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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Luthmer, Ferdinand: Die Erziehung des Publikums
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Behr, Carl: Ueber Dekoration und Möblirung unserer Wohnräume, [10]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0118

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Seite 102.

Lachblatt für Innen-Dekoration".

Nr. 13.

des Kindes, um die Unterscheidung zwischen Recht und Unrecht (hier
„Schön" und „Häßlich"), um die Hintanhaltung schlechter Beispiele, die
Vorführung nachahmenswerther? Kämpft man nicht hier wie dort mit
der Trägheit, dem eingewurzelten Mißbrauch, dem Schlendrian? Wir
dächten, es ließen sich so viele Berührungspunkte zwischen den
beiden Thätigkeiten auffinden, daß hier das Wort „Erzieh-
ung" wohl am Platz wäre.

Ein Beispiel, wer eine solche Erziehung einzusetzen hat,
wird die Sache klarer machen, als viele theoretische Erörter-
ungen. Wir finden einen großen Unterschied in
Mitteln, welche die verschiedenen Nationen auf
die Verschönerung ihrer persönlichen Umgebung,
also für den häuslichen Kunstgeschmack aufwenden.

Wollen wir die Völker hiernach ordnen, so steht
England und Frankreich ganz oben, Italien ganz
unten in dieser Reihe, unser deutsches Vaterland,
welches noch vor zehn Jahren den untersten
Platz seinem südlichen Bundesgenossen streitig
machte, ist allmälig aufgerückt. Das gibt zu
denken I Ist es allein der durchschnittliche Wohl-
stand, welcher diese Reihenfolge bedingt? Wir
glauben nicht; wir glauben vielmehr, daß die
Geldmittel, welche ein bestimmter Gesellschafts-
kreis auf die Verschönerung seiner häuslichen
Umgebung verwendet, direkt abhängig ist von
dem Werthe, den er auf eine behagliche, kunst-
schöne und fein durchgebildete Häuslichkeit legt.

Ist es von diesem Gesichtspunkte aus nicht un-
endlich bezeichnend, daß wir Deutschen in Bezug
auf die Ausstattung unserer Wohnung eine
Stufe einnehmen, die gegenüber dem vielgerühm-
ten deutschen Familienheim eine verhältnißmäßig
tiefe ist, während wir in der Prachteutfaltung
unserer Kneipen und Kaffeehäuser uns von keinem
Volke überflügeln lassen? Man sehe zum Be-
weis die immer neu entstehenden Bierpalüste,

Pschorr, Sedlmaper usw. unsrer Neichshauptstadt,

Cafä Luitpold in München u. A. Es ist ja gewiß nicht zu tadeln, daß diese
Art Geschäfte die Mitwirkung der Künste benutzen, um Reklame zu
machen und die Konkurrenz zu besiegen. Wenn man aber die dekorirenden
Künste und ihre immer größere Entfaltung als einen richtigen Faktor

des Volkswohlstandes ansieht, so kann es uns nicht genügen, daß sich
die reichste Betätigung desselben auf einzelne öffentliche Lokale be-
schränkt, während selbst unsere besseren Stände, unsere höheren Beamten,
die Großindustriellen, soweit sie nicht in den großen Städten wohnen,
in ihrer Wohnungseinrichtung einer Bescheidenheit fröhnen,
welche in Frankreich selbst dem kleinen Fünftausend-Frank-
Rentner zu bescheiden sein würde. Hier wäre also eine
Stelle, wo die erziehende Thätigkeit im obigen Sinne ein-
greifen könnte, um unsere guten Deutschen zu veranlassen,
ihrem in letzter Zeit stark entwickelten Nationalstolz eine
andere Richtung zu geben! Es kommt ja nur
auf eine andere Vertheilung, nicht auf eine Er-
höhung der Ausgaben an: etwas Weniges an
dem Budgetposten für Wirthshausbesuch und
Aehnliches gespart und das Ersparte den Aus-
gaben für die Verschönerung des eigenen Heims
zugesetzt — und das einfache Exempel ist gelöst!

Der Gelegenheiten, in dem durch dieses
Beispiel angedeuteten Sinne auf das Publikum
einzuwirken, gibt es nun recht mannigfaltige.
Am meisten wirkt immer nur das Beispiel.
Jede kunstschön; Hausausstattung ruft in dem
Bekanntenkreis des Besitzers unfehlbar Nach-
eiferung hervor. Das ist eine Erfahrung, die
jeder Architekt und Dekoratör bestätigen wird.
In gleicher Weise wirken Ausstellungen, auf
denen die Reihe der „Musterzimmer" ja längst
zu einer ständigen Einrichtung geworden sind.
Wer wollte leugnen, daß gerade unter diesen
„Musterzimmern" unendlich viel Übertriebenes,
Theatralisch - Prunkvolles und Stilwidriges dem
Publikum in letzter Zeit vorgeführt worden ist.
Aber gerade die öffentliche Kritik und Besprech-
ung, die sich an solche fehlerhafte Leistung knüpft,
enthält oft mehr erziehendes Material für den
Geschmack der Allgemeinheit, als selbst das tadel-
los Gute.

Auch unsere Kunstgewerbevereine, sofern sie permanente Ausstellungen,
Gewerbehallen oder Aehnliches in den Kreis ihrer Veranstaltungen aus-
genommen haben, wirken, namentlich in kleineren Städten unendlich mit
zur Klärung und Veredelung des Geschmacks, namentlich wenn dieSchau-

Mever Hello ealiott und
unserer

Von Carl Behr.

II. Das deutsche Waus und seine Räume.

(Fortsetzung.)

Mist aber die malerische Dekoration Selbstzweck und werden dadurch
unpraktische und für den Bewohner unangenehme, nicht zweckent-
sprechende Anordnungen nöthig, so sinkt die Ausstattung des Raunies
zur Theater-Dekoration herunter und hat keinen andern Werth, als das
Auge zu blenden. Dekorations-Gegenstände aller Art sind wohl nöthig,
ohne dieselben sieht der Raum häufig leer und kalt, unbewohnt und
ungemüthlich aus, aber diese Objekte müssen in innigem Zusammenhangs
mit dem Bewohner stehen, sie müssen gewissen wirklichen Liebhabereien
oder Bedürfnissen entsprechen, nicht nur so hingestellt sein, um den Platz
auszufüllen. Es sind deshalb imitirte gegossene Waffen für Dekorationen,
so wie die meisten Imitationen nicht zur Dekoration zu empfehlen.
Die Gegenstände müssen, wie gesagt, in irgend welchen Beziehungen
zum Bewohner stehen, es müssen Andenken an liebe Bekannte, Er-
innerungen an Reisen oder an irgend welche Vorkommnisse sein. Sie
dürfen vielleicht auch einer Liebhaberei für gewisse Sachen entspringen,
wohl auch eine Sammlung von bestimmten Sachen darstellen: in diesem
letzteren Falle muß ihnen aber ein gewisser Kunstwerth zu Eigen sein.
Gute Nachbildungen sind unter Umständen zulässig, jedoch nur dann,
wenn der Bewohner des Raumes eine wirkliche Liebhaberei für das

Original hat, und wenn dieses selbst für ihn entschieden unerreichbar
ist und wenn die Imitation an und für sich einen gewissen künstlerischen
Werth repräsentirt. Kunstgegenstände aller Art, wenn sie wirklich Kunst-
gegenstände sind, sind als Dekorationsobjekte selbstredend immer zulässig,
nur darf das Zimmer damit nicht aufdringlich überladen sein, und
müssen dieselben hübsch und das Auge erfreuend und befriedigend ihre
Aufstellung gefunden haben.

Behängt z. B. ein Emporgekommener- der nie eine Schießwaffe zum
Gebrauch in Händen hatte, seine Wände mit Jagdtrophäen aller Art,
nur um zu dekoriren, so wird ein solches Beginnen immer im gewissen
Sinne lächerlich erscheinen. Sind aber diese Waffen werthvolle und
interessante, kunstgewerblich nicht unbedeutende Beispiele eines gewissen
Landes oder einer gewissen Zeit und hat der Besitzer Liebhaberei und
Verständniß für diese Arbeiten, so bildet eine daraus zusammengestellte
Trophäe oft einen ebenso interessanten wie berechtigten Zimmerschmuck.
Wir werden später bei Besprechung der Dekoration des Speisezimmers
auf diese Art des Zimmerschmuckes zurückkommen, dieselbe ist so wesent-
lich und so bezeichnend für den Bewohner des Raumes, daß sie nicht
genug erörtert werden kann.

Das im Karakter und räumlich dem Salon zunächst liegende Zimmer
ist gewöhnlich das Damenzimmer oder das Boudoir. Nicht jeder Be-
sucher wird in dasselbe hineingeführt, es ist das Allerheiligste der Dame
vom Hause und wenn auch im gewissen Sinne Empfangszimmer, so doch
nicht für jeden Besuch, sondern nur für die besseren Freunde des Hauses,
für eine liebe Freundin oder für Verwandte. Es ist eigentlich ausschließ-
lich Damenzimmer und demgemäß auch auszustatten. Eine möglichst freie
Art des Ameublements ist auch hier immer erwünscht, wenn auch der
Raum bedeutend kleiner ist wie der angrenzende Salon. Darf in diesem
 
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