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Heidelberger Zeitung (61) — 1919 (Januar bis Juni)

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Nr. 101 - 125 (2. Mai 1919 - 31. Mai 1919)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3202#0656

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i eii Lande und in der Schweiz für hunderi
Franken verkauft hat.

Doch ich will Ihnen nicht all die großen und
kleinen Schlingen nachweisen, in deren Eefamt-
heit sich ein gr-oßes Volk zu Tode verstricken soll,
getreu dem Wort.d.es Feürdes: Wenn Deutsch-
land in den nächsten 20 Jahren wieder HandeL
zu treiben beginnt, ist dieser Krieg umsonst ge-
führt worden. Was soll ein Volk machen, dem
das Eebot auferlegt wird: Deutschland ist für
alle Vcrluste, alle Schäden, die die alliierten
und associierten Negierungon und ihre Natio-
nalen infolge des Krieges erlitten, verantworr-
lich? Was sott ein Volk machen, das bei Fest-
fegung seiner Verpflichtung nicht mitreden
darf, dem man gar nicht Gelegenheil gibt, stch
zu; äußern, ohne daß es an den Entschei-
d u ngen bcteiligt würde, auf dessen eigene
Bedürfnisse kein Menfch Riicksicht nimmr
und-dessen Ansprüche man mit der Hattdbewe-
gung wegstreicht: Deutschland verpflichtet sich,
keiner der alliierten und asfociierten Regierun-
gen direkt oder indirekt irgend welche Eeldsor-
derungen für irgend wclche Ereignifse, die vor
Jnkraftsetzung dieses Vertrages sallen, vorzu-
legen.

Das sind nur einige Beispiele der Vertrags-
bcstimmungen, bei deren Festsetzung,chvie Herr
Clemenceau gestern unserer Delegation mit-
teilte, die Entente sich ständig von den Grund-
sätzen habe leiten lassen, nach denen der Wafsen-
stillstand und die Friedensverhandlungen vor-
geschlagen worden sind.

Wir haben Gegenvorschläge gemacht,
wir werden noch weitere machen, wir sehen mit
Ihrem Einverständnis unsere heilige AusgaVe
durin, zu Verhandlungen zu kommen.

Diescr Vertrag ist nach Auffassung der Reichs-
regierung unannehmbar,
so unannehmbar, daß ich noch nicht zu glauben
vermag, die Erde könne solch ein Buch ertragen,
ohne daß aus Millionen und Abermillioncn
Kehlen alltzr Lnnder ohne UnterschieV der Par-
tei der Ruf erschallt: „Weg mit diesem
Mordplaw!" -

Da und dort zeigt sich schon die Einsicht unv
die gemeinsame Menschenverpflichtung: Jn den
neutralen Ländern, in JtalieTr,
Englano, vor allemiauch, und das ist uns
ein Trost in diesem letzten, furchtbarsten Auflo-
dern chauvinistischer Eewaltpolitik, vor allem
auch in dem sozialistischen Frankreich
werden die Stimmen laut, aus denen der Histo-
riker einst den Stand der Menschlichkeit nach
vierjährigem Morden messen wird. Ich danke
allen, aus denen empörtes Herz und Eewissen
spricht. Jch danke vor allem und erwidere in
unvergänglicher Anhänglichkeit das Eelöbnis
der Treue, das gorade jetzt aus Wie n herüber-
schalli. Brüder in Deutsch-Oesterrejch, die auch
in der dunkelsten Stunde den Weg zum Gc-
samtvolk nicht vergessen, wir grüßen Euch und
wirhaltenzuEuch.

Wir kennen unseren Weg. Ueber diese Be-
dingungen darf er nicht führen. Es hieße nicht,
an Deutschlands Zukunst zweifeln, sondern
diese Auk'unft opfern, wenn wir anders
denken und fühlen wollien.

Stehen Sie uns bei in der Anbahnung der
.Verhandlungen, lasien Sie niemand in dcr
Welt darüber in Zweifel, daß Sie eins nnr
uns sind. Das ganze Volk ein Wächter vor der
Zukunst unserer Kinder und Kindeskinder. Ein
!einig Bolk vermag viel, ganz besonders, wenn
es, wie wir, heute nicht nur fiir uns selbst, son-

dern für die Eesellschaft der Nationen dagegen
protestiert, daß Haß verewigt, daß Fluch für
immer verankert werde. Ihnen, den Mitglie-
dern der deutschen Nationalversammlung, gilt
heute öas Wort: „Der Menschheit Würde ist
in Eure Hand gegeben, bewahret sie!"

Wird dieser Vertrag wirklich unterschrieben,
so ist es n i ch t D e u t s ch l a n d s L e i ch e a l.
lein, die auf dem Schlachtfelde von Versailles
liegen bleibt, daneben werden ebenso als Lek-
chen liegen das SelbstbestimmungsrechL der
Völker und die Unaühängigkeit freior Natio-
nen, der Elaube an all die schönen Ideale, un-
ter deren Banner die Entente zu fechten vor-
gab, und vor allem der Elaube an die jVer-
tragstreue. Eine Verwilderung der sittlichen
unü moralischen Begriffe ohnegleichen, das
wäre die Folge eines solchen Vertrages von
Versailles, das Signal für den Anbruch einer
Zeit, in der wieder, wie 4 Jahre lang, nur
heimtückischer, grausamer und feiger. die Na-
tion das mörderische Opfer der Nation, der
Mensch des Menschen Wolf wäre.

Wir wisien es und wollen es ehrlich tragen,
daß dieser kommende Friede für uns eine Mar-
ter sein mird. Wir weichen nicht um Fadens-
breite von dem zurück, was unsere Pflicht ist,
was wir zugesagt haben, was wir ertragen
müsien. Aber nur ein Vertrag, der gehalten
werden kann, ein Vertrag, der uns am Le-
ben läßt, der uns das Leben als unser einziges
Kapital zur Arbeit und Wiedergutmachung
läßt, nur ein solcher Vertrag kann die Welt
wieder aufbauen. Solchem Vertrag unsere Un-
terschrift, seinen Vestimmungen unsere Treus,
seinen Anfgaben all unsere Kraft und Arbeit!

Nicht der Krieg, sondern
dieser harte Arbeitsfriede wird das Stahlband
für unser aufs tiefste geschwächtes Volk sein.

Wir müssen von der Riederlage und den
Krankheiten der Niederlage gesunden, eben>o
wie unsere Gegner von den Krankheiten des
Krieges. Wir kämpfen nicht mehr, wir wo l-
len den Frieden.

Wir sehen mit Erausen am Beispiol unserer
Gegner, welche Verzerrungen, EewaktpoUttk
und Brutalität der Militarismus hervor-
bringt, wir wenden uns schaudernd von dem
jahrelangen Morden. Eewiß: Wehe denen, die
den Krieg heraufbeschworen haben, aber drei-
mal wehe üLer die, welche heute einen wahrhaf-
ten Frieden verzögern, auch nur um
einen Tag!

Die Rede des Ministerpräsidenten war von
Anfang an bis zu Ende mit Aeußerungen leb-
Hafter Zustimmung begleitet und vielfach durch
stürmischen Veifall des Hauses und der Tribü-
nen unterbrochen.

Preutzischer Ministerpräsident H. rsch: Jm Auf-
trage der Regierungen sämtlicher dejutscher
FveistMrten habe ich folgende Erklärung ab-
ZUgciben: Hemte ist -es ÄQr. ro>as d-'uo Feinde mit
uns vorhaben. Sie woll-e-w uns Mr alle Zeiten
aus der Reihe der Kulturstiaaten der Welt strei-
chen und uns wieder. wir sinst. zur völlisen Dhn-
macht verdammen. DemgogVnüLer eEärsn wir,
die Vertreter aller dsutschen iFreistaaten, vo,r al-
ler Me lt:

lieber tot als SAave!

Dteser Frisdensvorschlag ist unannehmbar. (Lebh.
Bsrfall). Unssre Feinde mvgsn stch hüten. auf ir-
gend eine Uneinigkeit der -deutschen- Stämme zu
vechnen. Zn der bittersten >und furchtbärsten Not
dvs rmser Volk jetzt heimigesucht hät. stehen wir in
unevsHüttevlicher Treue Mm deutschen Vatcr-
land. (Lebhaster Beiffall).

Darcvuf sprachen dio Vertreter der Parteien.
Um die Eeschlossöicheit der KundgMmg nicht zn
durchbrechen. war vocher vereinbart worden. daß
jeder Rednernur eine ViertelMnbs spreäien

sollte. Der Mehcheitssoaialist M ü le r Breslau
mialt in eindringlicher Weise. die fiürchterlichen
Folgen des Friedens für die deutsche Arbeiter-
schafft -aus. Der Zentrumsführer Gröber warff
der Entente Wortbruch vor. Für die Demvkraten
sprach A-außmavii. der sich den Beifall des
Haiuffes u. a. dadurch erwarb. d>atz er betante. die
Arbeiter würden die Waffen nicht niedergelegt
häben, menn sie ge-wußt hätten. wie dieffer Ver-
ständigungsffriede ausffehen würde. Kräfftige na-
tionale Töne fanden Graf Posadowsky (D.
N.) umd Strefemann (De-ulfche Volksparteff).
der ein-en se-iner besten Täge batte und dä-rch die
Wucht smner Argumente wirkt-e. Namens d-er
Fvalnen in der Nationalversaminlung spvach die
MechrHe-itssozialistin Schuch, die e-rgreifende
Wort stir d-as kommende Elond der doutffchen
Mütt-er ffand.

Leiber wuvde das Mld der Einigkeit und Ee-
schlossenHeit gestört durch den Abg. H-aase. der
zwar auch namens der Ilnabhänaigen ae>gen den
GeMältfrieden protestierte, aber ffchlieffstich in eäne
Agitationsrede mündete. in der cr heftiige Mr-
griffe aegen die Negierung und die Mehrheits-
sozialisten richtete. (Sein-e Worte wirkten bei die-
sen devart, dast es nach Schlust der Sitzung zu
hefftbgen privaten Auseinandersechungen zwiffchen
den Unabhängigen und den Misl-rheitssozialifften
kam). Unbegreiflich war es. dast Haaso. trotz der
Protestworte schließlich doch dazu riet, den
Frieden zu u n t er ze i chn en. lallerdings un-
tor Vorau^etzung. dast dio Weltrevolution aus
dem Marsche sex, und diese den Friedon korrigie-
ven werden. Seine Ausfühbungen wurd-en vcm
Lem üblffchen Lär,n seiner Parteiffreunbs beglei-
tet, sodast Fehrenbach wioderholt eingreifen
mustte.

Aus den bes-etzten Gsbisten sprachen
jFrau Wob-er lZentr.). ffür das Aächener Gebiet.
S ch u l z-Bromber-g (D. N.) ffür -Posen, Graff
Dohna (D. Vpt.) ffür Westpreusten und Löfff-
ler (Soz.) ffür das Säargebiet sowile der Ab«.
Blmnk ffür Schleswig. Sie alle ffanden herz-
bewegende Tmr-e für d-ie Not ihrer Landsleute.
Jhre Worte gaben ein erffMtternVes BUd. von
dem was unseren deutschen Brüdern -bevorsteht.
wenn sie das sroste Vaterland Versteren sottte-.

Durch dieffe Fülle der Reden dehnte jich trotz
der Solbfftbeffchränkung dis Sitzung zu lang aus,
ffbdast der letzte Redner^ Pro-f. Quidde (Dem.)
ldsm als BorSämpfer des deutschen Pazifismus
das Wort erteilt wurde. nicht niehr die Auffmerk-
ffamkeit des Hauffes ffesseln konnt-e. obiwehl er von
seinem Sta.ndipmikt aus sute Worte ffand. Hinzu
kam. Äast die Aula der Ulurverffität. in der die Na-
tionalverffammlung zu Eafft war. und in deren
Namen der Abg. Kahl zu V-og'inn der Sitzung
austerordentlich schöne Bogrüstunasworl« gespra-
chen batte, für eine dedavtige Versaimnlung doch
nicht recht geeignet war. da die Ausfführ-uinsen der
msisten Rsdner verhallten. Dis rechien Worte
iin rechtem Mgenblick ffand dann zum Schlust

Präsident Fehrenbach: Das war eino mächt-
volle. stzffchlossene Kungebung der -ganzen dau-tjchen
VMsvertretung segen den Ge-waltfvieben, den
man uns diktiren will. Alle Nedner üaben er-
klärt, dast wir dieffen Frieden nicht cmn-ehmen
könnem Das doutffche Volk hat sich -in m-achtvollen
KiundgMrngen gegen diesen Gewalltffrieden aus-
geisprochen. Bon dem heut-igeu Tage an m-ust Ms
dieffem Saäl -eine Welle in das Volk ge-
tragen werden, die es a-uch. dem Auslande klar
nmcht. däst man däs deutsche Volk nrcht so behan-
deln davs. (Lebh. Veifall). Wir danken den Nsu-
tralen. die diesen Frieden verworffen haben. Sollte
das einmütige neutra-le Ilrtei'l nicht wenigstens
auf dte Fünd wirken? Wir danken mit aller Zü-
rückhaltung auch für das. ibas >aus französischen
Arb.eiterkreisen und englischen Politi-kern an ver-
nünfftige-n Stffmmen an unser Ohr gedvunsen ist.
Aber wo bleiben die anderen ainfflustreichen Krerstz
in den svemden Ländern? Wo bleiben die Vcvtre-
ter der Religion? (Stürmischer Beifall). Wo
sind in den ffeindlichen Ländern dffe Vevtreter
des Rechts, das mit uns geboren ist? iSehr
Mt!) Fvcmkreich hat sich gevübmt. die Menschen-
recht-e projklamiert zu habrn. Sollen st-e nur für
Fvankreich selten und die ensliffcke Magnä CHarta
ffoll sie ein Palladium der Freihofft nnr ffüv die
Vr-iten unb die ihnen befreundeten Völker seffn?
ffWo sind in den feindlichen Länd'ern die Vertre-
terder K -u nist? Den Frteden wollen wir. Aber-
d'icher Friebs soll nach de,n Willen der Feinde
unseven Fvauen und Kinderir Not und EntseW;
bvi-nson.

In dieser schrveren Stunde unseres Landes
gedenken wir all des Schönen und Großen, de,
Guten und Idealen, was unsero Eltern und
Eroßeltern uns überlassen haben, und wir blt-
ten unsere Kinder und Enkel, es uns nicht an-
zurechnen, daß wir sie der Not und dem Elenh
übsrliefern müssen. Wir wissen, dah auch wir
in der Zeit unseres Elückes angefault waren.
Unsere Wissenschaft hat unsere Herzen nicht im^
mer an dem ewig göttlichen Lichte entzundei.
Unsere Kunst war vielleicht in die Niederun-
gen hinabgestiegen, und Selbstsucht und Eenutz-
sucht gehörten zu den Eigenschaften unseres
Volkes. Unserem sozialen Leben sehlte es an
der Liebe, unserem Staate an dem gern und
willig geleisteten Eehorsam des freien Mannes.
Wenn uns jetzt aber noch die Schuld an diefem
Kriege aufgeladen werden soll, dann weisen
wir das mit aller Entschiedenheit zurück. Das
friedliebende deutsche Volk hat an diesem
Kriege keinen Anteil. Die letzten Handlungen
der Regierung vor Kriegsausbruch mögen ge.
gen uns zeugen, aber die Schuld für die Ur-
sachen des Krieges lastet auf den Schuttern un»
serer Feinde. (Lebh. Zustimmung.) Wir har-
ten auf das Völkerbündnis gehofft; dieser Ver-
trag ist keine Einleitung dazu, er ist die Ve r -
ewigungdesKrieges. Aber auch ,n
Zukunft werden deutsche Frauen Kinder g c-
bärenund dieseKindev werden d,s
Sklavenketten zerbrechen und dis
Schmach abwischen-,. die unserem deutschen Anl-
litz zugefügt werden soll. Für uns gilt wie in
glücklichen Tagen so auch heute das Wort. das
niemals der Ausdruck selbstsllchtiger Ueberhe-
bung, sondern immer nur der tiefen Liebe zu
unserer Heimat war: Deutschland, DeutschlanÄ
über alles, über alles in der Welt! (Lebhafier
Beifall und Händeklatschen, Zischen bei den
Unabhängigen.)

Präsident Feh r e n b cvch evhält die Ermäch-
tiMng, Tag und Tagesordnung der nüchfft-enl,
Sitzung ffelbstständis festzusetzen. Schlust nach-
9 Uhr.

«-

Zedes Wort des Kommentars würde den
Eindruck dieses Tages der Nationalverfamm-
lüng abschwächen, Mit Ausnahme der Unab-
hängigen haben die Reichsregierung, die Re-
gierungen der Bundesstaaten und die Parteten-
ein einziges, wuchtiges „N ei.n" gr-
sprochen. In diesen Stunden und Tagen des
Elends ein trotzreicher Aüblick! Möge dieso
Kundgebung aber auch bei unseren Feinden
nicht ungehört verhallen. Wir haben gespro-
chen, nun-mag die Entente reden und wenn sie
durchaus will, in ihrem verbrecherischen Tnn
fortfahren. Wohl sind wir wehrlos und machr-
los, aber die deutsche Ehre haben wlr
nicht verloren!

Badische Politik

» Einberufung des Landtags. Nachdem die
Lcrndtage der Staaten Dayern mnd -Wtirttsmberg
etznberusen wurden. um zu den FriedensLedingun-
gen Stellung; zu nehmen. ift. wie wir HLren. dä-
mit zu rechnen. dast -cvuch der Badische La-ndtag aus
diesem Anlast zuffammentreten wird. — Zur TeD-
nähnie an den Besprechungen des Staatenaus-
ffchusses über die Friedensfvage. stnd Staatspräfl-
dent Geist und Staatsrat Köhler am 11. Mat
niach Berlin abgereist.

* Deutsch-österreichische Offlziere in dre Reichs-
wehr. Nach einer Mitteilung der Obersten Hee-
resleitung können deutsch-ösberrovchischs Offl-ziers
Lsi! dem deutschen Grenzschutz eingestellt, werden.
Etwaffge Bewerbungen -siud an das Kviegsimiui-
ffberium. Berlin Abt. 1a zu richten. wc, auch Aus-
Vmifft über die Bedmguirgen orteut wcrdc

^ Am Abend duftet alles, waS man geflanzt -cü
-2. hat, am lieblichsten. Leise. witz I

Oer Ooppelgänger
des kjerrn Emil Schnepfe

Roman von Carl Schüler
(16. Fortsetzung)

..Unter welchem Nainen, wenn ich fiasen
darf?"

„Werner von Hardenffels".

„Ein schöner Name!" lä^lte DoriVäl.

„Er ist sedenfalls aus suter Familffe. Mag er
nun Hardensels heisten oder nicht!"

--Cr heistt Emil Schn>e-vfo iund iist der auster-
eheliche Sobn eincr Wäscherin. So 'saste män mffr
>auf oem Po-ffize-ilprästdiuin'

Dvefftz Mitteilung machte aiuff Gretchen Lotz
reinerlei Eindruck.

„Auch die Polizei kanu stch irrenl" sagte sie.
...rlusterdeni kann stch niemand seine Eltern. und
ffeinen Na-men aiussuchen"

,„SsI-ne Eltern iiicht, d.a habeu Sie uecht,"
iikemte Do-r,val der mit Erstaunen demerkte dast
das iunge Mcwchen stch immer m-ehr für diesen
Emil. Schnepfe ereiffern bcgLn-i'.. „Aber was
die Wahl des Namens -anbetriffft, so, scheint Herr
>Emil Schnevss anderer Anstcht zu sein. Er wählt
sich ffeino Namen selbst. Und sie stnd iinmer sehr
schön. Er tut es nicht unter e-inem Graffen odcr
M-emsstens -eine-nr Baron. Sonderbav. dast er i-m-
mcr Leute ffiu-det, die auff deu Schwindel hinei-n-
,fall«n. Verzeihen Sie, wenn ich schon wieder mit
rauher Hand an eing e.mpfindliche Saite rivhre,
aber — hm, es macht a-uff m-ich den Eindvuck, als
habe Werner von Hardensels in Sylt flch nicht
nur >wni Ihre Eunst -emiiht. sondern -auch di-e Ge-
sckn-Mlosigkeit besessen, der Fraü» von Ma-arkätz
-näher zu Ireten?".

-O. er hat nicht anders gekonnt! Er miusttz'.
um m-ich sehe-n und sprechen zu können, Fvau vo.Ni
§>of machen".

- - lachett^. Und dieses Lächeln vMchäNtK stt.

Es wurden vechts und links auff ffhren Wansien
Mvex kleine Grübchen sichtbar, di-s ffehr nffedlich
aussahen.

„Jch bin nie efffersüchtig -Mff Fraiu von Mcvar-
katz seweff-en..."

«Dazu hatten Sie wM auch keffne Ursachel
Die Zuneigung Les Herrn von Hardenffels aalt
nicht der Frau von Akaartatz, londern i-hren
Schmucksachen".

„Ich bin überzeugt. dast Werner den Rins.
um dessen Verlust -Fr-cru von Maarkatz sammert,
wirklich zu einem Iuwelier geibr-acht hat".

..Und wavu-m hat er dann den Rina seimcr Ei-
gentümerffn nicht zurückgogeben oder ihn zurück-
goben lasien?"

„Er wird es vergesiep baben." meinte etwas
unstcher Fräu5effn Lvtz.

„Sie dürfen es Frau von Maarkatz nicht oer-
üibeln. wenn sie a-n ein-e soilchv VergDßlichkeit nicht
glau-bt. Ich tue es auch nicht. Und Si-e werden
es auch nicht tun. rvemi ich Jhn-en noch eimn-al
aiuff das Bestlminteffte erkläre. däst diesex Emil
Slhnepfe, der stch oald so. baffd ffo nennt. gewerlbs-
m-ästia stffehlt. Wenu Sie mir nickt gl-auben, so
erkundffgen Sie stch bei dem Kriminalkommisiar
Fehlhauer nach dein Mann. Sie merd-en dort
vi-el -übier i-hn erffcchren. ^ Er -M eine seh-r gesuchte
Persönlichkeit. Ein Dutzend Po-lizsibehörden- stnd
hinter ihm her. Bitte. gMen Sie nur hi-n. Män
wird Ihnen gern Aüslunft geben".

Sie schwien einen Augenblick.

Da-nu sägte sie errc-gt:

„Es ist nicht wahr. dnst -er ein Di-eb und Ve-
trüger i-st! Die Po.lizeff verfokgt ffhn. das hat er
mir s-elbst erzählt. Darum mustte er auch plötzlich
vo-n Sylt abreisen. daruin ist -er alach gez-wungen,
sich mnnchmal einen sälschen Nainen beizulegen.
Er hat einen ffuugen Mann >aus einflustreicher
F-amilie. d-er ihn beleidffgt hatte. i,u Du-ell er-
schossen. Das ist alles. Ich sage Ihnen das, weil
ich gern möchte. dnst Sie besser von ihm denken.
Soast ffst es mir gleichgültig. wcis die Le-ute von
ihni s-agen. Fräu von Mcvarkntz schimpst dan san-
zen Tas alus ihn. Daran Lin ich gewöhnt. Aber,
wenn er wirklich der Spitzbube wäve. deu alle
aus ibm -nvachen wollen. so ware mir das auch
gleichgültiL Er hnt mir erzählt. dast er ei-ne
schl-cm-me Iuaend gehabt hat. Das Lebeu nmcht
den AtWschen aut oder schlecht. Ich verurleile chn

nichtz Ich brauchs niich nicht boi der Polizei über
ihn zu erkuudffgen. Ich habe ffn seinenr Herzen
geles-eu. Ich kann Ihnen nicht so s-agen. -was er.
mir gewesen ist. Und — ivas er mir noch ist.
noch! Obwohl er mir seit Mäck.-e-n nicht gcschrie-
-ben hat. Ich will mi-r sein Bild in der Erinne-
rung rein erhwlteu. Ja-, wundern Sie sich nur
über das dumm-L Mädchen. das sevn Herz an
ecaen Mann gehängt hat. der g-anz plötzlich vor
ihm a-ufget-aucht ist und ebenso -wi-eder verschwand.
Es waron nlur drei kurze Wochen. Mer die^-e we-
nigsn Woch-en. die -er mir geschenkt hat. haben mich
ve-ich entschädigt für vielo Iahre trostloser Ernie-
drigung. Ich will mir die Erinnc-rung -an sie nicht
trüben läsien. Ich will nicht!"

Doriväl s-ab das iunge Mädchen an.

„Wffssen Sie. was «sie getän lW-bc'n?-" flagtc
er nack, einer Weile.

"Nein!"

„Sffe -hcilben mir dcii Emffl Schncpse in cniein
neuen Lffcht setzeigt. Er must wirküch auch gute
Seiteu haben. dast Sie so, fesst-Lu- UM hnilton. ^e-
m-and zu haben. der. so wie Sis. durch- vuk unh
dünn mitgeht, stch dnrch nichts den Glauben an
ds-i Freund nehmen lästt. isst sm sroner Gewinn.
der nff-ema-nden unverdient in den Schost lai"- -bck-
wffll nffcht' wvfler mit Fr-aaem >n Si-s drmgeu.
wenn Sie aber einmäl einer Hilfe rie-ourfen soll-
ten w-erde ich es -mir zur Ehro anrechnen. wenu
Sie' sich dann an mich wenden women

„Ich dnnke Ihnen." sngte Grete Lotz schlnht
Dann griff Sffe wieder nach ihrem Taschclien und
erhob sich... » » »

Dissmal brauchte Doriual. nicht zu marten.

Herr Direktor Zal,n empfing >!„, Mort.

„Was säg-en Sis zu- dein Erffolg. verehrier
Herr Baron?" rffeff er rtzm entaege-n. „So arbeiren
w,r! Uebertrifft das nicht Ihre hock-geipanntesten
Erwartungen-? Ist das nicht hcrvo.rragend?

„Hm ..mnchle Dorival.

Wir haben auch keine Mühe gescheut, reine
Kbsten! Mir haben oi„ Notz üüer ganz Bertin
gezogen, ganz abgc'sehen davon, dak wir — hml
— sechs der vorzüglich-sten Beamten nach dsn gro-
sten Bädern entsandten. Mmi. Schnepfe ist i-n Ber-
ltn Dag weit-ere jst Kindersspiel. Uebrigens doch
noch mit sobr — hm! — flhr bedeutenden Kosten
vevknüpst!"

„H-m...!" machte Dorwal.

„Darüb-e-r werde ich Ihnen äber noch schristlich
Mitteilungen zugehen lassen. Herr Baron. Zu-
fällcg bssmdet sich Herr Crusius. de-r bei de,n 6u-
sammenstost mit dem Berbrecher vermuudet
wurde. hffer im Hause. Ich werde ihn vufan M-,
sen Er soll Ihnen selbst den Hergana erzahlen,
'..Iä. birte!" sä-affe Dorival.

(Fortsetzung folst).

SM msem KesMU«!

Em Maienlied

aus dem 13. Iahrhnndert.

Nun ist der Schlehdorn worden weiß.
3kun hat der Maien stinen Fleiß
Ge-setzet a-n Vis Hecken.

Zerganaen isd der kalto Schnee.

Man. sieht dev Blumen mehr als eh
Sich aus dem Erase streäen.

Dcr Mni. der Mai. die schöne Zckt.

Hat auf der Welt viel Blumen streutz,
Die Vögel nlle stngcn.

Aus Lsid solln' Freuden springen!

*1 Der Vorfasicr dieses Lisdleffns. ist der von
1210—45 lcbende Niinnesänger Nsi-dhart cder
NietYard v o n- R e u e n t a l. aus Baysrn
bürtig. einer. dessen Kunst im dentschen Bolt leid^r
nicht so b-ckaiiirt üt. wic sie scm- sollte. dessen
mehrfach, qesammölt und heute noch erhalton -
D>h diese Vsrse bereits einen -Komv0lNisten DÜ-w'
den. entziebt stch meiner Kenntnis. ich ware dan '
Lar; um etwaige Mitteilüng- hievübor. Bieu---
aver sindot sich einoo unscrer gegonwärtlgen -
ponistcn und vertont d.iesse lffeblichen Weisen-
müstte aber einer sein. der sich rn der durck .
hart begründeten hösischen- Dorfpossie
und desien Schaffon- mfft ihr durch innorn- «r.
mungsgehalt verrvandt isk , - ^
 
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