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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 12.1932

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Heft 1 (Januar 1932)
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Herrmann, Hans: Gefahr!
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Kolb, Gustav: Zum Nachdenken
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https://doi.org/10.11588/diglit.28170#0024

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haben eiiahten, daß die Dinge nicht so
einfach liegen, wie es den Anschein hat,
und daß die umfangreiche Probeaufgabe,
die Meißner als durchaus unkünstlerisch
iür die Mittelstufe vorschlägt, die Zeich-
nung eines Pflanzenatlasses, sehr wohl
auf das Gebiet des Künstlerischen über-
greifen kann. Aber von der Kunst scheint
or merkwürdige Begriffe zu haben, er
denkt wohl an Ölfarbe, Schlapphut und
phantastische Einfälle. Dann darf er aber
in unseren Dingen nicht mitreden und wir
können ihm nur den Rat geben, er möge
doch einmal die Lehre von Gustaf Britsch
studieren, damit er eine Ahnung von den
geistigen Kräften bekommt, die nicht dem
Verstände angehören und dennoch klar
und hell im Menschen liegen. Wenn er
dieses Buch verstanden hat, dann wird es
ihm nicht mehr einfallen, den Teufel mit
Beelzebub austreiben zu wollen, d. h. die
Schäden einer Zeit dadurch zu heilen ver-
suchen, daß er sie in Bausch und Bogen
als „gültig" hinstellt und aus ihren Be-
sonderheiten (und Mängeln sogar) in merk-
würdigem Irrtum die Grundsätze zu ge-
winnen sucht für eine Neuordnung der
Schule.— Wenn Meißner auch ihre eigent-
liche Bedeutung nicht erkennt, so kann er
doch die bildnerischen Kräfte nicht ganz un-
beachtet lassen und in den unteren Klas-
sen wird ja ihre Wirksamkeit sogar in der
Schule geduldet. Auch für die älteren Schü-
ler erkennt er das Vorhandensein des
Bildnerwillens an, wenn er ihm auch die
naturhafte Gewalt abstreitet, die er in der
früheren Jugend besitzt. Aber hier sollen
die Schüler auf sich selber angewiesen
sein, gerade in den Jahren, wo die mei-
sten Gefahren des Mißverständnisses und
des Irrtums drohen, soll ihnen die Stütze
entzogen werden. Es zeugt von fast ver-
brecherischer Gutgläubigkeit, wenn man
annimmt, daß nun die Entwicklung von
allein weitergehe, wie sie eben vorbe-
stimmt sei. Gewiß werden die, denen eine
besondere Fähigkeit mitgegeben ist, nicht
iu Grunde gehen; um sie geht aber die
erste Sorge des Lehrers gar nicht, sondern
um den Durchschnitt an Begabung, der
durch sinnvolle Betreuung auf die Seite
der Bildung gezogen werden kann, der
er sonst verloren geht. — Das ist unsere
ernsthafte Entgegnung auf einen leichtfer-
tigen Angriff.


BUCHEN ZWE I G. Nach vorheriger Beobachtung aus dem Gedächtnis
gezeichnet. (Mädchen-Realschule Göppingen,
Zeichenlehrerin Helene Röfjler)

ZUM NACHDENKEN

Bogroifen — Schauen
Was man begreifen will, dem muß man gegen-
überstehen, von welcher Voraussetzung alles Erken-
nens der Name „Gegenstand" unwiderleglich Zeugnis
gibt. Fine allzugroße Nähe des Gegenstandes schadet
dem Überblicken. Das Nahesein hält den Blick an
einem Punkte fest, vereinzelt den Gegenstand der
Nahbetrachtung und führt unausweichlich zu jenem
Alomismus des Denkens der Schulwissenschaft, wäh-
lend die horizonterweiternde Ferne ein gleichsam
wanderndes Auge fordert, das dem Glauben
un die gegenständliche Einzelheit die Totalität
eines Bildes entgegenhält... Nur das Bild, die
Vision hält stand im Scheidewasser der Aufmerksam-

keit und zwingt den Geist zur unwiderstehlichen Über-
zeugungskraft. Die Ferne aber taucht die unvollstän-
dige Wirklichkeit nur „fixierter" Gegenstände in ein
All der Betrachtung zurück und leiht dem stets unter-
scheidenden Tagesblick des Bewußtseins etwas von
der synthetischen Providenz des Seherauges. „Man
muß das Ganze haben, ehe man es mit Erfolg un-
ternimmt, die Teile zu erforschen. Man kann wohl das
Ganze in Teile zerlegen, nicht aber umgekehrt jemals
aus diesen jenes zusammensetzen, es sei denn, man
habe aus ihm für den Gang der Zusammensetzung die
leitende Vorstellung gewonnen."
Aus Ludwig Klages: Die Grundlagen der Charakierkunde.
(Boi Ambrosius Barth, Leipzig.)

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