Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 12.1932

DOI Heft:
Heft 7 (Juli 1932)
DOI Artikel:
Stiehler, G.: Gegenwartsfragen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.28170#0122

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
(3, S 11 EIILER-LHIPZIG: GEGENWARTSFRAGEN

Die Gegenwart mit ihren drückenden wirtschaft-
lichen und heißumslrittenen politischen Fragen
berührt nicht nur den einzelnen Staatsbürger, das
Einzelmitglied einer Organisation, sondern rüttelt auch
am Bestand scheinbar festgefügter Verbände. Der
Kampf um die politische Machtergreifung im Staate
kann und darf die Berufs- und Fachorganisationen nicht
gleichgiltig lassen. Eine „neutrale" Haltung darf nicht
bedeuten ein Gehenlassen, ein Nichlinteressiertsein
der Leitung, der Einzelmitglieder. Das hat mit ein-
schneidender Deutlichkeit gezeigt die große deutsche
Lehrerversammlung Pfingsten ds. Js. in Rostock. Die
schulwissenschaftliche Abteilung Hamburg stand ge-
gen den Vorstand des deutschen Lehrervereins, der
überzeugt ist, in politischen Dingen neutral zu sein.
Die Sympathie für die Verfassung von Weimar, für die
politischen Parteien der Demokratie i. w. S., die Hal-
tung bei der Reichspräsidentenwahl glaubten Vertre-
ter der rechtsgerichteten Gruppen zu einem Vorstoß
gegen den Gesamtvorstand ausnützen zu können. In-
wieweit durch dergleichen Gegensätzlichkeit der
große deutsche Lehrerverein in Zukunft an innerer
Geschlossenheit verlieren wird, ist eine Angelegen-
heit von weittragender Bedeutung für alle nichtpoliti-
schen Fach- und Standesorganisationen. —,
Wir stehen auch auf dem Standpunkt, daß die
Parteipolitik nicht in die Schule und in
die Lehrerorganisationen gehört. Wirt-
schaftspolitische, innerpolitische Maßnahmen sind aber
durch die Notverordnungen in die Kreise aller Festange-
stellten, insbesondere der Lehrerschaft getragen wor-
den. Dadurch ist naturgemäß die Blickrichtung von den
engeren Berufsfragen auch auf die wirtschaftspolitische
innere Lage aller Lehrerorganisationen eingestellt wor-
den. Die Parteien betrachten die Schule als ein Politi-
kum; von links und rechts, von der Mitte aus sucht
man die Stätten der geistigen, künstlerischen Kultur
der Parteirichtung in meist einseitiger Weise dienst-
bar zu machen. Man fragt nicht nach der Idee der
Menschenerziehung, der Persönlichkeitserziehung, son-
dern sucht den werdenden Menschen zu richten nach
■ I«j111 l’i'njnimm '.lei l’miol, iku.Ii dum oulyuMulllun
„Stliulpioyiäinm". Verschiedene Parteien betonen die
Erziehung des deutschen Menschen. Die-
ses Ziel, abseits von internationalen Ideologien, ist
gewiß anzuerkennen. Mischt sich in dieses Ziel nicht
Unduldsamkeit, Überheblichkeit, politische Weltfremd-
heit, dann kann jeder deutsche Staatsbürger trotz aller
religiösen Unterschiede ein solches Ziel gutheißen.
Die Lehrerorganisationen müssen es. sich zur Pflicht
machen, die Programme der Parteien ihren Mitglie-
dern nahezubringen. Jedenfalls dürfen künftige Ereig-
nisse die Mitglieder der Lehrerorganisationen nicht
überraschen. Wir geben deshalb in Folgendem unseren
Lesern Kenntnis von der Stellung der natio-
nalsozialistischen Arbeiterpartei zu
Fragen der Erziehung. Auch der Lehrer für
Zeichen- und Kunstunterricht kann für seine küpftige
Stellung manchen Aufschluß erhalten. Wir wissen, ein
Programm ist noch keine Wirklichkeit, wird auch kaum
in vollem Umfang so zur Wirklichkeit durchgesetzt,
wie es gedruckt vorliegt. Aber steht die Machtergrei-
fung einer Partei dahinter, dann ist für wesentliche
Progimnmpunkte die Durchführung gesichert. Der Mün-
chener Universitätsprofessor Dr. Joh. Stark hat eine
aufschlußreiche Schrift über „Nationalsozialismus und
Lehrerbildung" (31), Veriag Frz. Eher, München, er-
scheinen lassen, mit der sich Lehrer aller Schulgattun-
gen beschäftigen müssen. Die Ausführungen Dr. Starks
werden vom Führer Hitler gutgeheißen und gedeckt.
Für den Dienst am Volke müssen alle Lehrer ihre Aus-
bildung an den bestehenden Hochschulen erhalten;

abgelehnt werden, insbesondere für die Volksschul-
lehrer, konfessionell gerichtete Akademien, abseits
der Hochschulen. Alle Lehrer sollen gleichgewertet
werden. Durch „die Erziehung zu Nationalbewußtsein
und sozialer Gesinnung und durch Heranbildung eines
an Körper und Geist wehrhaften Geschlechts haben
die Schulen in der Zukunft die Grundlage zu schaffen
für die nationale Einigung, für die Selbstbehauptung
und für die Höherentwicklung des deutschen Volkes".
Neben der religiösen, körperlichen, sittlichen Erziehung
wird der geistigen Ausbildung besonderes
Augenmerk gewidmet. Das Übermaß „gedächtnis-
mäßiger Inanspruchnahme", die „Überhäufung mit Lern-
stoffen" muß vermieden werden. Dafür hat die Schule
(Volks- wie höhere Schule) die „Gabe d e r Beob-
achtung und der Darstellung zu entwik-
keln und die Fähigkeit zu selbständi-
gem Urteilen und Denken zu wecken und
zu pflege n".
+ t f
Das sind gewiß keine neuen Gedanken; die Schul-
reformer haben für ein solches Ziel seit Jahrzehnten
sich eingesetzt, aber es muß immerhin als bedeutungs-
voll anerkannt werden, daß die größte politische Par-
tei Deutschlands in diesen klaren, schlichten
Worten ihr Programm umreißt.
In den nationalsozialistischen Zeitungen und Sondor-
veröffentlichungen spielt die Erziehung zu National-
bewußtsein, zu sozialer Gesinnung die Hauptrolle. Dei
Deutsche soll auf Grund seiner Geschichte und Ab-
stammung eine geschlossene Volksgemeinschaft bil-
den, wie es andere Nationen z. T, schon erreicht ha-
ben. Daher muß die Jugend wehrhaft erzogen werden,
wehrhaft an Körper und Geist. Neben der geistig-
seelischen Bildung betonen deshalb gegenwärtig die
nationalsozialistischen programmatischen Kundgebun-
gen die Wehrhaftmachung, das Willensgemäße, die
Erziehung von Führern; die Tatbereitschaft. Es muß sich
erweisen, daß diese wichtige Erziehung zu willens-
starkem Führertum, zu körperlicher Ertüchtigung, auch
in die liefe geistiger, seelischer, schöp
ferischer Arbeit weist, Wenn der „Lernschule"
Fehde angesagt wird, der Stoffülle und der zu star-
ken intellektuellen Schulung der Jugend, so kann man
von der zielsicheren Durchführung dieser gesunden
Grundsätze nicht nur eine Reform, sondern eine
grundlegende Umformung des gesam-
ten Schulwesens erwarten. Damit würde die
„Deutsche Schule", wie sie seit Jahrhunderten nach
der fremdsprachlichen Seite hin ihr Gepräge trägt,
einer vollständig neu aufgebauten Schule weichen, in
der die Fächer der Darstellung und Gestal-
tung eine bedeutungsvolle führende
Stellung einnehmen würden, Wertvolle Vor-
arbeit ist bereits geleistet worden durch die historisch
zu wertenden geistigen Bildungswellen der Kunst-
erziehung, der Arbeitsschule, der Jugend-
bewegung, die den selbstarbeitenden, den gestal-
tenden, den selbstbestimmenden Menschen gesucht
haben. Leider ist dieses schöpferische Arbeiten auf
den höheren Schulen nicht zur vollen Auswirkung ge-
kommen, weil Stoffülle, Lernzwang, Fremdsprachen-
herrschaft dem schöpferischen Menschen nicht Raum
gewähren konnten. Ein S c h u I u m b a u, ein Bil-
dungsumbau i. S. des nat.soz. Programms schafft
hier die Freiheit für Kraftentwicklung und T i e-
fenerlebnisse i. S. einer deutschgerichteten Bil-
dung, wissenschaftlicher und künstlerischer Prägung
bei starker, willensgemäßer Einstellung und körper-
licher Ertüchtigung in Turnen, Spiel und Sport. —
Inwieweit die Partei diesem hohen Ziel und dem

112
 
Annotationen