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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 1-26)

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Nr. 61 - Nr. 70 (13. März - 23. März)
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MKMast und Kunst / Aus trr MI! brr Frsu / Dir Lrkstunde

Pfälzer Zote

Mittwoch, 13. März 1935

70. Jahrgang / Ar. 61


E>iegesjubel m ganz Griechenland
Vegeisterte Kundgebungen für die Regierung in Athen / Venizelos auf italienisches Gebiet
gebracht und interniert / Ein Ausruf des griechischen Staatspräsidenten

DRV Athen, 13. März.
Das ganze griechische Volk feiert die Nieder-
werfung des Aufstandes, der das Land in ein
Blutmeer zu tauchen drohte. An allen Straßen-
ecken find Lautsprecher aufgestellt, die die Sie-
gesfeier übertragen. Eine unabsehbare Men-
schenmenge bewegt sich durch die Straßen der
Landeshauptstadt und führt Bilder von Tsal-
dari», Kondylis und Metaxas mit. General
Kondyli, der den Ausstand in Mazedonien nie-
derwarf, ist im Flugzeug am Nachmittag in
Athen eingetroffen und wurde von einer unge-
heuren Volksmenge begeistert gefeiert. Von der
Grenze der Stadt bis zum Hause des Minister-
präsidenten Tsaldaris bildete Militär Spalier.
Immer wieder brachen die Bolksmassen in be-
geisterten Jubel ans, als der siegreiche General
im Wagen vorbeifuhr.
Anläßlich der Feier sind sämtliche Geschäfte in
Athen geschlossen. Allenthalben prangen die
Straßen im Fahnenschmuck. Sämtliche Solda-
ten und Offiziere der Athener Garnison betei-
ligten sich spontan am Empfang Kondylis.
Auf den Straßen haben sich riesige Menschen-
mengen angesammelt, die mit Pfeifen und
Schreien, mit Freudenschüssen und Musik Kund-
gebungen veranstalten und durch die Hauptstra-
ßen zu dem Königln-Sofie-Boulevard ziehen,
wo sich die Privatwohnung des Ministerpräsi-
denten Tsaldaris befindet. Die Menge führte
zahlreiche Fahnen und Schilder mit sich mit den
Aufschriften: „Tod den Verrätern!",
„An den Galgen mit Venizelos!" Einige trugen
Nachahmungen von Galgen mit der lleberschrift:
„Hängt alle Schufte auf!" Der Platz vor dem
Hause des Ministerpräsidenten war schwarz von
Menschen.
Ministerpräsident Tsaldaris erschien in Be-
gleitung des Kriegsministers Kondylis und des
Ministers Metaxas auf h^m Balkon. Alle drei
Minister hielten Ansprachen ^n die Menge,
in denen sie ihre Freude 'über die letzten Er-
eignisse und- die innere i^friedung des Landes
Ausdruck gaben. Die Menge, die die Minister
mit anhaltenden begeisterten Zurufen begMte
und immer wieder der Freude über die schnelle
Niederschlagung des Aufstandes Ausdruck gab,
zerstreute sich dann in voller Ruhe und
Ordnung.


DRV. Sofia, 12. März.
General Kamenos, der mit seinen Beglei-
tern morgen in Karlowo interniert werden soll,
schilderte einem Pressevertreter die Kampfhand-
lungen der letzten Tage und den Zusammen-
bruch der Revolutionäre in Mazedonien und
Thrazien.
Die Uebermacht der Regierungstruppen, so er-
klärte er, ser zu groß gewesen. Er selbst habe
Aushebungen innerhalb der Zivilbevölkerung
vorgenommen, jedoch habe es an Ausrüstungs-
material gefehlt. Die Revolutionäre hätten sich
schließlich gezwungen gesehen, vor der vier-
fachen Ueber macht den Rückzug über d^e
Struma nach der bulgarischenErenze anzutreten,
wober sie unter den Bombenflugzeugen der Re-
gierungstruppen stark zu leiden gehabt hätten.
Als die Niederlage der Aufständischen offenkun-
dig geworden sei, habe er mit den Offizieren
seines Stabes zunächst die Absicht gehabt, über
Dedeagatsch nach der Insel Kreta zu flüchten.
Dies sei indessen durch das verspätete Eintreffen
des Kreuzers „Aweroff" vereitelt worden. Der
General bezeichnete dann die Meldung daß sein
Generalstabschef, Oberst Vakardjis, Selbstmord
verübt habe, als unrichtig. Oberst Bakärdjis be-
finde sich unter den nach Bulgarien geflüchteten
Offizieren. General Kamenos wandte sich auch

entschieden gegen die Nachrichten, daß sein Stab
über 60 Millionen Drachmen mit nach Bulga-
rien genommen habe. Alle geflüchteten Offiziere
verfügten zusammen nur über 185 000 Drach-
men, die ihr persönliches Besitztum darstellten.
Ueber die Ursachen befragt, die ihn veran-
laßt hätten, den offenen Kampf gegen die Re-
gierung aufzunehmen, erklärte General Kamenos
lediglich, diesen Kampf für den Fortschritt Grie-
chenlands geführt zu haben.
Venizelos auf der Insel Kasos
Der Kreuzer „Aweroff" stellt sich der Regierung
zur Verfügung
DNB. Athen, 12. März.
Der Kreuzer „Aweroff" hat Venizelos und
die übrigen Aufständifchen-Führer, die sich an
Bord befinden, auf der zur 12-Insel-Eruppe ge-
hörenden Insel Kasos an Land gesetzt. Die ge-
flüchteten Aufrührer befinden sich somit aus
italienischem Hoheitsgebiet. Der
Kreuzer „A werofs" wird in das Arsenal von
Salamis zurückkehren und sich der Regierung
Tsaldaris zur Verfügung stellen.
Vor ihrer Abreise von Kreta haben die Auf-
ständischen-FLHrer die dortigen Staatskassen,
Banken und Zollämter ausgeplündert.
Von amtlicher italienischer Seite
ist am Dienstag abend die Nachricht bestätigt
worden, daß Venizelos von Italien sofort
interniert wurde. Er wird als politischer
Flüchtling betrachtet und soll dementsprechend
nicht ausgeliefert werden.
Ein griechisches Unterseeboot, das sich der Auf-
standsbewegung angeschlossen hatte, hat nach
einer Mitteilung von unterrichteter italienischer
Seite die zur 12-Insel-Gruppe gehörende italie-
nische Insel Papmos angelaufen. Die italieni-
schen Behörden haben die aus acht Offizieren,
einem Zivilisten und etwa 30 Mann bestehende
Besatzung sofort auf der Insel interniert.
Venizelos zieht sich endgültig von der Politik
zurück
In der Nacht zum Dienstag kam es im Haupt-
guartier der Aufständischen in Kanea - auf
Kreta noch zu einem überraschenden Zwischen-
fall . Es erschien plötzlich ein Flugzeug, das
von den Aufständischen für ein Regierungsflug-
zeug gehalten und heftig beschossen wurde. Das
Flugzeug landete darauf und nun stellte man
fest, daß sich an Bord einige französische
Journalisten befanden, die Venizelos um
eine Unterredung ersuchen wollten. Venizelos

NdZ. Berlin, 12. März.


Im letzten Jahrzehnt sind dre Arbeitsgebiete
des Handwerks in erheblichem Umfange und in
steigendem Maße beeinträchtigt worden, einmal
durch den technischen Fortschritt, zum anderen
durch die Wandlung in der Stil-und Geschmacks-
richtung in Verbindung mit einer Aenderung der
Lebensgewohnheiten. Üeber die Maßnahmen, die
mit Erfolg gegen diese Entwicklung vom Hand-
werk ergriffen werden, unterrichtet ein Artikel
des Referenten im Reichsstand des deutschen
Handwerks, Diplomvolkswirt Steuernagel.
Während die Maßnahmen des Handwerks bis
zum Jahre 1933 sich hauptsächlich auf die Ab-
wehr beschränkten, sei das Handwerk im neuen
Staat zum Angriff übergegangen. Durch die
Verwendung von Motoren und Maschinen sowie
technischer Neuerungen sei verhindert worden,
daß die Industrie einzelnen Handwerkszweigen
noch mehr Gebiete entriß. Verschiedene Hand-
werkszweige hätten bereits erkannt, daß die
Aufgabe darin bestehen müsse, planmäßig die

empfing die Journalisten und erklärte ihnen,
daß er sich nach dem Fehlschlag des Aufstandes
endgültig von der Politik zurückziehen wolle.
Auf den Inseln Chios, Samos und Mytilene
wurden im Laufe des Dienstag die von den
Aufständischen vertriebenen Regierungsbehör-
den wieder in ihre Aemter eingesetzt.


Der Präsident der Republik Zaimis hat an
das griechische Volk einen Aufruf gerichtet, in
dem es u. a. heißt:
Hellenen!
Nach der Niederwerfung des Aufstandes, der
Griechenland von Grund auf zu zerstören drohte
und gegen den sich nicht nur das hellenische Volk,
sondern auch die gesamte Weltöffentlichkeit ge-
wandt hatte, ist es mein Wunsch, der Regierung
des Landes die Anerkennung der Nation dafür
auszusprechen, daß durch ihre feste Haltung,
durch ihre umsichtigen Maßnahmen und ihr
rasches Zugreifen Bürgerkrieg und Selbstzer-
fleischung beschworen, das Vergießen von Bru-
derblut verhütet und Griechenland von der
nationalen Zerstückelung bewahrt worden ist,
die mit soviel Vermessenheit versucht worden ist.
Als Chef der Streitkräfte zu Lande, zur Luft
und zur See (gemäß Artikel 81 der Verfassung)
wünsche ich, daß die Minister des Innern, des
Kriegs-, Marine- und Flugwesens sich zu Dol-
metschen der nationalen Dankbarkeit machen und
meine Glückwünsche allen Offizieren und Mann-
schaften der Armee, der Flotte, der Flugstreit-
kräfte, der Gendarmerie und der Polizei aus-
sprechen, die durch ihre Ergebenheit der gesetz-
mäßigen Regierung gegenüber, sowie durch ihre
tapfere Anteilnahme an dem gemeinsamen
Kampf gegen den Aufstand ein Blutvergießen
vermieden haben.
Hellenen!
Meine Eigenschaft als erster Staatsbeamter
und die Tatsache, daß ich während meines lan-
gen politischen Lebens Zeuge einer großen Reihe
geschichtlicher Ereignisse in Griechenland gewesen
bin, geben mir das Recht, an das Volk der
Hellenen den Aufruf zu richten, Ordnung zu be-
wahren, der Regierung zu gehorchen und un-
trennbar zu bleiben in dem Vertrauen auf das
Vaterland und seine Zukunft!"

verlorengegangenen Arbeitsgebiete zurückzuer-
obern. Eine Reihe von Handwerkszweigen habe
Lieferungsgenossenschaften errichtet, das Bau-
handwerk schuf Arbeitsgemeinschaften zur ge-
meinsamen Uebernahme großer Bauausführun-
gen. Im Schuhmacherhandwerk seien Bestrebun-
gen vorhanden, durch Herstellung eines soge-
nannten Volksschuhes Kunden für das Hand-
werk zurückzugewinnen. Wenn sich aber Wand-
lungen im Bedarf und in den Techniken voll-
zogen hätten, dann sei es die Aufgabe des Hand-
werks, für rechtzeitige Anpassung zu sorgen. Das
Handwerk könne auch sein Arbeitsgebiet durch
die Gewinnung völlig neuer Arbeitsgebiete er-
weitern. So seien beispielsweise dem Maler-
handwerk durch die Arbeit des Amtes für Schön-
heit der Arbeit weite Möglichkeiten eröffnet.
Die Tatsache, daß viele Familien wieder Erin-
nerungen und Dokumente ihrer Vorfahren sam-
melten, könne sich das Handwerk durch Schaffung
von Laden und Truhen zunutze machen. Schließ-
lich ser auf den Geschmackswandel hinzuweisen,
der sich im neuen Deutschland vom Serienpro-
dukt zum handgearbeiteten Erzeugnis angebahnt
habe. Hier würden namentlich den Kunsthand-
werkern neue Absatzmöglichkeiten eröffnet.

Das NeichswahlbüroderDAFfürditz
Vertrauensratswahlen teilt mit:


Der letzte Tag für die Auslegung der Listen
für die Vertrauensratswahlen am 12. und 13.
April 1935 ist der 28. März. Nach diesem Tage
werden keine Listen mehr angenommen. Die
Wahipropaganda setzt schlagartig mit dem 2.
April ein und findet ihren Höhepunkt am 9. und
10. April. Die bekanntesten Führer der Bewe-
gung und der Deutschen Arbeitsfront werden zu
den Gefolgschaften der Betriebe sprechen. Als
Wahltag ist der 12. und 13. April vorgesehen.
Nur an diesen beiden Tagen wählen die Gefolg-
schaften ihre Vertrauensräte.


DNB. Berlin, 12. März. Am Dienstag, den
12. März, 9 Uhr ist der Fernsprechverkehr zwi-
schen Berlin und Tokio eröffnet worden. Als
erste Gespräche sind Begrüßungsansprachen zwi-
schen den Vertretern der Reichsregierung, dem
Reichsminister des Auswärtigen und dem
Reichsverkehrs- und Reichspostminister und den
Vertretern der japanischen Regierung, dem
japanischen Minister des Auswärtigen und dem
japanischen Verkehrsminister ausgetauscht wor-
den. Außerdem wurden Ansprachen gewechselt
zwischen dem Reichsleiter des Außenpolitischen
Amtes der NSDAP sowie dem Präsidenten der
Neichswirtschaftskammer einerseits und dem
Vertreter des Internationalen Kulturinstitutes
in Tokio und dem Präsidenten des Verbandes
der japanischen Handelskammern andererseits.

Unberechtigte Ansprüche an das Reich


NdZ. Berlin, 12. März.
Vor einigen Tagen ist die erste Durchfüh-
rungsverordnung zum Gesetz über den Ausgleich
bürgerlich-rechtlicher Ansprüche ergangen. Da-
mit sind, wie Ministerialrat Dr. Hoche vom
Reichs- und preußischen Innenministerium im
Neichsverwaltungsblatt mitteilt, die Voraus-
setzungen für die praktische Durchführung des
wichtigen Gesetzes gegeben, das die Möglichkeit
geschaffen habe, zivilrechtliche Folgen, die sich an
politische Vorgänge der nationalsozialistischen
Erhebung geknüpft haben, nicht nach formal-
rechtlichen Normen, sondern in dem echt natio-
nalsozialistischen Geist materieller Gerechtigkeit
zu liquidieren. Nach dem Gesetz erlöschen An-
sprüche, wenn sie nicht bis zum 31. März 1935
geltend gemacht sind. Der Referent weist daraus
hin. daß der Anwendungsbereich des Gesetzes in
den beteiligten Kreisen vielfach mißverstanden
worden sei. Volksgenossen, die seit der Macht-
übernahme durch den Nationalsozialismus sich
in ihrem Fortkommen oder in ihrem Erwerb
geschädigt fühlen, hätten geglaubt, auf Grund
des Ausgleichsgesetzes beim Reichsinnenminister
einen Anspruch auf Entschädigung anmelden
oder sogar Klage gegen das Reich auf Gewäh-
rung eines Ausgleiches erheben zu können.
Diese Ansicht widerspreche dem Grundsatz, daß
jeder Einzelne gewisse Nachteile, die ihm durch
politische Vorgänge der nationalsozialistischen
Erhebung erwachsen sind, im Interesse der Ge-
samtheit grundsätzlich auf sich zu nehmen habe.
Sie sei auch mit dem klaren Wortlaut des Ge-
setzes unvereinbar. Das Ausgleichsgesetz be-
gründe überhaupt keinen Anspruch. Nur wenn
ein ausgleichbarer Anspruch bereits rechtsan-
hängig sei, könne der Reichsinnenminister die
Entscheidung an sich ziehen. Ohne vorherige ge-
richtliche Geltendmachung des Anspruches könne
das im Ausgleichsgesetz vorgesehene Verfahren
niemals zum Zuge kommen.
 
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