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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 12.1932

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Heft 1 (Januar 1932)
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Dopfer, Helene: Wie unsere Springerle entstanden sind
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Kolb, Gustav: Vom Naturstudium im Zeichen- und Kunstunterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.28170#0026

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HELENE D Ü P F E R - S C I I W. 6 IVI U IM D :
WIE UNSERE SPRINGERLE ENTSTANDEN SIND. (Siehe Abb.s.6)

Wir waren voll Arbeitsfreude und Arbeitswille.
Ein Backwerk — selbsterdacht — der Mutter
unter den Christbaum legen; das wird eine besondere
Freude seinl
Und fertig bringen werden wir es auch; denn un-
seie Großeltern und Urgroßeltern haben es auch ge-
konnt. Das sahen wir an den herrlichen alten Sprin-
gerles-Modeln, von denen wir da und dort in Gmünd
welche sahen. Und die schönen Sachen, die wir da
liineinzaubern wollten, diese spukten schon lange in
unseren Köpfen herum.
Weitere Gedanken machten wir uns nicht um unsere
Arbeit, — auch ich nicht.
Messer hatten wir von unserem Linolschnitt und
Holz gab es beim Schreiner. Wir ließen uns verschie-
denes Holz geben. Linde, Kirsch, Nuß. Beim Schneiden
merkten wir dann bald, daß nur ganz hartes Holz,
iim besten Nuß sich für unsere Arbeit eignete.
Nun ging der Kampf an; denn es war wirklich ein
Kampf, den wir führen mußten mit unserem Werkzeug
und Werkstoff.

Von unserem Flachschnitt waren wir an eine flache
Führung der Messer gewöhnt. Wir sollten nur aus dem
Holz die Form herausholen. Dies verlangte eine mehr
steile Messerführung. Unser Holz war sehr hart — un-
sere Messer nicht scharf genugl Wir verstanden nicht,
das Werkzeug dem Werkstoff anzupassen. Das mußten
wir uns alles erringen und nach einigen Stunden
merkte ich, daß einige von meinen Mädchen (es waren
16—17jährige) den Kampf nicht weiterführen wollten.
Auch war es eine nicht zu unterschätzende Schwie-
rigkeit, daß das Bild nicht auf der Fläche, sondern
in der Tiefe liegen muß. Wir waren immer geneigt,
mehr das flache, als das vertiefte Bild zu sehen.
Ein wahres Hochgefühl ist es aber, wenn man so
nach und nach spürt, daß man die Arbeit meistert und
ich war für meinen Einsatz an Willenskraft reichlich
belohnt, als ich immer wieder einen hellen dank-
baren Blick sah, der sagte: „So jetzt können wir's."
Und als die großen Mädchen eist ans Backen gin-
gen und mir stolz ihre wohlgelungenen Backwerke
zeigten — da strahlten alle unsere Gesichter: W e i h-
nachtsfreudel

GUSTAV KOLB-STUTTGART:
Vom Naturstudium im Zeichen- und Kunstunterricht. (Zu unseren Abbildungen)

Bei der Betrachtung der Natur im grofjen wie im kleinen hab'
ich unausgesetzt die Frage gestellt: Isl es der Gegenstand
oder bist du es, der sich hier ausspricht? Goethe.
Naturstudium? — welch weiter Begriff: Wir wollen
ihm an einigen Pflanzenzeichnungen nachgehen.
Unsere Abbildung Seite 10 gibt eine in Bleistift
üusgeführte Schülerzeichnung (O.P.) in natürlicher
Giöße wieder. Sie ist, wie man z. B. an den Um-
klappungen und Überschneidungen sofort erkennt,
unmittelbar vor der lebenden Pflanze entstanden.
Worauf kam es dem Zeichner an? Ohne Zweifel: er
wollte sein Vorbild so objektiv richtig wie möglich,
so, wie er es sah, wiedergeben. Objektiv richtig? —
Enthielt sein Vorbild etwa Linien? Niemand wird das
behaupten wollen. Der Zeichner mußte vielmehr sein
Vorbild, das als Farbfleckbild vor ihm stand, während
des Zeichnens in ein lineares Gebilde übersetzen.
Daiin liegt schon eine Veränderung des objektiven
Sachverhaltes. An Stelle der Naturerscheinung trat
ein abgezogenes, geistiges Gebilde, das aber gleich-
wohl als sachlich in dem Sinn anzusprechen ist, als
der Zeichner der Phantasie bei seiner Arbeit keinen
Spielraum gewährte. Wir haben hier eine gewissen-
hafte sachliche Naturbeschreibung vor uns, die be-
stimmte individuelle Erscheinungen des Vorbildes, so-
weit sie sich in Linien übertragen ließen, festhäh.
Iiotzdem nun aber der Zeichner sich bemühte, den
Gegenstand sprechen zu lassen, wird der
jufmerksame Betrachter feststellen können: Die Zeich-
nung ist auch lebendig, frisch empfunden. Sachliche
Haltung schließt Gefühlsdurchdringung nicht aus.
Sachlich gezeichnet ist auch der Buchenzweig
(Abbildung Seite 23). Diese Zeichnung ist aber, wie
man sofort sieht, nicht unmittelbar, vor der Natur
entstanden. Es fehlen alle Umklappungen, Überschnei-
dungen und Verkürzungen bei den Blättern und auch
sonst alle Einzelheiten der individuellen Erscheinung.
Dei Fachmann erkennt: Die Zeichnung ist nach vor-
hotiger Beobachtung aus dem Gedächtnis ent-
standen. Dorum das. Allgemeingültige, Typische der
üldttformen. Sie enthält eben nur das, was sich die
kleine Zeichnerin (U. T.) merken konnte. Merken

kann man sich aber immer am ehesten das Wesent-
liche, das unabhängig von den wechselnden Erschei-
nungen immer wiederkehrt, also die Grundformen.
Wenn man in Betracht zieht, daß die Zeichnung ohne
Vorzeichnung unmittelbar mit dem Pinsel ausgeführi
ist, kann man sie schon gelten lassen. Jedenfalls ist
es ihr gelungen, das charakteristische Bild eines
Buchenzweiges, seiner typischen Blattform und Ver-
zweigung vor uns hinzustellen. Die Grundhaltung der
Zeichnerin war auch hier, den Gegenstand sprechen
zu lassen, nicht sich selbst auszusprechen. Und doch isl
im Unterschied zu der ersten Zeichnung etwas Neues,
ganz Eigenes dazugekommen: ich meine die klare
Anordnung der Bildformen in der Bildfläche, die
.der gesehene Buchenzweig sicher nicht zeigte.
Der Mistel zweig (Abbildung Seite 22) ist von
„bewußter Hand" nach unmittelbarer Anschauung ge-
zeichnet. Die Blätter zeigen Zufälligkeiten der indivi-
duellen Erscheinung; die Stiele samt ihren Verzwei-
gungen dagegen sind auf das Wesentliche der StruK-
tur hin gesehen. Und dieses Pflanzen-Anatomische isl
mit den einfachsten linearen Mitteln überaus klar sach-
lich gezeichnet. Dieser Teil der Zeichnung ist das Er-
gebnis scharfen anschaulichen Denkens, das dem ob-
jektiven Formgesetz nachspürt und sich ihm unbedingt
verpflichtet fühlt. Von Phantasieleistung ist also auch
hier so wenig wie bei der vorhergehenden Zeichnung
etwas zu entdecken.
In eine andere Welt, in das Reich der Phantasie
versetzt uns nun aber Abbildung Seite 22: Weiden-
röschen. Die Arbeit ist in einer Mädchenklesse
(O.T.) entstanden. Voraus ging die Betrachtung von
Weidenröschen im Wald bei einem Lerngang. Hernach
wurde in der Schule aus der Vorstellung gezeichnet
und zwar, wie wir sehen, unmittelbar mit der Feder
und weißer Farbe auf schwarzes Papier. (Man wolle
beachten: Unsere Abbildung ist auf ein Drittel ver-
kleinert und wirkt gegenüber der Zeichnung unan-
genehm glatt.)
Jeder sieht es sofort: Der Zeichnerin kam es nicht
in den Sinn, den empfangenen Nalureindruck objek-
tiv wiedergeben zu wollen. Das von der Natur emp-

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