Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jahrbuch für Photographie und Reproduktionstechnik — 6.1892

DOI Heft:
Original-Beiträge
DOI Artikel:
Dechy, Moritz von: Künstlerische Streitfragen in der Photographie
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44412#0175

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Künstlerische Streitfragen in der Photographie.

161

glaubte man jetzt auch noch vorerst die Frage beantworten
zu müssen: „Ist Photographie Kunst?“ Nun folgten die be-
jahenden und verneinenden Antworten: „die Photographie ein
Hülfsmittel der Künste,“ oder „die Photographie als Hinderniss
für die Künste,“ oder „die Photographie als Magd (Handmaid)
der Künste“ und so fort in endloser Variation.
Dann gelangten die verschiedenen Richtungen in der
sogenannten „künstlerischen“ Photographie zur Behandlung:
Naturalismus, Realismus, Impressionismus u. s. w. Schier
endlos wurden ihre Mittel: Differential-Focus, sphärische
Aberration, Focusdiffusion, artistischer Focus und Beseitigung
der optischen Linse, der Besprechung unterzogen und endlich
trat das schwere Geschütz in den Kampf, Studien über Wieder-
gabe der Tonabstufungen, der Lichtwerthe, die Discussion über
die Untersuchungen von Hurter und Driffield, — alles in
der Anwendung auf die Photographie als Kunst. — Am höchsten
aber schlugen die Wellen, als Emerson der Meister, urplötzlich,
ohne jede Warnung, wie ein Blitz vom heiteren Himmel in
einer Renunciation die früher geäusserten Ansichten abschwur,
naturalistische Photographie und das was er mit derselben zu
erreichen wünschte als Utopie bezeichnete, alles was er früher
hierüber geschrieben auf einen Haufen warf und ein gräuliches
Autodafe anzündete. „Die Begrenzung der Photographie ist
so gross — sagt Emerson — dass — obgleich die Resultate
in manchen Fällen ein gewisses ästhetisches Vergnügen bieten
können — das Medium immer am tiefsten unter allen Künsten
stehen muss und weiter: „Die Photographie kann neueThatsachen
in Bezug auf Lieht, Form und Gefüge registriren,“ „reine
Photographie ist eine wissenschafliche Methode des Zeichnens.“
Wir sehen also nicht nur die Richtungen, in welchen die
Photographie ihre Ziele in künstlerischer Beziehung erreichen
soll, sich gegenüberstehen, sondern die Berechtigung der
Photographie als eine Kunst zu gelten wird wieder lebhaft
umstritten — eine übrigens alte Geschichte.
Eine Fluth kunstkritischer Abhandlungen über die Photo-
graphie brach nun herein. — Es kann jedoch aus denselben
kaum etwas Neues geschöpft werden. Grösseres Interesse
beansprucht vielleicht die entstandene Discussion über photo-
graphische. Perspective, ihre Richtigkeit und der Gegensatz
zwischen dieser und zwischen malerischer Perspective. — Wir
beschränken uns jedoch aus der Masse des in die Erscheinung
Getretenen im Anschlüsse an die im Vorjahre kurz gekenn-
zeichneten verschiedenen Richtungen folgendes nur in Bezug
auf die Focusfrage herausgreifen.

11
 
Annotationen