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Heidelberger Zeitung (61) — 1919 (Januar bis Juni)

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Nr. 77 - 100 (1. April 1919 - 30. April 1919)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3202#0521

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Hauptschristleiter: Kurt Fischer in Heidelberg.

Druch u. verlag: TheodorBerkenbusch, Heidelberger Verlagsanstali u. DruLerei, Heidelberg.

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Mnabhängige Tageszeitung)

r-erkunsigungsblalt für Nordbaden und die angrenzenden Teile von Bayern. Hessen und Würtlemberg,

Nr.8Z

Dienstag, den 15. April 1919

61. Iahrgang

Die Deutschen sollen nach
Paris kommen

Paris. 14. April. (Havas.) Nach Blättermel-
d«Wen soll die deutsche Delegation dem-
nächst nrch Bersailles gerufe,i werde«. „Pet.t
Partsien" glaubt. datz die allnerten Regierungc,r
fich bereits nber das Datum geeinigt habcn. D»e
Einberufung foll vor dem 2V. Aprll er-
folgen. Nach dem „Echo de Paris" sind die Dis-
knfsionen für die rrveite und dritte Moche vorgesc-
Heu. Clemenceau wird namcns Alliiertcir in
der Präf^tur von Versailles dem Grafen Brock-
dorff-Rantzan den Text der einstimmig von ver
Ko»rferenz angenommenen Vedingunsen zur Kennr-
nis bringen. Nach ds,n „Petit Zournal" wird
Llody Georse der Konferenr vo» Freitag aü in Po-
ris wledrv beiwohnen.

Dec Neichsminifter des Auswärtlgen tdrcvf
Brockdorff-Rautzau rst in Berlin oingetrof-
feii, >mn versönlich die Lsituus der Vo.i!berei-
tungen für vie Friedensverhandlungeil zu iiber-
nelimen.

Weimar, 14. April. Der neunte Ausschutz
fiir Vvs F.viedensverhand-lungen hat sich
heute konstituiert. Er setzt sich zus.ainmen aus d-m
Präsijdenten der NatMnalversammlung. den drei
Bizupräisldenten Vsv Nationalversammln-nig und 28
Mitglrsdrrni atter Pcrrteien.

Der Entwurf des Völkerbundes

iwird jetzt vcm Neuter veröffentlicht. Darnach wrÄ>
sder Mikevbund gsbildet, uim ein internatio->
Pales Zusammenarbetten zu fördern
jtznd 'den Frisden zusichern.

1. Der Völkevbund roird umfafsen: «) Alls
ikriegfübrenden Staaten ,dis in einom dom
Eki'twursi beigsgeihenen Schrkftstück genannt sind;
b) atte neutralen Staateu, dio eibenfalls so-
snannt sind; e) in Zukunft iedes Land mit Selibst-
regievung. dessen Zulassung von swer Drittel iüer«
icnigen <Acmton, die Lexeits Mitglrcd des Bundes
Pnd, gutseheiHen wivd. Der Bund wtrd feme Tä-
tigktiit ausüben durch erne Vevsamml.ung von n'chi
mrehr als drer Vertretern eines jedm Glredstaarcs,
von denen dec Miedstaat jedoch nur eine Stimnvo
kat und einen Rat, der runächst aus js e'.nom Ver-
trcto" der flliif Großmächte und io einem drr vicr
anderen Mächte gabildet wird. Die EntschNsie b'i--
der Körperschastsn miissen einstimmis sein. autzer in
«ewisieu Fällen, die durch Stimmen;nohrheit ent-
fchisden werden.

2. Dis Gliodistwaten kommen überein: a) i-hre
Siüstungen »u v e r m i nd e r n, b) sich über ihve
Degcawärttgen militärischen Rüstungen und ih v
Marine- und Heeresprogramme vollständig zu uu-
terrichten; a) gcHenseitig thr Gcbiiet und ihre vo-
litische UnlMängigkeit su respektieven und gegcn
einen fromdcn Eingriff »u sichern; cl) alle interna-
lionalen Strsitigkeiten entweder einem Schieds-
»ericht oder einer Prüfung durch den Rat ru
Vnterbretten. in keinem Falle aber zum Kr eg su
ischreiten, bevor droi Momate nach einem Urte ls-
suruch vexflosien stnd; «) Einen Sta-at, der den vor-
stehenden Vertrag gebvochen hat, ru bestrafen,
als habe ev cine krieger^sche H-andlung gcgen den
Völkovbund bcgangen und alle wirtschafi -
<ichen und Handelsbeziehuilgen mr
ihm absubrechen. l) Keinen bindendeu B r-
krag tn Erwägung su ziehen. bevor er dcm Boltl'r
buudr mitgeteilt wurde. welcher daun zuv Veröf-
scutltchung dicses Vertrages schreiten wird. Ein
Slaat, der ssine Verpflichtungen brlcht. darf rou
deiu Nats aus dem Völkerbunde ausg fchlosi n
rveriden.

Die ohüi7iiali.gen deutschen Kolonie,l und
ibas Gebret des ottoman.ischeu Neiches
kvcrdon im Interesseder Zivilisa 1 ion (!)
idurch dasu ausgewäklte Staaten in der Eise?sch ffr
Vls Mandatare des Völkerbundes verwalter.
ider sc.iuerseits d'.e allgemeine Oberaussicht ffih en
dwird. Der Völkerbund wird anerkannt als s'ntralü
tKörverschaft, d e sich zur Aufgabe setzt trn allgümei-
Aier jede Art rnternationaler Tätigk.it gleich su
Mrdnen und su unterstützen.

Neue Rämpfe in München

Spartakus regt sich

Dem Sturz der Räteregierung ist leider noch
nicht die so unbedingt notwendige Ruhe ge-
folgt. Jnfolge der Umtriebe der Spartakisten
ist es im Münchener Hauptbahnhof zu
neuen Kämpfen gekommen, worüber folgendes
gemeldet wird:

Augsburg, 14. April. Die Augsburger Neuesten
Rachrichten molden über die letzton Vovgünge in
München:

Am Sonntag aachmittag fand eiue Demon-
stration der kommunistischen Arbelter
nnd Soldaten auf dex Therosienwiese ftatt. Jn den
sväten Nachmittagsstunden untcrnahmen die Spar-
takisten einen Angriff auf dcn Bahuhof. der vvn
einer Tlbtcilung der republikanischen Schuhtruppe
b<sietzt war.

Auf den dvei Stadtseitc», des Vahnhofes hatten
sich allmählich bewaffnete Mannschaften der Ro-
te n Armee uild andere Truppenteile aavgesam-
mclt, dre fortwäbrend Zuzug erhicltcn. Die Be-
schietzu»rg des Bahnhofes erfolgte zuuächst mit Ge-
wehren und Maschinengewehren, wob'i cs zahlreiche
Tote und Verwundete gab, insbesonderc La-
durch, datz die Passante», des Vahnhofsplahes
ven d:r Schietzerei völlig überrascht wurden.

Das Publikum stob in wahnsinniger Hast auskin-
ander und suchte in den Häusern Schuh. Da de«
Angrjff mit Maschincngewehren keincn Erfolg ver-
sprach. wurden drei Minenwerfcr aufgefahr^k.
Da den Vertei-igern des Vahnhofes nur Maschi,
nengewehre und Handgranaten zuv Verfügnng stan-
de». war ihre Lage durch die Tätigkeit dex Mine,,-
werfer aussichtslos geworden.

Cegen 10 Uhr erfolgte dcr allgemeine Sturm auf
den Bahnhof. bei d m es den Angrcife n gelans,
in den Bahnhof einzudringen. Die Besahung,

die unter der Beschietzung schwer gelittc,, hatte,
mutzte sich ergeben. Zm Triumphzug wurde dex
Vahnhofskommandant Aschenbrenner die Neuhau^-r
Stratze hinanfgeführt, um angeblich erfchosfen
zu werden. Zn der Stadt wurde ig kurzer Folge dle
Stadtkommandantur, das Hauvtquartler der repa-
blikanischen Schuhtruppe, genommen, sowie die an-
deren öffentlichen Eebäude Münchens und
die Kasernen dec republikanischen Schuhwehr.
Ganr München war heute friih in den
HLnden der Sp art akisten.

D?e Generalstreik wurde erklärt. Der Bahn-
hofsplah war von Mannschaften der Roten Annee
gesperrt. Von Bevwiistungen ist jedoch am Bahn-
hof jelbst, autzer den zerstörten Feastcrn, wünig ru
sehen. Zn der Stadt herrscht vcrhiiltnismähig Nuhe.
Der Zugverkehr bleibt eingestellt.

Authentische Nachrichten sind ber dem
Mangel jeglicher Verbindung mit München
nicht zu erlangen. Der Augsburger A.- und
S.-Rat erklärt auf Anfrage, keine Kenntnis
über die Vorgänge in München zu haben.

Aus Nürnberg wird ciner soziaildenwkvatk-
schrn Korrcffvonbenz gemekdet: Zn Nord- und
Südbayern ist alles m bester Ordnuwg.
Jn Minchen stsht die weitaus grötzte Zahl 7>-r
Truppen aus Seiten der Regierung Hoffmann. Die
Koimnuiiiften haiben eme grotze Anrahl vow Ar-
beitslosen bewaffnet und es f'mden dort imm«-r
noch Kämpfe swifchen ihnen und den Regle-
ruMstrlmvon statt. Jedoch bciherüschen die Regia-
rungstruvpen völlig die Lage. Miilistürprästdeuk
Hoffmann hat einen Aufrus an das bayerija-e
Volk gerichtet, r,r dü», ex dio Bodölkermig aufwr-
dert, zum Schntz d-er rechtmätzigcn Negicrung su
den Waffen su greisen.

gerstörung der deutschen
Dolkskraft durch den Krieg

Zn den Studten der Kopenhagener Eesell-
schast für soziale Folgen des Krieges ist eine
umfangreiche Arbeit von Karl Döring er-
schienen, die die Vevölkerungsbewegung in
Deutschland während des Weltkrieges bereits
zusammenfassend darstellt.

NeLcn dvn, uilmittelbar n Bellusteil im lFeibe
sind der Eeburtenrückgang und die- ec -
liöbte Sterblichkeit rn der Heimat in An-
schlag gobvacht. Wlährend ohne deir Kvieg die Dc.
völkomng des Deutsch n Reiches jetzt sweisellos
schon 70 Msllioncm übeillchritt n hätte, die E i n,
wohnerzahl jctzt, nachdeni ste bei Krlogslbsglim
67.8 Millionen betrug. auf 65 M t l l i o n e n g -
sunken. Davon sinld 33.9 Mllionen wochl-ch n
und nur 31,2 Millionen männlichcn GHchlechis.
Von dcur gchamten Vevlust entfallcu rund 3,5 Aüvl-
lion-en auf dic verminderte Zahl dor Gcburten und
ruud 2,1 Mllionen auf die Zunahm>a der SteMich-
keit. Die erhöhte Sterblichkcit geht etncHoits am
die Verletzungen im Kampfe zurück, «m-
dercrseits auf die ungenügende Ernäd -
r u n g. Dieser allein sind in Deutschland etwa
700 000 Mensch n -um Opfer g'falloni, uameiltlich in
ben tetzten boiden Kriegsiahren. Zm Zachrs 1918
na.hm die Stevblichko t der i'iber 60 Z -hre atren
Pcilsoncn um dis Hcilfte, die Sterblichkvit der 4- bis
Ibiährig:,, um das Doppelte -».

Altersaufbau und Geschlechtszu-
s a m me n s a s s u n g der deutschcn Bevölkcrm-g
hat sich vollko m m en veräudert. Bor d m
Kri-ge kam n auf 1000 Personi'n. »lännllchou Ee-
schlachts 1024 F-vauen; jctzt auf 1000 Männer 1086
F-rcvuen. Jn den Altcrsklasscn von 20bis.5Ö Jah-
rvn beträst das Verhältnis statt 1006 su 1005 wrv
früh'r ietzt 1000 gu 1155 und in den Tabresttasi-ii
vo» 20 bis 30 Zakren, die ffir Ehüschlietzuivgeu be-
sonders in Vetracht kommen, ift es nach weit un-
glinstiger. Die Z a h l d e r N e u g e b o re ne n ist
in Vcn letzten Kriegsjahre,, auf unter die Hälffe
der Friedenssabl gefunkeiv. Soweit dte Sterbkrcy-

keit durch die Kämpfe unmittolbar vevmehrt wor-
den ist. haben sie mit nmd 1,8 Mllioncn blut'grr
Varluste di-e kräftigstcn und leistungsfähigsten Janr-
gäuge betroffon. Die Anzahl der Männer r,u ,nr-
litävpslichtigeni Alter ist von ruud 14 auf elwa 12L
Millioueil gcsunkeii. Dazu konrmt, datz Hunderr-
tauseude der U«<bcrble'chend.n mcihr odsx wenig:r
verkrüppelt sind. Es hat alfo e'me Art u-
>gekehrteir Nassenausl e s e stattgofun.dep.
durch walche die best: Msnschenkvaft uud A.be ts-
kr-ast des deutschew Bolk.'s vernichtet worlden ist.

An eirw Wie d e r er h ö h ung ist vovläufig
nicht su deichen. Der G os a m t v -e r l u st an z
guilgsfähig'en Miännscn übe^stcigt gegeuwärtig noch
2-/> Ms'.llianen, da noch über 800 000 Gcfamgsns in
Feiudasband surückgshaltsn sind. Der Gcfuudbeirs-
zustand de« Beoölk rnug hat sich iufolge Uobevar-
beit uüd Uilterernährung ve'ischlechtert. Die Tu-
b er k u los-o'hat crneut erschreckeud um sich! gcgrif--
sen. Die Sterb lichkeit der dsutfchen Gssamt-
bevölksruug wffd auch nach dsm Kri-oge noch lnuge
Zeit brträchtlich böhsr se'm als die dss letzten Fri>--
densia5>res, summl cs vovaussichtlich uoch langr
Zert dauern wivd, she wir wöedcr su ilorm'aleil Er-
nähruugsvevhÄltn isien gslange».

Zu einem einmaligen Verlust von 3,5 Mil-
lionen Menschen durch den Weltkrieg kommt
ulso für das deutsche Volk ein noch lange a n -
dauernder Eeburtenrückgang und
auf Jahre hinaus eine höhere Sterb-
lichkeitsziffer.

Die Lebensmittelversorguug

Bremeu. 14. Avr'rl. Jm hissigen Hafcn 2 ist h-ute
ilachnlittag gcgen 4 Ukr der erste Dampfe r ,u t
Lc-bvilsmitteln, dör Damvfer „Franklin". e'mg^
troffeu, dessen Loschung bereits lugonnc,, hat. Er
hat 6250 T. Mehl geladen.

Notterdam, 14. Avril. Abgesshen von den amerr-
kanWsn Üobensiuitteln, die mit dirckten Dampff-rn
nach deutschsn Häfen gel>en. sind von Rotlvr-
da m nach Deutschland b'sher auf dem Vahn- »n'c»
Flutzweae zur Verladumg acckoiumen: 5500 Tonne i
Sreck. 1080 T. Schiwals und 100 ooo Kiskm Mlch.

Sozialisierungsgesetz und
Regelung der Kohlenwirtschaft

Von Eeh. Zustizrat Prof. Dr. Rietzer
III.

Glcichzeltig mit dem Sozialisierungsgesetz trat
auch das Eejetz über die Regelung der Koh-
lenwirtschaft rn Kraft, desien Beratung eben-
so wie die des Sozialisierungsgesetzes. durchge-
veitscht wurde. Die Einwendungen sachverständiger
Abgeordneter, die gegenüber wichtigen Bestimmun-
gen diejes Gesetzes sowohl bei den Plenarberatun-
gen wie in der Kommtssion gemacht wurden, fan-
den so gut wie keine Beachtung. Es ist zwar oon
der Opposition durchgesetzt worden, datz vor der
Kommijsion (in nicht offizieller Weise) eine grö-
tzere Reihe von Sachverständigen auf dem Gebiete
der Kohlenförderung und des Kohlenhandels ge-
hört wurde, welche im wesenttichen die Etnwen-
dungen der Opposition bestätigten, aber irgend eine
Einwirkung auf den Eang der Verhandlungen und
auf die Entschlietzung der Kommission haben ihre
Bekuildungen nicht gehabt. Vielmehr glaubte ein
sozraldemokratischer Abgeordneter, der nicht gerade
zu den Sackverständtgen der Kohlenwirtschaft ge-
hörte, im Plenum ausführen zu können. die oer-
nommenen Sachverständigen hätten nach seinem
und seiner Freunde Urteil so „alte Ladenhüter"
vorgebracht, datz man darüber nur habe lachen
müjsen. (!)

Es ist kein Zweffel, datz gegen dieses Eesetz eine
ganze Reihe der Vedenken nicht erhoben werden
kann, welche gegen weitergehende Sozialisierungen
zu erheben sind, zumal hier von einer Entziehung
des Lisherigen Eigentums an den Zechen nicht
die Nede ist und man einer stärkeren „Demokratt-
sierung der Betriebe" heute kaum noch sich ent-
gegenstellen kann und soll. Trotzdem glaube ich,
datz die Bedenken gegen die vorltegende Fas«
sung des Kesetzes überwiegen.

Zunächst kann man das Eesetz nicht für sich
allein betrachten, sondern nur in Verbindung mtt
dem Soztalisierungsgesetz, desien § 2 es der Reichs«
regterung jederzeit ermöglicht, auf dem einmal be-
tretenen Wege, dem Gesetzgebungswege. weiterzu-
gehen. also in einem späteren Stadium auch die
völlige Entziehung des Eigentums zu betreiben.
Aber auch das Kohlenwirtschaftsgesetz selbst lätzt
derartigen Weiterbildungen durch den eff^en Satz
des Z 2 fveien Lauf, welcher lautet: „Das Reich
rcgelt die gemeinwirtschaftliche Organisatton der
Kohlenwirtjchaft." Das vorltegende Gesetz bedeu-
tet aljo uur einen ersteu «chritt, dem andere
nachfolgen werden. Jrgendwelche heutigen Abftck-
tcn oder auch Erklärungen der Reichsleitung kön-
nen daran nichts ändern.

Unter Ablehnung der sachverständigen Darle-
gungen der Abgeordneten Hugenberg und Vögler
ist ntcht nur der Absatz. sondern auch dte Förde-
cuilg uud der Selbstverbrauch der Regelung
der Verbände unter Aufsicht des Reichskohlenrats.
übertragen, so datz den sachverständigen Leitern
des Uiiternehmens auf sämtlichen Gebteten der
Kohlenwirtschaft, die Leitung zwar nicht völlig
aus der Hand genommen, aber doch ausgehöhlt und
überaus erschwert wird. Dte Aufsicht des Reichs-
kohlenrats wird über dies eine unerträgliche
H e m m ung des Vetriebes darstellen. da die Ent-
scheidungen dieses grotzen Eremiums auch betm
leften Willeu aller Beteiltgteu Zeit uud mög-
licherweise Erhebungen in Anspruch ilehmen. Aus
diese« Gründen tair.'i und wtrd „ach meiucr Uebcr-
zcnguiig das Gesel; kein ..Ansporn für uuser
W'rtschastslebeu" scin. sondern eher das Gegenteil.
Es wird küliie „Belebung dcr Arbeitsfreude", son-
dern das Gegeutell herbeiführen. Ohne jeden
Zweisel tanu die Auwcsenheit auch von Arbeirern
im Reichskohleurat häufig dann von Nutzeu sein.
wenil es gelingt, wirkltch sachverständige Arbeiter
hliielnzusendeil. die alierdlngs in den meisten Fäl-
len eme Sachtunde htnsichtlich aller Vetriebszweige
des Elnzeluuternehmers nicht haben können und
noch »vcnlger eine Sachkunde in bezug auf die be-
sonderen Berhältnisie anderer dem Neichskohlenrat
unterstellter Betriebe, in denen sie ntcht gearbeitet'
haben.

Es habcu aber leider die praktischen Revolu-
tioilsersahruugeil, iusbesondere dte mit den Wah.
leu lu dte Arbeiterräie gcmachteu. darüber keinen
Zweisel gelassen, datz in fehr vielen Fällen, vtcl-
leicht in der Nlehrzahl aller Fälle. nicht etwa dec
verständigste Arbeitcr in den Reichskohlenrat ge>
wählt wird. sondsru der, welcher aiu lautesten uud
radikalsten die Politik der iewciligen Arl'etter-
wühlermehrheit zu vertreten wcis,-. Mita"i>cn
Worten: die Wahlen werden be. Arde-tcrn » -

Aiigestellten in der Mehrzahl der sft ll
sachlkchcu, sondern »a.h

'"K-" auch"n"°ch d.7N°Lr°z,°-.m. d.° Ob--°us.

sicht fiihrt. also a»ch im Bcschwerdeweg von den
Beieiltaten angegangen werden kann uud auch
selost in die Förderung, den Selbstvsrbrauch und
 
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