesem Pu-Me mtt dec Meyr-
heitssvzdMi-emokrati-e zusammensugehcn.

Beginn des BUrgerstreiks in Miinchen

Aküllchen, 8. ^lpril. Heute vormitt-ag Hat in ein-
zelnen Teilen der Stadt der Vürgerstreik ein'-
gchetzt. Jm Sladtinnern haben die meisten Lebens-
mittel-geschäfte u-nd sonistigcn Geschäfto geschlosien.
Die äußeven Stadtteile dürsten sich diesem Vorge-
hen rasih anschliehem Die Aerzte sind hisher
donr Mivgerstredk nicht beigetreten und wollen dies
nur dür den Fall tun. wenn sie dirrch Ein-stelluns
der Gas-, Glektrisitäts- u-nd Wasievversorsung dazu
glvivungen würden. Der Bürgerstreik richtet sich
nicht g-egcu die Räterepublik, sondern -gegenden
Terror der Kom m u n i st e n, die sämtUchs
BankLir geifchlossen haben und nichts auszahlen
lasfcm. Me Geldssndungen und Zaihlung-n
im Betrage oon mehr als 5000 M.. die nach
autzerbayerischen Stellen -bewirEt werden,
sind der Kontrollstelle des Zentral-wiri-
schaffsamts zu inelden. Alle Gekdabhcbungrn und
ll-eborweffungeil im Eiroverkohr und das Ausstellen
von Wcchseln bcdürsen dex Gege n z e i ch u ung
dex Angest-elltenLUSschüsse der Betvicbsräte.

Belageruttgszustand in NUrnberg

Nürnberg, 8. Apris. Durch Plakatanschla«
wurde heute früh die Verhänguny des Belagerungs-
zuftarrdes bekannt gegeben. Umzüge und Kundge»
bungicn sind verbsten. Zwischen 11 und S Uhr
nachts ist das Vctrcten der Stratze nntersagt.

Diese Matzuabmo war insolge dcr -unglllärten
Lage notmendig gowordon. Zwar wiude von drn
Nürilberaer Ka s e r n c n r ü t e n die Nätovepublik
mit 150 gva-en 70 Stiimnen abgelehnt. ckber- da -aus
die Nürnberger Garnffon ks'm Verlatz ist, wluben
schon soit Wochsn regicrungstroue Truppcn aus
W ü rzLu r g, Evlange n und Bayreutü in
Nürnjberg oi^uartiert. Die belogten SchuMlffcr
und Kasernen sind mit Stahlbloniden verbar cll:.
ddert. Alis d.-r Vurg und aus oerschi-odenen Kirch-
lürndn,. stohen Gffchütze. Der Vahichof ist militü-
risch gchperrt. Die Schutzinannschast träat Gvwr.bre.
Die Unabbängige n und K o m ,nuni st e n
beimdon stch m Niirnberg in evhLblicher M i nd e v
sahl, sie rechnen ab< r im 'F-alle -e'mes Unffchwunges
mit dem Ucbertritt der Garnffon, vor allmr der
Matvcffen, dio in 'dc-r benachbarten Stadt Fürt h
ein umsangreiches Munitionsdepot in Händen ha-
ben. Der A.- uud S.-Nat lehnte attcrdings nach
mehvMndiger U-ratuna mit 138 gcgcn 5 Stimmen
die Rüterepublrk ab.

dcr Truppen 'l i ch t z u v e r l ä s s i g und die
ttmg der Arbeitcr n i ch t ganz durchsicht
«ie warten offenbar ab. was der Berlin
Ratekoilgres; beschltetzen wird. Der
gcjicrn morgen bcubsichtigte G e n e r a l st r e i k
nicht recht gelungen. Nur in emi-
Fabrlleu legtcn die Arbciter die Arbeit nie
und begaben sich zn dcr auf halb 10 Uhr vor
tags nach der Fiisel Scbütt einbcrufene» B
iammlung uiiter freiem Himmel Die Nednel
ben cinen kurzen Ueberblick über die Entstehl
der Räterepublik und forderten mit Nachdruck i
Proletariat auf. auch in Nürnberg dem Ged
kcn der Rälcrepublik zum Siege zu verhcli
Sollte dcr sür hcute angesetzte Gem."'alstreir „
die gemünschte Wirlung erzielen. so ware dcr '
neralstreik auch noch aus den morgigen Tng a
zudchiien. Liner der Nedner machte davon N
toiluug das, dre Fürther Garnison auf l
Voden der Raterepublik stände und bereit sei
das 3. Armeekorps mrt Wafsengcwalt gcgen' j
Proletariat vorgehen sollte. sich bewasfn
hrnter dav Proletariat zu stellen
etnem geschlofsenen Demünstrattonszug verlics
dte versammelten Teilnehmer den Platz

Mlson rvill heimfahren

Newyork, 9. Apr'(. (Reuter.) Die Abfahrt
des Dampfers d?s Prästdenten Wilson, „George
Waihington" nach Brest. die am 11. April erfolge«
sollte, ist numnehr bcreits auf 11. April festgesetzt.

Amsterdam, 9. Apri!. Nieuwe van de» Dag
mcldrt aus Paris: Die amer-ikanrschen Friede-nsde-
legierten haben erklärt, datz Präsident ÄZilson durch
seine beschleunigteAbreise die Frie»
denskonferenz zwingen wolle, entweder
sofort unter den bereits akzeptierten Brdlngungr«
Frieden ru fchlietzen, oder zu erleben, datz Amerika
sich auf seine eigene Politik zuriickziehe^
Die anlerikanischen Delegierten erklärte« bestimmt,
datz Ler Präsident nicht länger die bis jetzt befolgt«
Arbeitsnrethode miturache.

Ein freies Wort über die
österreichische Frage

Herr Finanzminister Becker hat in seiner
Freitagversammlung die Nachricht gebracht,
daß die Oesterretcher aller Eesellschaftsklasien
sich sast überall für den Anschlutz an uns über»
aus warm ausgesprochen haben und datz die
wenigen praktischen Gegengründe relativ leichi
zu überwinden wären. Wir Deutsche erwidern
nuu gewitz die herzlichen Lrüderlichen Gefühl»
Derer im neuen „infelir Ai'stria", die unrei
unmenschlichen täglichen Leiden mit Starkmui
ihr Deutschtum hochhalten, aus vollstem Herze«
und eine Aufforderung zum lauren Bekenntnie
unserer Sympathie und Hilfsbereitschaft hätts
in der Versammlung frenetischen Bcifall ge^
funden. Die Schwerblütigkeit des Zuhörer-
publtkums ist leider auch in Musensitzen (ohnt
Alkohol?) zu spontanen ausdrucksvollen Her-
zensstürmen selbst in republikanischer Frei.
heitsluft anscheinend noch zu grotz. Die Oestev
reicher dürfen aber trotzdem fest überzeugt setn
datz sie in unserem gemeinsamen deutschen Mut
terland zu jeder Zeit. heute wie fpater, herzltch
willkommen sind.

Eine anöere Frage ist aber dle, ob dieses
Zusammengehen, so viel man auch in Selbstve-
stimmungssang der Nationen nach der Melodi»
von Wilson macht, auch das Richtigste, Klügstr
für die Oesterrercher wie für uns ist. Jst er
nicht auch manchntal gut, wenn man elnen ein-
fsutzreichen Vetter oder Verbindungsbruder
auch in der Ferne hat? Müssen wir denn da;
Wilsonsche Patentprinzip für Ententegegnei
gleich wieder mit deutschem Schematismus au'
alle Verhältnisse anderer Ordnung anwenden"
Es gibt doch auch heute noch Opportunitäts-
gründe, und es ist doch wohl nrcht ausgeschlos
sen, datz auch Oesterreich als Nationalitätenri,
publik wieder ein gutes Aussehen bekommer
kann und der Nationaldeutsche unter ihnen
wenn er seine Aufgabe ernsier und als Einzel
nation erfatzt und seine Kräfte ntcht wieder il
Parteiung zersplittert, ein gutes Jnstrumen
in dem neuen bunten Orchester spielen unk
durch seine geistige Bedeutung auch dem grotzer
deutschen Unglücksbruder vielleicht mehr nützer
kann wie auch sich selbst, als wenn er mit ihn
an dem schlecht geheizten Heimatofen sitzt un)
mit ihm trauert und darbt. Es muh in Zu
kunft mehr überlegt werden: mit Hurra wer
den wir den unbekannten Faktoren der wirt
schaftltch-politischen Zukunftsgleichung an
schlcchtesten bcgegnen. In allem in Zukuuf
erst richtige össentltche Aussprache nach aller
Seiten, wenigstens, so lange politische Eenie
sterne am deutschen Himmel noch nicht wiede^
sichtbar ftnd. Eine nicht zu einseitige entgegen
kommende Tagespresie ist, namentlich so lan. i
der Durchschnittsdeutsche in Versammlungcr
so ungern herausrückt, dazu einstweilen dvin
gend nötig: die redaktionette Veratttworklich
keit müßte unbedingt im

Alifkläruiig gcsetzlich und parleillch lnra ge
mindert werden. Sonst 'st rmd llmlt de
deutsche Michel auch im Freistaat das Opse
sciner aufdringlickisten. lautesten Tagespoli
tiker. EinDeutscher.
 
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