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Heidelberger Zeitung (61) — 1919 (Januar bis Juni)

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Nr. 101 - 125 (2. Mai 1919 - 31. Mai 1919)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3202#0623

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di« Trägenniicn^f^ Hau^ monatlich 1^.15 «^^ ^>«^se^,«ipattcnr ^«tllzeUe odrr d-rcn Naum

- (Unabhängige Tageszeiümg)

^ Verkündigungsblalt für Nordbaden un- die angrenzenden Teile von Bayern, Hesfen und Württemberg.

Nr. 105 Mittwoch, den 7. Mai 1919 61. Iahrgang

Diens^österd^j, ^sk' !

Die Lage in München

ist unveeändert. Die Schulen haben wieder
begonnen, die Straßenbahnen beginnen zu
fahren, die Theater zu spielen. Allmählich
lommt wieder alles ins alte Eleis. An die
Schreckenstage erinnern nur noch die Toten
und die Verwundeten, sowie die Beschädigun-
gen an den Gebäuden. Ueber die Eesamt -
zahlderOpfer ist noch keine genaue Fest-
stellung vorhanden. Verletzt wurden etwa 900
Soldaten und Zivilpersonen. An Toten
wurden bis Montag rund 240 in den Fried-
höfen eingeliefert. Unter den Eefallenen be-
stndet sich auch Eeneral v. Nagel und der
Oberleutnant Goßmann. Als neuer
'Stadtkommandant von München wurde
Oberstleutn. Herrgott, Kommandeur vom
1 barischen Schützenregiment, aufgestellt, der
sich während des Krieges in der Bukowina als
ein umsichtiger Führer erwiesen hat. Zum
Kolizeiprästdenten wurde der Direktor des Ge-
fängniffes Stadelheim, Pöhner, ernannt.

Eine ziffernmäßige Feststellung der Ge-
(samtschäden an Eebäuden, Werten und
ßinrichtungen ist natllrlich erst möglich, wenn
die, wohl meist versicherten Eigentümer ihre
Ansprüche angemeldet haben. Leider wurden
da und dort auch viele ärmere Leute um Hab
und Gut geschädigt. Jedenfatts gehen die Ma-
^erialschäden in viele Millionen. Die Schätz-
ung aller Wertminderungen dürfte mindestens
einen Eesamtschaden von etwa einer Viertel-
stnilltarde ergeben.

Die vom Revolutionstribunal
Uusgesprochenen Urteile wurden vom baye-
züschen Justizministerium sämtlich für ungül-
it i g erklärt. Fälle, die tatsächlich einer Ve-
strafung zugeführt werden müffen,»werden den
ordentlichen Eerichten überwiesen.

To groß die Freude über das Eintreffen der
Truppen auch ist, so darf man doch auch nicht
verkennen, daß dieStimmunggegendte
Nreußenim Steigen begriffen ift. Der alte
^ayrische Partikularismus feiert trotz Welt-
verbrüderung und Internationale wieder Tri-
'UMpfe. Um ihn zu beruhigen, wird amtlich
darauf hingewiesen, daß es sich bei den in Mün-
chen zu Hilfe gekommenen außerbayerischen
Truppen um keine preußischen Truppen han-
delt, sondern um N e i ch s t r u p p e n. Es sind
4eme Weißen Garden, sondern sie stehen hinter
^>er Reichsregierung und erfüllen ihre Miffion
im Auftrage der Regierung Hoffmann. Die
Truppen bleiben solange in München, als es
ihre Aufgabe erheischt. Um den Schutz in Mün-
chea zu gewährleisten, wird innerhalb der
chayerischen Reichswehr eine Münchener
'Brigade gebildet, um die norddeutschen
Truppen möglichst bald ablösen zu können., Die
Mhrung der Brigade erhält voraussichtlich d: r
^berst Mieg, der im Kriege die 10 bayerische
Infanterie-Division führte. Zur Münchener
Vrigade tritt auch das bayerische Schützenkorps
^nter dem Oberst Epp. Die Bildung von 3
schwachen Vrigaden ist tn Nordbayern vorge-
iehen. Jn einem Aufruf an das bayerische
Bolk wird für die bayerische Neichs -
w eh r geworben.

Levien verhaftet?

Dr. Levien versuchte, sich in einem Flug-
-eug zuretten, indem er einen Flieger
^urch Lebensbedrohung zum Aufsteigen zwang.
Der Flieger machte dann aber bei Landsberg
eine Notlandung, wobei Levien in Eefan-
yenschaft geraten sei. Die Nuffen Levine
und Axelrod halten sich, wie mit Sicherheit
vermutet wird. noch in München verborgen.
iEine Möglichkeit zur Flucht wird sich ihnen je-
-choch kaum bieten. Die Witwe des Minister-
prcffidenten Eisner war verhaftet, ist aber wie-
4der entlassen worden. Unter den Personen, an
^enen das Urteil des Standgerichts sofort voll-
-ogen wurde, befindet sich auch der Sporta
EtÜenfUhrer Seidl, der das Kommando bci

Vie versailler Zrie-enskonserenz

Der heutige Tag ist der SchicksaIstag
Deutschlands! Heute nachmittag werden
unseren Delegierten die Friedensbedingungen
der Entente llberreicht werden. Bon dem
Augenblick an wird sich die Reihe aller der Er-
eignisse abspielen, deren letztes die Entschei-
dung darüber, ob wir annehmen oder ableh-
neN, ist. Unmöglich, heute schon sagen zu kön-
nen, was geschehen wird. Wenn je. so kann
auf die erste Entscheidung der deutschen Delega-
tion nach Empfang der Friedensbedingungen
das Faustwort angewandt werden: „Das
Erste steht uns frei, beim zweiten sind wtr
Knechte."

In Deutschland wird ein Auszug aus dem
morgen zu überreichenden Vertrag wohl nicht
vor Donnerstag früh zu erwarten sein.
Das Friedensdokument ist in französischer und
englischer Sprache angsfertigt. Die franzö-
sische und englische Preffe wird es also leichter
haben, ihren Lesern mit einem Auszug aufzu-
warten, während von unserer Versailler Dele-
gation zunächst eine sorgfältige Uebersetzung
angefertigt werden muß Iminerhin werden
wohl im Laufe des morgigen Abends von Ha-
va); verbreitete Auszüge hier vorlregen. Abcr
man wird gut tun, ehe man endgültig urteilt
und aburteilt, unsere amtltche Faffung abzu-
warten.

Die deutsche Delegation tappt noch vollkoin-
men darüber im Dunkcl n, in welcher Weise
nach Verkündigung des Vorfriedensvertrags-
Entwurfes die V e r h a n d l u n g e n weiter-
gesührt werden. Die verschiedenen Meldungen
der Ententepreffe, die bald von dem einen, bald
von dem andern Modus Mitteilung zu machen
wissen, können keineswegs als zuverlässig be-
wertet werden. Dagegen hat die deutsche
Friedensdelegation ihrerseits bereirs
feste Entschlüsse gefaßt, wie sie sich nach Ueber-
reichung des Vertrages zu verhalten gedenkr.

Paris, 7. Mai. Der Text dcs Präli -
minarfriedens mit Deuischland, dcr 100
Artikel zälrlt, wurde in einer geheimen Sitzung
gestern nachmittag 2 Uhr den Delegierten der
mit Deutschland im Kriege befindlichen Mächte
mitgeteilt.

Die Hauptpunkte des Vertragsent-
wurfs sind den Deutschen, wenn aM) nicht of-
fiziell, bereits bekannt. Man hat zu ihnen
auch schon Stellung genommen. Zu einer Neihe
von Punkten sind von deutscher Seite detail-
lierte Eegenvorschläge ausgearbeitet worden.
Diese Arbeit wurde in engem Verein mit den
Sachverständigenkommiffionen durchgeführt u.
sie zielt dabin, tatsächlich den Frieden zu errei-
chen und jede Verschleppung zu vermeiden. Es
isr deshalb die Methode verfolgt worden, die
Wunsche der Entente in weitestgehender Weise
zu berücksichtigen, aber natürlich stets nur so-
weit, als es mit den deutschen Lebensintereffen
sich vertrügt.

Zuqeständniffe.an Belgien

Dem „Telegraf" zufolüe verstchert der Sonder-
korrespondent der „Times" in Brtissel. datz Belgien
folgende Zugeständnisse geinacht worden sind: 1.
2'^ Milliarden Franken in Eold. zahlbar inner-

halb 2 Jahren. 2.. Annullierunq der
Kriegsschuld Belgiens an England,
Frankreich und Amerika. 3. Lieferung von 3 Mtll.
Tonnen Steinkohlen pro Jahr bis zu einem
Gesamtwerte von 20 Millionen Pfund Sterling
durch Deutschland an Velgien für den Zeitraum
von 10 Jahren. 4. Sofortige Rückgabe des von
Deullchland weggenommenen Jndustriematerials
und Biehes sowie der weggenommenen Pferde '">d
der sonsttgen Zugtiere. 5. Vertretung im obersten
Wirtschaftsrat. 6. Unterstützung der belgischen An-
sprllche auf Revision des Vertrages von 1839 durch
die Alliterten. 7-. Erlaubnis, mit Luxemburg
eme Zollunion zu schrietzen. 8. Ausschreibung
einer binnen 6 Monaten abzuhaltenden Volks-
abstimmung über die E i n v e r le tb u n g
der Kretse Malmedy u. Eupen mit Morennet
u. Herzogenwald. 9. Zugeständnts 1 Stimme bei dcr
Verfassung über die Mandate für die Verwaltung
der deutschen Kolonien in Afrika. — Nach dem
Pariser Korrespondent des „Telegraaf" wurde Bel-
gien tn stnanzteller Beziehung dgs Prioritätsrecht
auf eine Summe von 2^ Milliarden von der
deutschen Schadenvergütung und die Uebernahme
der ganzen belgischen Kriegs)chuld bis zu einem
Gesamtbetrag von 5 Milliarden zugestanden.

Die Ruckkehr der Jtaliener
Versailles, 7. Mai. Die bevorstehende R ück-
kehr der italienischen Delegation wird
von der Presse mit lebhafter Befriedi-
gung zur Kenntnis genommen. Die Preffe
stellr jedoch ausdrücklich fest, daß die Frage
on Fiume nicht geregelt sei.

Paris, 6. Mai. Das Beglaubigungs-
schreiben der italienischen Delegierten ist
beute morgen der deutschen Delegation über-
reicht worden.

Ztalienische Kunstraubpläne

Wie aus Lugauo gemeldet wird. veröffeutlicht
die Untersuchungskommissioii über die Völker-
rechtsverletzungen drei Berichte, von denen angeb-
lich der dritte interessant ist, der die von Dentsch-
land auszuliefernden Kunstwerke be-
zeichnet. Den kunstlerischen Schaden, den Jtalien
durch die Vernichtung oder die Beschädigung von
Werten, wie Tiepolo, Veronese, Tizian usw. erlitt.
drückt der Vericht nicht in Ziffern nus, da er un-
berechenbar sei. Allein der Gebaudeschaden beträgt
60 Millionen. Dagegen beansprucht Italien als
Entschädigung. von Oesterreich-Ungarn abgesehen.
seitens Deutschlands folgende Kunstwerke: Aus der
Münchener Pinakothek: Peruginos „Vi-
sion des hl. Vernhard" und Tizians „Bildnis
Karl V."; aus der Pinakothel zu Dresden: N a f-
faels „Stxtinische Atadonna" Corregios
..Madonna des Francesco", sowie seino „Nackit".
Giorgmos „Venus" und Veroneses „Madonna"
uuo aus Berlin: Bellinis „Pieta" und Giottos
„Tod der Iungfran".

Keine „Bestrafung" des Kaisers
Amsterdam, 0. Mai. (Reuter.) Auf eine
Ansrage im Unterhaus, ob beschlossen worden
sei. daß der frühere Deutsche Kaiser be-
straft werden wird, antwortete der Staats-
jekretär für Jnneres, daß diese Ansicht
nicht den Tatsachen entspreche.

Die Hauptsache

Die goldene Feder, mit dcr Clemen-
ceau den Friedensvertrag ui- terschrei-
ben wird, wurde von den Schülern des ^"lrs
Ferry-Gymnasiums überreicht. Dir Feder schmiickt
das belgische. ttalienische und englische Wa""en
und der gallische Hahn, Her den Si>.g verkündet s.s
Sie trägt dte Zahreszahl 1917 (?) und das Wort
P^X. das mit Rubinen. Saphieren Und Brillan-
ten in die Feder eingelassen ist.

der Erschießung der 10 Eeiseln geführt hatte.
Seidl versuchte bei der Verhaftung zu entflie-
hen. Schwäbische Soldaten, die die Verhaftung
vornahmen, riefen: „Der Schuft ist ketnen
Schuß Pulver wert!" und schlugen ihn mit dem
(öewehrkolben nieder.

Wie aus Augsburg gemeldet wird, ist auch
der frühere Vorsitzende des Zentralrates in
München, der Volksschullchrer Niekisch, der
sich in Äugsburg versteckt gehalten hatte. am
Nlontag nachmiitag dort verhaftet worden.

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Letzte Meldungen

Mllmhen, 6. Mai. Das Geschäftsleben
jn Münchvn kehrt wieder innormaleBa d-

nen zurück. Der Münchener Stadtkomman-
dant hat bis aus weiteres die Herstellung und
Verbreitung von kommunistischen, spartakisti-
scheil und bolschewlstischen Zeitschriften vier-
bcte n.

Berlin, 6. Mai. Wie das Berliner Tagebl.
ineldet, tst die Lage in München noch als ernst
anzusehen und machte schärfste Aufmerk-
samkeit notlvendig. Durch die sche i» -
bar e Ruh e, die augenbltcklich in München
berrscht, dürfte man sich nicht täuschen lassen.
Die Gegner warten nur auf eine Gelegenhcit,
uin auss neue loszuschlagen.

* Der Buchdnickerstreir in Frniikf-urt a. M. ist
bee n d et.

Badisches Volk—minus?

Zwei dringende Fragen an die bad. Regierung

Auf der letzten Landesoersammlung der
Arbeiter-, Baüern-, Vokls- u. Soldatenräte in Dur-
lach hat nach überetnstimmenden Presseberick-ten dn
Minister des Jnnern Nemmele folgendes aus-
geführt: >

„Den Bürgerwehren dürfen nur Personen
angehören, die auf dem Boden der gegebenen Ver-
hältnisse stehen und nicht Mitglieder der
deutschnationalen Volkspartei stnd.
Ferner dürfen keine Offiziere dcrbei sein, di»
sich als kaiserlrch bezeichnen. denn wir werden
nicht den Ast absägen, auf dem wir sttzen, indem
wir unsere Gegner bewaffnen. Wenn es aber not«
wendig ist, daß solche Wehren und Freiwilligen-
Bataillone gegründet werden. so ist dies nur dsr
Fall wegen der Agitation der äußer-
sten Linken.^

Also sprach der Herr Mtnister und erntets da-
mit bei den Näten erheblichen Beifall. Anders
aber dürfte das Echo im Lande ertönen. Wir haben
bereits vor etwa einer Woche in der Frage der
Bewaffnung des BUrger- und Bauerntums scbarfe
Vorwürfe gegen die Engherzigkeit und Aengstlich-
keit der Regterung erhoben. Die gleichen Vor-
würfe, nur noch in verstärkteni Matze mllssen wir
heute äußern. Wie kann es der Minister waaen,
einen Tetl des badischen Volkes der bei den letz-
ten Wahlen über 70 000 Stimmen aufaebracht hat.
ausschlietzen zu wollen von der Verteidi-
gung des Vaterlandes? Wir sprechen hisr
keineswegs als Anwalt der Deutschnationalen
Volkspartei. Diese wird durch ihre Abgeordneten
iii der Kammer sich gegen den unerhörten
Boykottierungsversuch des Ministers
Nemmele zur Wehr zu setzen wissen. Für uns
kommt lediglich das grundsätzliche der Auge-
legenheit in Frage, denn was für die deutschna-
tionale Vollspartei gilt, das gilt auch mehr odec
weniger für alle anderen Volksangehörigen. die
nichtdas „Glück" haben einer der gerade rrgierendeni
Parteien, vorab der Sozialdemokratie, anzuge-
hören.

Die Worte des Ministers machen ganz von
selbst mehrere dringliche Fragen lebendig. Wie
denn? Richteten sich nicht die Aufrufe der R^zie-
ruiig zum Etntritt in die Freiwilligen- und Miliz-
Bataillone an alle Badener? Oder war von
vornhercin der Sinn etwa der, daß autzer der
mtlitärärztlichen Untersuchung der Freiwillige. im
besonders der Offizier. sich einer Prüfung aus
poUtisches Herz und Nieren unterziehen sollte.
Wäre es dann nicht richtiger und vor allem ehr-
licher gewesen, den Aufruf zu erlassen an das ba-
dijche Volk minus (in Klammern) Deutschnatto-
nalc. Deutschliberale, Monarchisten. Kaisertreue
und jonstigc Leute, die das eine gemeinsam haben.
dutz sic iwch soviel Eharakter besitzen. nicht mit
sUegcnden Fahnen ins radikale Lager überzugehen,
sondern die Jedale ihrer Jugend mit ihrer bis-
herigen politijchen Tätigkcit weiterzuverfechten.
Was aber Lharatter sür das Staatsbürgertum be-
deutet das kann der Minister Remmele bei Emer-
son nachlesen: „Der Charakter ist dte sittltche
Ordnuiig durch das Mcdium einer indiviouellen
Natur gesehen. Dte Atänner von Charakter sind
das Gewissen der Gesellschaft, zu der sie

^Gehören nun diese badischen Bürger nicht zum
badlscheii Volke? Eilt fllr sie nicht der Gruiidge-
dauke der Verfassung von der staatsbürgerlichen
Gleichheit. siud sie minderen Rechtes desweaen.
weil sie der Äteinung sind. die sogenannten Errun-
geiischaften der NevoluUon seien denn nun doch
nicht gerade derart. das; man sie täglich m,t Lob-
psalmeii und Hymnen und verordneten ^esttaaen
seiern müsse? Um so grotesker. um nicht zu sagen
törichter wtrken die Worte des Ministers angesichts
der Tatsache. datz sich in die Freiwilligen-Baiail-
lone nur ein verschwindender Prozentsatz von An-
hängern der Sozialdemokratie zu melden scheint.
der Uern und oor allem das Offizterkorvs aber
aus Angehörigen des Bürgertums sich zusammen-
setzt. Auf der einen Seite schreit die Regiernnq
um Hilfe und Schutz gegeu PuUttie von links. Aus
der anderen Seite jchliesst sie gerade dieienlgen
aus, die trotz ihrer anders gearteten Gesinnung
gewillt stnd. dte Heimat und die versassunasmässtge
Negierung zu schützen. sich also über Gewissensbe-
denken aus ethischen Motiven hinwcgsetzen und
deshalv ohne weiteres sittlkch höher stehen, als der
Mlnister Nemmele. drr ganz dreist und gottes-
fürchtig ertlärt, daß man nicht den Ast abjagon
dürse, auf dem man sitze. Der Sitz scheint uns etwas
wacklig und luftig zu seiii. erlülten Sie stcv v.ne
nicht. Herr Minister. Maier -

An derselben Sitzung hat der Aba-i
Heidelberg voii der Aen-eruiiNod der

gesprocken da>, ubera . ^ ^ er n e u e r e n

S'l rb m n a "?rietzl wlrdeu könnte. dies alslmld
neschehe. Souderbar. höchst sonderbar! Eben die-
sem Benintcntum. gegen das hier der Abg. Maier
 
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